Vom Munitionshersteller zum Tech-Giganten
Rheinmetall: Rüstungskonzern mit Hightech-Agenda
Vom Waffenlieferanten des Kaiserreichs zum Treiber modernster Militärtechnik: Rheinmetall definiert sich neu – und wächst dabei rasanter als je zuvor.
Seit über 130 Jahren hat sich Rheinmetall von einer regionalen Munitionsfabrik zu einem weltweit agierenden Hightech‑Unternehmen entwickelt.
(Bild: nmann77 - stock .adobe.com)
Wie wurde aus einer Munitionsfabrik ein Technologiekonzern?
Es begann 1889 mit einem simplen Ziel: Munition für das Deutsche Reich herstellen. Heute liefert Rheinmetall automatisierte Artilleriesysteme, digitale Gefechtsnetzwerke und klimaneutrale Fahrzeugtechnologien. Die Transformation des Konzerns steht exemplarisch für das Zusammenspiel aus politischer Zeitenwende, technologischem Wandel und strategischer Expansion.
Der Weg dahin war alles andere als linear – geprägt von Weltkriegen, dem Strukturwandel der Nachkriegszeit und einer schrittweisen Neuausrichtung vom Maschinenbauer zum größten börsennotierten deutschen Rüstungskonzern.
Was prägte die Frühzeit des Unternehmens?
Rheinmetall startete in Düsseldorf mit einer klaren Ausrichtung: Rüstung. Mit der Übernahme der Dreyse-Fabrik 1901 und Innovationen wie dem schnellfeuernden Feldgeschütz oder nahtlosen Rohren wurde der Konzern rasch zum führenden Militärlieferanten. Während des Ersten Weltkriegs florierte das Geschäft, danach folgte der zivile Umbau infolge des Versailler Vertrags.
Die Rückkehr zur Rüstung kam mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten: Rheinmetall-Borsig wurde zweitgrößter Rüstungskonzern des Dritten Reichs – auch unter Nutzung von Zwangsarbeit. 1945 war das Werk größtenteils zerstört, die Zukunft ungewiss.
Panzer, Artillerie und Co.: Ein Auszug aus dem Rheinmetall-Portfolio
Wie sieht Rheinmetalls internationale Strategie aus?
Rheinmetall agiert heute global – mit Werken in den USA, Joint Ventures in der Ukraine und Investitionen in Osteuropa. Der Kauf des US-Fahrwerksspezialisten Loc Performance erweitert die Fertigungstiefe für die NATO-Länder.
Ein Joint Venture in der Ukraine zielt auf lokale Produktion von Lynx- und Fuchs-Panzern ab. In Rumänien entstehen Montagezentren, Akademien und neue Arbeitsplätze. Auch in Litauen und Großbritannien wird massiv investiert.
Ein Meilenstein ist das Werk Niedersachsen in Unterlüß: 200.000 Granaten jährlich, ab 2025. Parallel entstehen neue Produktionsstätten in Rumänien, Litauen, Indien – mit strategischen Partnern wie Reliance Defence.
Welche Rolle spielt Munition in der Konzernstrategie?
Mit dem größten Auftrag der Firmengeschichte – 8,5 Mrd. € für 155-mm-Granaten – setzt Rheinmetall neue Maßstäbe. Die Granaten der Assegai-Familie erzielen Reichweiten über 40 km. Auch Mittelkaliber-Munition (20–35 mm) wird verstärkt produziert – etwa für Gepard-Systeme oder Skynex.
Letzteres bildet ein neues Rückgrat der Luftverteidigung: Modular, sensorvernetzt, laser- und raketenfähig. Skynex wurde bereits an die Ukraine geliefert – ein Zeichen für Rheinmetalls Reaktionsgeschwindigkeit.
Wie positioniert sich Rheinmetall im Bereich Munition?
Artilleriemunition: Assegai-Familie und Milliardenaufträge
Rheinmetall gehört zu den weltweit größten Produzenten von Artillerie- und Mittelkalibermunition. Die 155-mm-Granaten der Assegai-Familie erreichen Reichweiten über 40 km und erfüllen NATO-Standards.
2024 wurde ein Rahmenvertrag mit der Bundeswehr im Wert von bis zu 8,5 Mrd. € unterzeichnet – der größte Auftrag der Unternehmensgeschichte. Damit soll die Versorgung mit Munition gesichert und die Produktionskapazität erweitert werden.
Produktionsausbau in Deutschland und Europa
Rheinmetall errichtet derzeit neue Produktionsstätten, um die stark gestiegene Nachfrage zu bedienen.
Werk Niedersachsen (Unterlüß): Produktionsstart 2025, bis zu 200.000 Granaten pro Jahr
Litauen: Neues 155-mm-Werk bis 2026, Investitionsvolumen 180 Mio. €
Rumänien: Netzwerk für Lynx- und Munitionsfertigung, inklusive Ausbildungsakademie
Indien: Kooperation mit Reliance Defence, Granaten- und Sprengstoffproduktion
Parallel wird in Großbritannien eine neue Produktionslinie für großkalibrige Läufe aufgebaut („Gun Hall“ in Telford, 400 Mio. Investition).
Mittelkaliber und Luftabwehr-Munition
Rheinmetall produziert auch Mittelkaliber-Munition (20–35 mm), die unter anderem in den Flugabwehrpanzern Gepard und in Systemen wie Skynex zum Einsatz kommt.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Versorgung der Ukraine, die unter anderem mit Flugabwehrmunition beliefert wird. Um Lieferengpässe zu umgehen, wurde die Fertigung ins Inland verlagert.
Was steckt hinter dem Luftverteidigungssystem Skynex?
Skynex ist ein vollständig vernetztes Luftverteidigungssystem mit offener Architektur, das speziell für die Abwehr von Drohnen, Raketen und Mörsergranaten entwickelt wurde.
Das System besteht aus:
Skymaster: digitales Battle-Management-System
X-TAR3D: 3D-Radar für Zielerkennung
Revolverkanonen Mk3 (35 mm): hocheffektive Effektoren
Optionale Komponenten: Raketen, Lasersysteme und zusätzliche Sensoren
Dank der modularen Bauweise lassen sich bestehende Systeme wie Skyguard oder Skyshield einbinden. Skynex wurde 2023 erstmals an die Ukraine geliefert, wo es gegen russische Drohnen eingesetzt wird.
Wie wirtschaftlich erfolgreich ist Rheinmetall aktuell – und warum?
Der wirtschaftliche Erfolg von Rheinmetall ist das Ergebnis jahrzehntelanger Technologieführerschaft, strategischer Weitsicht und einer aggressiven Wachstumsstrategie, die durch die geopolitische „Zeitenwende“ nochmals beschleunigt wurde. Insbesondere seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 erlebt der Konzern einen massiven Nachfrageanstieg – sowohl bei westlichen Regierungen als auch innerhalb der NATO.
Allein im Jahr 2024 erzielte Rheinmetall einen Umsatz von 9,751 Milliarden Euro – ein Wachstum von 36 % gegenüber dem Vorjahr. Der operative Gewinn (EBIT) stieg um satte 61 % auf 1,478 Milliarden Euro. Noch eindrucksvoller präsentiert sich der Auftragsbestand: Von 55 Milliarden Euro im Jahr 2024 kletterte er im ersten Quartal 2025 auf 63 Milliarden Euro. Gleichzeitig wuchs der Auftragseingang im selben Zeitraum um 181 % auf 11 Milliarden Euro. Damit erreichte der Konzern eine neue Dimension – sowohl im Hinblick auf seine Marktposition als auch auf seine Produktionskapazitäten und globale Sichtbarkeit.
Ein zentraler Wachstumstreiber ist der massive Bedarf an Artilleriemunition: Im Juni 2024 unterzeichnete die Bundeswehr einen Rahmenvertrag über bis zu 8,5 Milliarden Euro für 155-mm-Artilleriegranaten. Es ist der größte Einzelauftrag in der Geschichte von Rheinmetall – und ein klares Signal an die europäische Verteidigungsindustrie, dass Lieferfähigkeit zum neuen strategischen Wertmaßstab geworden ist.
Welche Unternehmen hat Rheinmetall gekauft?
Parallel zur Auftragslage investiert Rheinmetall in neue Werke, Technologiezentren und Akquisitionen. Zwischen 2023 und 2025 flossen rund 8 Milliarden Euro in die Expansion – sowohl organisch als auch über Zukäufe. Besonders hervorzuheben sind:
Loc Performance (USA): Spezialist für Fahrwerkssysteme, stärkt die Tochter American Rheinmetall.
Expal Systems (Spanien): Hersteller von Munition, erweitert Produktionskapazitäten in Südeuropa.
Stascheit GmbH (Deutschland): Kampfmittelbeseitigung als neues Kompetenzfeld.
ADS (Schweiz): Hersteller aktiver Schutzsysteme für gepanzerte Fahrzeuge.
Ein weiterer Meilenstein war der Börseneintritt in den DAX 40 im März 2023. Damit rückte Rheinmetall auch bei institutionellen Anlegern in den Fokus und stärkte seine Position als industrieller Kernakteur im Sicherheits- und Verteidigungssektor Europas. Vorstandschef Armin Papperger bezeichnete das Unternehmen unlängst als „globalen Champion“, dessen Rolle im NATO-Raum in den kommenden Jahren weiter wachsen werde – vor allem im Bereich strategischer Industriepartnerschaften und internationaler Lieferfähigkeit.
Wie sieht Rheinmetalls Nachhaltigkeitsstrategie konkret aus?
Trotz der Dominanz des Rüstungsgeschäfts verfolgt Rheinmetall eine ambitionierte ESG-Strategie und bekennt sich zu ökologischer, sozialer und unternehmerischer Verantwortung. Der Konzern hat sich das Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu arbeiten – und setzt dafür auf eine Kombination aus erneuerbaren Energien, Digitalisierung und Prozessoptimierung. Der Anspruch: Nachhaltigkeit soll integraler Bestandteil des operativen Geschäftsmodells sein, nicht bloß ein PR-Instrument.
Ein Beispiel: Die spanische Tochtergesellschaft Pierburg SA installierte bereits 2022 eine Photovoltaikanlage mit 1 635 Modulen, die rund 730 000 kWh Strom pro Jahr erzeugt und 175 Tonnen CO₂ einspart. Solche dezentralen Energiequellen sind inzwischen fester Bestandteil der Rheinmetall-Strategie und werden konzernweit ausgebaut – sowohl in Europa als auch in Produktionsstätten in Afrika und Asien.
In Südafrika rüstet Rheinmetall Denel Munition sukzessive auf Elektrofahrzeuge, E-Bikes und E-Scooter um. Ergänzend werden Solar-Ladestationen gebaut, um die Mobilität im Werk energieautark zu gestalten. Ziel ist es, dort ebenfalls bis 2035 komplett klimaneutral zu produzieren – ein Pilotprojekt, das als Blaupause für andere Standorte dienen soll.
Auch im Bereich der elektrifizierten Fahrzeugkomponenten wird an nachhaltigen Lösungen gearbeitet: Die zivilen Geschäftsbereiche Sensors and Actuators sowie Materials and Trade entwickeln unter anderem Systeme zur Abgasrückführung, effiziente Klimaanlagenmodule und Aluminiumleichtbau-Komponenten, die nicht nur Gewicht, sondern auch den Energieverbrauch im Betrieb reduzieren. Mit diesen Produkten bedient Rheinmetall weiterhin die Automobil- und Energiewirtschaft – und zeigt, dass Rüstung und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen.
Im Jahr 2021 trat Rheinmetall dem UN Global Compact bei und verpflichtete sich damit zu den zehn Prinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeit, Umwelt und Korruptionsbekämpfung. Ein wichtiges Zeichen in einem Geschäftsfeld, das regelmäßig unter kritischer Beobachtung steht.
Doch auch bei kontroversen Themen wie Waffenexporten in Spannungsregionen, der geplanten Produktion in der Ukraine oder der historischen Aufarbeitung des Einsatzes von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg zeigt sich das Unternehmen zunehmend transparent. Mit der Übernahme der Stascheit GmbH im Jahr 2025 baut Rheinmetall seine gesellschaftliche Verantwortung sogar aktiv aus – durch die Detektion, Analyse und umweltschonende Beseitigung explosiver Altlasten.
Nachhaltigkeit bei Rheinmetall ist daher kein bloßes Nebenthema, sondern ein zukunftsweisender Bestandteil der Konzernstrategie – auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz und langfristige Widerstandsfähigkeit in einem politisch sensiblen Markt.
Weitere Artikel zu Rheinmetall
FAQ zu Rheinmetall
Wann wurde Rheinmetall gegründet?
1889 in Düsseldorf – als Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik.
Welche Produkte stellt Rheinmetall heute her?
Panzer, Artillerie, Luftverteidigungssysteme, Munition, Sensorik, Elektronik und Automotive-Komponenten.
Was ist das bekannteste Produkt?
Das 120-mm-Glattrohr für den Leopard 2 sowie der Kampfpanzer KF51 Panther.
Welche internationalen Standorte gibt es?
Produktionsstätten u.a. in Deutschland, USA, Ungarn, Rumänien, Litauen, Indien und Großbritannien.
Wie hoch war der Umsatz 2024?
9,751 Mrd. €, ein Plus von 36 % gegenüber dem Vorjahr.
Was bedeutet die „Zeitenwende“ für Rheinmetall?
Ein historischer Nachfrageanstieg durch geopolitische Spannungen und sicherheitspolitische Neuausrichtung in Europa.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit?
Rheinmetall strebt bis 2035 Klimaneutralität an und investiert in grüne Energie, E-Mobilität und ESG-konforme Prozesse.
Ist Rheinmetall Teil des DAX?
Ja, seit März 2023 ist Rheinmetall im DAX 40 gelistet.