KI ersetzt kein Material – aber findet das bessere
Werkstoffe: KI revolutioniert die Materialentwicklung
Die Gründe, Materialien oder Werkstoffe zu ersetzen, sind vielfältig. Gleichzeitig wird Material-Substitution immer komplexer und häufig drängt die Zeit. KI-Tools können hier den entscheiden Vorsprung bringen – nicht nur beim Rennen gegen die Uhr.
Michaela NeunerMichaelaNeuner
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Materialprobe im Rasterelektronenmikroskop: Wie verändert sich die Mikrostruktur der Probe unter mechanischen Belastungen? KI kann an dieser Stelle weiterhelfen.(Bild: Robin Bitter, Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH)
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Werkstoffe beeinflussen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten eines Produkts, sie bestimmen Fertigungsprozesse und Kosten. Am Material hängt jedoch noch sehr viel mehr. Die Nutzung kritischer, konfliktbehafteter Rohstoffe birgt gesellschaftlichen Zündstoff. Regulatorische Eingriffe bringen schnell auch solide, gut fundierte Entscheidungen für einen Werkstoff ins Wanken. Dazu kommen schwindende Vorkommen, geo-politisch bedingte Verknappungen oder gestörte Lieferketten. Für Forschungs- und Entwicklungsabteilungen bedeutet all dies, sie müssen im Fall des Falles immer schneller für tragfähige Alternativen sorgen.
Material-Substitute zu finden gleicht jedoch häufig der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Der Lichtblick: Unter dem Strich geht es um komplexe, aber regelbasierte Entscheidungsprozesse und um Mustererkennung in einem unübersichtlichen Daten-Dschungel. Eine Aufgabe wie gemacht für Künstliche Intelligenz (KI)?
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„Künstliche Intelligenz wird künftig in vielen Fällen helfen, die Qualität von Polymeren deutlich zu verbessern, sagt Dr. Frank Schönberger, Abteilungsleiter Synthese und Formulierung Fraunhofer LBF, Darmstadt.
Was macht PFAS-Substitution so herausfordernd?
Beispiel per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS): Um ein EU-weites Verbot der ‚Ewigkeits-Chemikalien’, die sich einerseits mit der Gefahr gravierender Folgen in Böden und lebenden Organismen anreichern und andererseits aus vielen technischen Komponenten kaum wegzudenken sind, wird noch immer gerungen. „Es gibt einige Firmen, die schon jetzt nach Möglichkeit freiwillig auf Fluorpolymere verzichten wollen. Auch, weil diese durch die Diskussion um PFAS mittlerweile einen gewissen negativen Ruf erlangt haben, obwohl diese Polymere an sich eigentlich sehr, sehr gut sind“, berichtet Frank Schönberger, Leiter der Abteilung Synthese und Formulierung am Fraunhofer LBF, Darmstadt.
Prüfstand zur Bestimmung der Hochspannungs-Kriechstromfestigkeit an flammgeschützten Kunststoffproben(Bild: Fraunhofer LBF)
Gesucht: Substitute für PFAS
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„Allerdings ist die Substitution von PFAS leider ein mehrperspektivisches Problem. Aufgrund ihrer besonderen chemischen Eigenschaften ist es schwierig, Fluorpolymere pauschal zu ersetzen“, erklärt er. Vor allem dort, wo kein Over-Engineering vorliege. Sprich dort, wo die tatsächlichen Anforderungen an ein Produkt vom eingesetzten Werkstoff deutlich übertroffen werden. Häufig hängen diese Anforderungen nicht nur von einem Merkmal ab, sondern von einer Kombination mehrerer Eigenschaften. „Genau das ist das Herausfordernde bei PFAS. Ob sich ein Fluorpolymer ersetzen lässt, ist immer eine Frage des jeweiligen Anforderungssatzes. Bei der Bewertung von Anforderungen wird KI künftig sicherlich eine wichtige Rolle spielen“, erwartet Schönberger.
Wie funktioniert KI-gestützte Werkstoffsuche konkret?
Jenseits der PFAS-Thematik sieht er Potenzial für KI-Tools in der klassischen Formulierungsentwicklung, etwa bei Kunststoff-Rezyklaten: „Firmen und auch wir formulieren Kunststoffe heute häufig auf der Basis empirischer Erkenntnisse. Insbesondere im Kontext mit Rezyklaten, weil hier aufgrund beschädigter Polymerketten oder alleine schon wegen der unterschiedlichen Quellen die Materialbasis deutlich breiter ist. Da würde ich schon sehen, dass Künstliche Intelligenz hier Einzug hält und hilft, die Qualität einer Formulierung deutlich zu verbessern“, erwartet er.
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Sowohl im Experimentellen, als auch bei der Vorhersage der einzustellenden Eigenschaften, bei Recherchen in der wissenschaftlichen Literatur oder zur Bewertung von PFAS-Substituten sei KI ein Tool der Wahl. „Hier ein Werkzeug zu haben, das zumindest für bestimmte Anwendungen eine Bewertung möglichst automatisiert generiert, das wäre natürlich ein Traum“, findet Schönberger.
„Der unschlagbare Vorteil der deutschen Industrie ist ihr Domänen-Wissen", sagt Prof. Dierk Raabe, Geschäftsführender Direktor der Abteilung Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign, Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien.
KI geht anders vor als der Mensch
Die Vision, KI-Methoden in breitem Umfang für Fragestellungen der Materialentwicklung nutzbar zu machen, nimmt bereits in großen Schritten Gestalt an. So auch am Max-Planck-Institut (MPI) für Nachhaltige Materialien in Düsseldorf. „Der Impact des Werkezugs KI auf die Materialforschung ist enorm. Wir sehen hier einen echten Game-Changer“, stellt Prof. Dierk Raabe fest. Als Geschäftsführender Direktor leitet er die Abteilung Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign des Instituts.
„Die Umwälzungen, die hier bereits begonnen haben, sind – flapsig ausgedrückt – in vielerlei Hinsicht aktuell fast noch ‚underhyped’. Ich habe in meiner Laufbahn noch nie einen derart rasanten wissenschaftlichen Fortschritt in unserem Gebiet erlebt“, betont er. Forschende des ehemaligen Düsseldorfer Instituts für Eisenforschung loten die Potenziale bereits aus – unter anderem bei der Entwicklung von Metall-Legierungen für die Luftfahrt oder von Magneten für die Turbinen von Windkraftanlagen. „Bei Funktionsmaterialien wie Magneten sind die speziellen Eigenschaften, die sich je nach Anwendung deutlich unterscheiden können, nicht so einfach linear vorhersagbar.
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KI durchforstet Tabellen sowie Datenbanken und korreliert
Für die Prognose, ob ein Magnet in anderer Materialzusammensetzung, beispielsweise mit weniger Neodym oder Dysprosium, seine Aufgabe trotzdem erfüllt, ist eigentlich ein quantenmechanisches Verständnisnötig“, erklärt er. Klassischerweise würde dies deshalb auf Basis quantenmechanischer Theorien ermittelt. „In tausenden und abertausenden Rechnungen: Ob sich eine Zusammensetzung ergibt, die vielleicht in die richtige Richtung weist und die magnetischen Eigenschaften beispielsweise bei einer preiswerteren Zusammensetzung verbessert“, berichtet Raabe. Es ist ein aufwändiges und langsames ‚Sich-Herantasten’.
Vom trockenen Wüstenklima bis zu salzig-feuchter Meeresluft: Die Kelvinsonde ermöglicht Materialuntersuchungen in verschiedenen Atmosphären.(Bild: Robin Bitter, Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH)
„KI geht anders vor. Sie hat keine quantenmechanischen Theorien im Kopf, sondern durchforstet wissenschaftliche Tabellen, Datenbanken und Veröffentlichungen und korreliert, was sie zur Fragestellung findet. Es ist ein agnostisches Vorgehen, eine Mustererkennung, die in Datenräumen Trends ermittelt“, erklärt er. Am MPI durchlaufen die Ergebnisse im Anschluss weitere Optimierungs- und Überprüfungsschritte – zum Teil automatisiert durch andere KI-Methoden und in Agenten-Systemen. „Viele Entwicklungsprozesse können damit schon jetzt um 30 bis 50 Prozent beschleunigt und in die richtige Richtung angeschoben werden“, schätzt er.
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Aber nicht nur die Zeitersparnis ist enorm. „Künstliche Intelligenz arbeitet anders als der Mensch. Das führt auch immer wieder dazu, dass sie Prozesse oder Werkstoffzusammensetzungen vorschlägt, die bislang niemand auf dem Schirm hatte“, berichtet Raabe. Er warnt jedoch auch davor, Künstliche Intelligenz zu überschätzen und dem Irrtum zu erliegen, sie für alles einsetzen zu wollen: „Sehr häufig reicht klassische Mathematik. KI ist nur ein weiteres Werkzeug. Man sollte sich nicht in das Werkzeug verlieben, sondern in das Ergebnis.“
Ein weiterer verbreiteter Irrtum betreffe den Umfang der erforderlichen Manpower und Rechenkapazität für den Einsatz von KI. Der würde häufig unnötig hoch angesetzt. Sein Rat an Unternehmen, die über einen KI-Einsatz nachdenken: „Klein einsteigen.“ In Nischen oder mit klar abgrenzbaren Problemen anfangen. Am Markt verfügbare Tools mit „ein, zwei KI-Experten“ maßgeschneidert für eigene Anwendungen adaptieren und sich im Unternehmen eine eigene, unternehmensinterne KI aufbauen. Um die aktuelle Entwicklung aktiv mit zu gestalten, unabhängig zu bleiben und resilienter zu werden.
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„Die großen IT-Konzerne im Silicon Valley mögen in mancherlei Hinsicht vielleicht die Nase vorne haben. Aber der große Vorteil der deutschen Industrie ist ihr Domänen-Wissen“, stellt er klar. Gerade in der Materialentwicklung gehe es nicht nur – im Fall von Metallen – um neue Kristallstrukturen, designed von einer KI im Cyber-Space. „Es geht um den ‚ganzen Kram der echten Welt’, denn eine neue Struktur ist noch kein Werkstoff. Ein Werkstoff ist etwas, das verwendet, hergestellt, verteilt werden muss. Er kostet, hat einen CO2-Fußabdruck und durchläuft einen komplexen Prozess. Genau hier greift unser Domain-Knowledge und bringt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil,“ betont er.
„Die Zahl möglicher Materialien ist größer als die Anzahl der Sterne im Universum", sagt Dr. Josua Vieten, CEO ExoMatter.
Auch Materialwissenschaftler Dr. Josua Vieten sieht angesichts der scheinbaren KI-Übermacht im Silicon Valley keinen Grund für Pessimismus: „Deutschland ist sehr stark darin, Wissenschaft oder Technologie mit KI zu kombinieren.“ Der Chemiker und Managing Director des Münchner Start-ups ExoMatter hat selbst mehrere Jahre in den USA geforscht und gearbeitet und aus dieser Zeit die Kern-Idee für die ‚ExoMatter Plattform for Materials R&D’ mitgebracht, auf der sein 2022 gemeinsam mit Barbara Bachus gegründetes Unternehmen beruht. Die KI-gestützte Plattform ist ein Spin-off des Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie unterstützt Forschungs- und Entwicklungs-Teams in Wirtschaft und Wissenschaft dabei, ohne zeitraubende Umwege die vielversprechendsten Kandidaten für ihre Anwendung auszuwählen.
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Gezieltere Suche, schnellere Ergebnisse
Grundsätzlich ist die dafür zu durchsuchende Datenmenge immens. „Eigentlich ist die Zahl der theoretisch möglichen Kombinationen an chemischen Elementen unendlich groß. Aber mit bestimmten Annahmen lässt sich die Zahl wissenschaftlichen Schätzungen zufolge auf 10 hoch 60 begrenzen. Das sind mehr Materialien als Sterne im Universum“, stellt Vieten fest. Viele Unternehmen benutzten deshalb Materialien, die sie bereits kennen oder orientierten sich an Industrie-Standards. „Jenseits davon ist die Entwicklung eines neuen Materials oder die Suche nach einem Material-Substitut auf dem klassischen Weg mit sehr viel Versuch und Irrtum verbunden“, weiß auch er aus Erfahrung.
ExoMatter: Datenbank gegen Materialengpässe
ExoMatter ist deshalb angetreten, Materialfindungs- und Entwicklungsprozesse deutlich zu beschleunigen. „Vor allem der initiale Material-Screening-Prozess verschlingt sehr viel Zeit. Durch Simulationen und mit Hilfe unserer Datenbank können wir die Screening-Phase drastisch verkürzen und bis zu 90 Prozent der Laborversuche einsparen“, schätzt Vieten. „Insgesamt haben wir eineinhalb Millionen Materialien in unserer Datenbank und zu diesen 1,5 Millionen Materialen jeweils ungefähr 30 Materialeigenschaften“, berichtet er. Dazu gehören chemische, mechanische und physikalische Eigenschaften, aber auch eine Abschätzung von Kosten oder des CO2-Fußabdrucks. Durchsuchbar ist die Datenbank mittels definierter Parameter oder über einen KI-Agenten, der Anweisungen in natürlicher Sprache in Suchparameter umsetzt.
Aktuell konzentriert sich ExoMatter noch auf anorganische kristalline Materialien. Besonders gefragt sind Keramiken, Halbleitermaterialien und Katalysatoren. Dieses Material-Spektrum soll sich in den kommenden Jahren jedoch deutlich erweitern. „Außerdem wollen wir mittelfristig den gesamten Prozess der Materialentwicklung abdecken. Momentan liegt unser Schwerpunkt auf Material-Screening und Simulation. Darüber möchten wir unseren Kunden künftig die Möglichkeit geben, ihre Materialdaten bei uns zu speichern und ihre Berechnungen KI-gestützt laufend zu verbessern“, berichtet er.
„Die ökologische, rechtliche und soziale Bewertung kommt bei Material-Substitutionen häufig zu kurz", sagt Charlotte Schmidt, Forschungsgruppe für Sustainability and Material Compliance Management, Fraunhofer IPA.
KMU den Zugang zu KI erleichtern
Neben Forschungseinrichtungen nutzen bislang vor allem größere Unternehmen Dienstleistungen wie die von ExoMatter. Auch KMU den Zugang zu Künstlicher Intelligenz in der Material-Entwicklung und -Substitution zu erleichtern, ist das Ziel von Forschenden des Fraunhofer IPA in Stuttgart. „Die Gründe für eine Material-Substitution sind vielfältig. Immer häufiger spielen regulatorische Änderungen im produktbezogenen Umweltschutz eine wichtige Rolle, wie das Verbot von bleihaltigem Lötzinn in der Elektro- und Elektronikindustrie. Ein anderes großes Thema sind aktuell die PFAS, die nicht nur in der EU verboten werden sollen, sondern auch außerhalb. Solche Einschränkungen stellen gerade kleine und mittlere Unternehmen häufig vor eine gewaltige Herausforderung“, ist die Erfahrung der Umweltchemikerin Charlotte Schmidt, Expertin für Material Compliance Management am Fraunhofer IPA.
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Fraunhofer IPA: KI für smarte Materialentscheidungen
„Es gibt zwar Datenbanken, die Produktentwickler für die Recherche heranziehen können und mittlerweile auch immer mehr KI-gestützte Tools. Doch die liefern oft keine brauchbaren Ergebnisse, weil sie den genauen Anwendungsfall im Unternehmen nicht berücksichtigen, stellt Schmidt immer wieder fest. Außerdem besteht das Risiko, dass solche Empfehlungen auch aus anderen Gründen zu kurz greifen: „Probleme können beispielweise entstehen, wenn ein Material durch ein anderes ersetzt wird, das zwar technisch geeignet ist, jedoch ohne Berücksichtigung wichtiger Faktoren wie Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit oder regulatorischer Risiken ausgewählt wird.“
Die Lösung der Stuttgarter Forscherin und ihrer beiden Team-Kolleginnen Ana Pinzon und Sophia Giunta: Eine umfassende Erhebung des Bedarfs, eine Recherche mit standardisierten Prompts nach passenden Alternativen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die auf dem KI-Tool ‚Semantic Scholar’ des Allen Institute for Artificial Intelligence basiert, und im Anschluss eine fundierte Einschätzung, welche Risiken möglicherweise mit ihnen verbunden sind. „Vor allem die ökologische, rechtliche und soziale Bewertung kommt häufig zu kurz. Aber nur damit lässt sich einschätzen, ob ein Substitut beispielsweise tatsächlich nachhaltiger ist, oder unbedenklicher aus Sicht der gesetzgebenden Organe und welche regulatorischen Einschränkungen künftig drohen können“, so Schmidt.
Ein großes Manko beim Einsatz Künstlicher Intelligenz ist, dass nur brauchbare Antworten erhält, wer die richtigen Fragen stellt. „Wir haben dafür ein strukturiertes Vorgehen entwickelt und ich denke, dass das mit der größte Benefit unseres Angebots ist. Unternehmen mit einem Prozess zu unterstützen, das Thema strukturiert anzugehen. Denn genau das fehlt häufig noch.“
überarbeitet von: Dietmar Poll
FAQ zu KI in der Materialentwicklung
1. Was bedeutet der Einsatz von KI in der Materialentwicklung?
Der Einsatz von Künstliche Intelligenz (KI) in der Materialentwicklung bedeutet, dass große Datenmengen aus Materialdatenbanken, wissenschaftlichen Publikationen und Versuchsresultaten automatisiert ausgewertet werden. Die KI erkennt Muster und Korrelationen zwischen Materialeigenschaften, Zusammensetzungen und Anwendungsbedingungen – und kann so z. B. Substitutionsmaterialien, neue Legierungen oder Recyclingrezyklate schneller identifizieren.
2. Warum ist die Substitution von Materialien in der Industrie zunehmend wichtig?
Material-Substitution wird aus verschiedenen Gründen zunehmend wichtig:
Viele Materialien enthalten kritische oder konfliktbehaftete Rohstoffe.
Lieferketten sind geopolitisch unsicher und Ressourcenvorkommen schwinden.
Regulatorische Vorgaben (z. B. Verbot von PFAS) zwingen Unternehmen zu Alternativen.
Unternehmen müssen schneller reagieren — traditionelle Forschung via „Versuch & Irrtum“ ist oft zu langsam.
3. Welche konkreten Herausforderungen bestehen bei der Material-Substitution?
Zu den Kernherausforderungen zählen:
Materialien haben häufig eine Kombination vieler Eigenschaften (chemisch, mechanisch, thermisch etc.) – ein Ersatz muss also multifunktional geeignet sein.
Bei z. B. Fluorpolymeren (PFAS) stellt sich das Problem, dass sie technisch über Jahrzehnte bewährt sind und kaum direkt ersetzbar.
Neben der technischen Machbarkeit müssen auch ökonomische, ökologische, rechtliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden – oft fehlt hier ein vollständiger Blick.
Die Datenlage ist oft komplex oder fragmentiert, sodass klassische Methoden oder manuelle Suche sehr aufwändig sind.
4. Wie genau unterstützt KI den Prozess der Werkstoffentwicklung?
KI-gestützte Verfahren arbeiten typischerweise so:
Sie durchsuchen Datenbanken, wissenschaftliche Literatur und Materialtabellen automatisch und erkennen Muster, z. B. Zusammensetzung ↔ Eigenschaften.
Sie schlagen Materialkandidaten vor, die bislang nicht oder nur wenig betrachtet wurden – dadurch entstehen neue Ansätze.
Prozesse können dadurch oft um 30 bis 50 Prozent beschleunigt werden.
In Start-Ups („Material-Plattformen“) werden Datenbanken mit Millionen Einträgen aufgebaut, inkl. Eigenschaften wie Kosten, CO₂-Fußabdruck oder Versorgungssicherheit.
5. Welche Rolle spielt das „Domänen-Wissen“ (Fachwissen) in Verbindung mit KI?
Auch wenn KI viel leisten kann, bleibt Fachwissen entscheidend:
Nur mit tiefem Verständnis des Herstellungsprozesses, der Produktion, der Distribution und der Nutzung eines Werkstoffs lässt sich abschätzen, ob ein vorgeschlagenes Material sinnvoll ist.
Ein Material-Vorschlag der KI ist noch kein fertiger Werkstoff: Produktion, Kosten, Umwelt- und Lieferkettengesichtspunkte müssen mitgedacht werden.
Die führenden deutschen Industrieunternehmen haben oft einen Wettbewerbsvorteil durch ihr Domänenwissen – das in Kombination mit KI besonders wirksam ist.
6. Können auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von KI in der Materialentwicklung profitieren?
Ja - und das Wichtigste: klein anfangen.
Es wird empfohlen, mit klar definierten, begrenzten Problemen zu starten, statt gleich großflächig KI-Projekte aufzuziehen.
Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer IPA bieten Ansätze, KMU beim strukturierten Einsatz von KI in der Material-Substitution zu unterstützen.
Der Fokus liegt hier u. a. auf der Bewertung von Materialkandidaten hinsichtlich ökologischer, rechtlicher und sozialer Risiken – Aspekte, die bei KMU oft noch zu kurz kommen.
7. Gibt es Grenzen oder Risiken beim Einsatz von KI für Materialentwicklung?
Ja - wichtige Hinweise:
KI ersetzt nicht menschliche Experten oder Domain-Wissen – sie ist ein Werkzeug, nicht die Lösung.
Falsche oder unvollständige Daten können zu irrelevanten oder gar falschen Vorschlägen führen.
Wenn nur technische Eigenschaften betrachtet werden, ohne Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit oder Regulierung, kann ein scheinbar guter Ersatz kurzfristig scheitern.
Die Herausforderung liegt auch darin, die richtigen Fragen an die KI zu stellen – nur dann sind brauchbare Antworten möglich.
8. Welche Zukunftsaussichten ergeben sich durch den Einsatz von KI in der Materialentwicklung?
Der Einsatz von KI in der Materialforschung ein echter „Game-Changer“ ist.
Es besteht das Potenzial, den Screening-Prozess für neue Materialien drastisch zu verkürzen – etwa durch Datenbanken mit Millionen von Materialien und automatisierte KI-Analysen.
Zukünftig könnten KI-gestützte Plattformen den gesamten Prozess von Materialwahl über Herstellung bis Einsatz abdecken – inkl. Speicherung von Unternehmensdaten und laufender Optimierung durch KI.
Damit können Unternehmen schneller anpassungsfähig werden, z. B. bei regulatorischen Änderungen oder Lieferkettenveränderungen.