Ein motorisiertes Exoskelett kann die besonders gefährdete Lendenwirbelsäule entlasten. Der französische Hersteller Japet setzt dabei auf Faulhaber, denn bei seinem Produkt ist höchste Qualität gefragt, und jedes Gramm zählt.
Rückenschmerz verursacht jede zehnte Krankschreibung und 13 Prozent der Frühverrentungen. 80 Prozent der Menschen kennen die Krankheit aus eigener Erfahrung, bei 10 bis 20 Prozent der Gesamtbevölkerung sind die Schmerzen chronisch. Diese Zahlen stammen aus Frankreich, wo die jährlichen Folgekosten für Wirtschaft und Gesundheitssystem auf 20 Milliarden Euro geschätzt werden. Ähnliche Werte finden sich in allen Industrieländern.
Ungünstige Belastung und dauerhafte Überlastung der Wirbelsäule sind mit Abstand die häufigsten Ursachen für chronische Rückenschmerzen. Eigentlich lässt sich die Fehlbelastung leicht vermeiden, indem man sich an eine simple Grundregel hält: Lasten heben immer aus den Beinen heraus, und nur mit aufrechtem Oberkörper. Allerdings lässt sie sich im Alltag und bei vielen Arbeiten oft nicht befolgen. Wer einem Patienten aus dem Bett hilft, ein Postpaket aus dem Auto wuchtet, in der Fertigung mit schweren Teilen hantiert hat oder auf dem Bau mit schweren Handmaschinen arbeitet, kann die Belastung des Rückens kaum im ergonomisch korrekten Bereich halten. Das gehobene Gewicht drückt dann unweigerlich auf eine gebeugte Wirbelsäule.
Negativer Hebeleffekt verschärft das Problem
Der Hebeleffekt wirkt dabei ausgesprochen negativ: Je nach dem Grad der Beugung kann ein 10-Kilo-Paket mit einer äquivalenten Kraft von bis zu 50 Kilogramm auf die lumbalen Bandscheiben der unteren Wirbelsäule drücken. Diese natürlichen Stoßdämpfer aus Faserknorpel sind zwar ausgesprochen zäh und widerstandsfähig, doch sie altern mit den Jahren und können zudem bei ständiger Fehlbelastung frühzeitig verschleißen: Sie schrumpfen, die Dämpfungswirkung lässt nach, und auch das angrenzende Knochengewebe verändert sich mit häufig leidvollen Konsequenzen.
Beim Bandscheibenvorfall platzt der Bandscheibenkörper sogar auf, der Kern tritt aus und drückt äußerst schmerzhaft auf die umgebenden Nerven. „Wenn sich die Fehlbelastung nicht konsequent vermeiden lässt, muss man über entlastende Maßnahmen nachdenken“, sagt Antoine Noel. Der Robotik-Ingenieur hat 2015 zusammen mit Amelie Blondeaux und Damien Bratic in Lille das Unternehmen Japet gegründet. „Unser Ziel war, ein aktives Stützkorsett für die Lendenwirbelsäule zu entwickeln. Ungünstige Belastungen sollen durch Motorkraft ausgeglichen werden, sodass die Bandscheiben geschützt bleiben.“
Entlastung durch Aktoren
Das Ergebnis ihrer Arbeit ist das Exoskelett Japet.W. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Gurten, die durch vier Aktoren – je zwei pro Körperseite – miteinander verbunden sind. Der obere Gurt stützt den Rücken, der untere sitzt auf den Hüften auf. Bei den Aktoren handelt es sich um sogenannte seriell-elastische Aktoren (SEA). Sie „spüren“ eine auf sie einwirkende Kraft und arbeiten mit der eigenen Motorkraft dagegen.
Ihre wichtigsten Elemente sind ein Motor, eine Spindel und eine Feder. Ein Potentiometer misst die einwirkende Kraft, zum Beispiel wenn der Träger des Exoskeletts sich vorbeugt und ein Gewicht anhebt. Dieses Messsignal setzt den Motor in Gang, das durch ein Getriebe mit der Antriebsspindel gekoppelt ist. Die Drehung der Spindel überträgt die Motorkraft auf die Feder. Sie drückt vom unteren auf den oberen Gurt, stützt den Oberkörper und entlastet die Lendenwirbelsäule. Beim Ausmaß der Entlastung kann der Träger des Exoskeletts zwischen vier Stufen wählen. Die Steuerung und die Batterie des Geräts sind in den Doppelgurt integriert.
„Die Hüften werden durch den zusätzlichen Druck nur geringfügig belastet; ohnehin vertragen sie auch größere Gewichte ohne Probleme“, erläutert Antoine Noel. „Die Krafteinwirkung auf die Lendenwirbelsäule wird hingegen stark reduziert. Vor allem die übermäßige Belastung der Bandscheiben in einer gebeugten Position wird damit deutlich verringert oder ganz vermieden. Zugleich wird auch die Position des Oberkörpers verbessert.“
Kleinstmotoren heben vier Autos
Die Gründer von Japet sind Faulhaber zuerst auf einer Fachmesse begegnet. Ihr Unternehmen war damals noch ein technisches Versuchslabor in einem Nebenraum einer nordfranzösischen Klinik. Vom ersten Umsatz war es noch weit entfernt. In ihre ersten Testgeräte hatten die drei Jungunternehmer lärmende Billigmotoren eingebaut, die sich schlecht steuern ließen. Die Experten von Faulhaber fanden Gefallen an den Ideen der jungen Ingenieure. Sie unterstützten sie durch intensive Beratung und Prototypen hochwertiger Motoren, die der anspruchsvollen Anwendung gerecht werden konnten. „Das war ein wichtiger Beitrag, um unser Produkt serienreif zu machen“, betont Antoine Noel. Im Exoskelett Japet.W liefern vier DC-Motoren mit Edelmtallkommutierung der Serie 1524…SR die Stützkraft zur Entlastung der Wirbelsäule.
Für die Kraftübertragung sind Planetengetriebe der Serie 15A zuständig. Da das Gerät naturgemäß am Körper getragen wird, der zudem entlastet werden soll, kommt es hier auf jedes Gramm an – mit 18 Gramm pro Motor machen die Antriebe nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtmasse aus. Trotzdem sind sie stark genug, um über einen Arbeitstag den Bandscheiben das Gewicht von drei bis vier Mittelklassewagen abzunehmen. Neben dem Verhältnis von Volumen und Kraft zählen für Japet vor allem Qualität und Zuverlässigkeit zu den entscheidenden Kriterien: „Das Exoskelett ist ein zertifiziertes Medizinprodukt“, erklärt Antoine Noel. „Da gelten höchste Anforderungen. Außerdem muss das Gerät seine Träger im Dauerbetrieb unterstützen, über lange Zeit und möglichst ohne jede Wartung. Das wird mit den Antrieben von Faulhaber ermöglicht.“
Inzwischen ist das Japet.W seit über einem Jahr auf dem Markt. Es wird bereits in zahlreichen Branchen verwendet, darunter in der Eisenbahnindustrie, auf dem Bau und in der medizinischen Pflege. Sein Einsatz wirkt der möglichen Entstehung chronischer Rückenschmerzen entgegen. Es wird aber auch von Menschen genutzt, die dieses Syndrom bereits entwickelt haben und nach einem Weg suchen, weiterarbeiten zu können.
„75 Prozent der Träger, die zuvor bei der Arbeit Rückenschmerzen entwickelt hatten, berichten von einer wirksamen Schmerzreduktion“, betont Antoine Noel. „Das ist aus medizinischer Sicht ein beachtlicher Wert, zumal chronische Rückenschmerzen eine sehr hartnäckige und schwer zu behandelnde Krankheit sind. Da wir alle tendenziell immer länger arbeiten, und da das Know-how der älteren Beschäftigten immer wertvoller wird, hat das Exoskelett auch aus ökonomischer Sicht ein großes Potenzial.“
Wie entlaste ich meinen Rücken?
Am besten hält man sich an eine simple Grundregel: Lasten heben immer aus den Beinen heraus, und nur mit aufrechtem Oberkörper. Allerdings lässt sie sich oft nicht befolgen. Wer Patienten aus dem Bett hilft, ein Postpaket aus dem Auto wuchtet, in der Fertigung mit schweren Teilen hantiert oder auf dem Bau mit schweren Handmaschinen arbeitet, kann die Belastung des Rückens kaum im ergonomisch korrekten Bereich halten. Ein motorisiertes Exoskelett kann die dabei besonders gefährdete Lendenwirbelsäule entlasten.
Fachbuch: Elektromagnetische Verträglichkeit von elektrischen Kleinantrieben
Elektrische Kleinantriebe gehören heute in vielen Anwendungsbereichen zur erforderlichen Grundausstattung technischer Geräte. Für Elektronikentwickler besteht die Herausforderung darin, die im geregelten elektrischen Antrieb auf engstem Raum zusammentreffenden Komponenten der Leistungselektronik, μController und Sensorik unter dem Aspekt der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) im Blick zu halten und marktfähige Kompromisse zu finden. Das neue Fachbuch von Dr.-Ing. Andreas Wagener richtet sich an Anwenderinnen und Anwender und unterstützt sie dabei, ihr Endgerät EMV-konform mit einem geregelten Kleinantrieb als Komponente aufzubauen.
Über den Autor des Fachbuchs: Dr.-Ing. Andreas Wagener absolvierte an der Universität Erlangen ein Ingenieurstudium mit Spezialisierung auf elektrische Antriebe und promovierte im Bereich Hybriadantriebe an der Universität Ulm. Nach einigen Jahren bei dSPACE, wo er für die Integration von HIL-Testsystemen in die Automobilsystemtechnik verantwortlich zeichnete, schloss er sich 2007 dem R&D Team von FAULHABER an. Dr.-Ing. Wagener ist Experte für MotionControl-Anwendungen. In seiner Position als Head of Systems Engineering Firmware-Architektur war er unter anderem für die Entwicklung der FAULHABER MC V3.0-Generation verantwortlich und verantwortete den Anwendersupport.