FACTUREE Geschäftsführer Christopher Walzel & Moritz König

Christopher Walzel (links) und Moritz König haben den Begriff der Online-Fertigung geprägt. 2017 starten sie mit FACTUREE als echter Early Mover in der DACH-Region. Heute verzeichnet ihr Unternehmen einen achtstelligen Umsatz – ohne Investoren. (Bild: FACTUREE)

Zu den besonders visionären Ideen in der Anfangszeit der Industrie 4.0 zählte das Szenario der auftragsgesteuerten Fertigung – eine Zukunftsvision, in der Unternehmen nicht mehr umständlich und zeitintensiv nach passenden Lieferanten suchen müssen, sondern ihre Teile schnell und effizient über eine zentrale Plattform beschaffen können. Genau hier kommt FACTUREE ins Spiel: Als digitale Fertigungsplattform und One-Stop-Shop hat FACTUREE die typischen Stolpersteine im Beschaffungsprozess entlarvt – von der aufwendigen Lieferantensuche bis hin zu oft unklaren Preisstrukturen.
Im nachfolgenden Interview berichten die Gründer, wie sie mit einem breit aufgestellten Netzwerk und intelligenten Software-Lösungen selbst hochkomplexe Projekte erfolgreich und transparent abwickeln.

Ob es um individuelle Zeichnungsteile oder schnelle Prototypen geht, FACTUREE gewinnt zunehmend an Bedeutung als zuverlässige Anlaufstelle in der Industrie. Doch was steckt wirklich hinter dem Konzept? Welche konkreten Vorteile lassen sich für die tägliche Beschaffung erzielen – und wie können Unternehmen damit spürbar Zeit und Kosten sparen?
Beschaffung ist für viele Unternehmen nach wie vor sehr zeit- und ressourcenintensiv. Was ist also der Kerngedanke hinter FACTUREE, um diesen Prozess zu vereinfachen? Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Idee, die dahintersteht.

Was ist der Kerngedanke, um Beschaffungsprozesse zu vereinfachen?

Moritz König: Wir haben FACTUREE 2017 gegründet, weil wir selbst erlebt haben, wie kompliziert die Teilebeschaffung in vielen Unternehmen sein kann. Ich bin Ingenieur und habe damals in einem mittleren Unternehmen gearbeitet. Da gab es keinen richtigen Einkauf. Obwohl ich als Design-Ingenieur eigentlich nur Teile konstruieren sollte, musste ich sie auch beschaffen. Das war sehr aufwendig und lief noch viel über Fax oder Telefon. Wir dachten: In einer digitalisierten Welt muss es einen einfacheren Weg geben, Zeichnungsteile zu beschaffen – transparent, schnell und zuverlässig. Genau dafür haben wir FACTUREE gegründet.

Wie bleiben auch bei wachsenden Bestellvolumina Qualität und Liefersicherheit konstant?

FACTUREE Qualitätsprüfung Berlin
Ein Blick in die Logistik am Firmensitz von FACTUREE in Berlin: Alle Kundenteile treffen dort ein und durchlaufen eine Qualitätsprüfung - teils gleich vor Ort. (Bild: FACTUREE)

Christopher Walzel: Zum einen haben wir ein Qualitätsmanagementsystem, das alle unsere Abläufe strukturiert. Zum anderen arbeiten wir sehr datengetrieben: Wir wissen durch unsere vielen kleineren Aufträge sehr genau, welcher Lieferant was am besten kann. Schon bei der Vorauswahl filtern wir also nur jene Lieferanten, die die geforderte Qualität liefern können.
Zusätzlich gibt es bei großen Serien ein mehrstufiges Qualitätsverfahren. Zuerst prüft der Fertiger selbst, dann prüfen wir intern und schließlich kann auch noch ein externer Dienstleister beauftragt werden. So entsteht ein dreifaches oder sogar vierfaches Sicherheitsnetz, damit die Teile in der gewünschten Qualität beim Kunden ankommen.

Moritz König:
Und weil wir zwischen Kunde und Fertiger stehen, können wir das Qualitätsniveau genau anpassen. Wenn zum Beispiel in der Automotive-Branche oder im Aerospace-Bereich eine Null-Fehler-Toleranz gefordert wird, setzen wir aufwendige Prüfverfahren ein. Handelt es sich hingegen um Teile, bei denen es eher auf günstige Beschaffung ankommt, können wir die Prüfungen schlanker halten. Diese Flexibilität ist einer unserer Vorteile.

Was steckt hinter dem Prinzip „Alles aus einer Hand“?

Christopher Walzel: Wir treten nicht einfach als Vermittler auf, sondern sind der vollumfänglich verantwortliche Vertragspartner. Das heißt, wir übernehmen die Haftung für das Gelingen des Projekts und sind alleiniger Ansprechpartner des Kunden. Ein zentraler Vorteil ist, dass Unternehmen sich nicht mehr mit den verschiedenen Fertigungsprozessen, Lieferanten und Transportwegen auseinandersetzen müssen. Wir kümmern uns darum, dass sämtliche Prozessschritte – zum Beispiel CNC-Bearbeitung, Oberflächenbehandlung oder Nachbearbeitung – reibungslos ineinandergreifen.

Für jeden Kunde gibt es dauerhaft einen festen Ansprechpartner?

Christopher Walzel: Ja, jeder Kunde hat einen festen Projektbetreuer. Damit hat man nicht ständig wechselnde Kontaktpersonen. Dieser Projektmanager kennt die jeweiligen Anforderungen, Vorlieben und Besonderheiten. Ergänzend haben wir unsere Prozesse auch digital abgebildet, sodass alle Kundeninformationen im System hinterlegt sind. Selbst bei Urlaubsvertretungen geht dadurch nichts verloren.

Moritz König: Der große Mehrwert ist zudem, dass wir über eine hohe Expertise in der Kategorie Zeichnungsteile verfügen. Viele Betriebe, besonders im Mittelstand, haben im Einkauf Mitarbeitende, die eine große Produkt-Bandbreite beschaffen müssen – von Bürobedarf bis hin zu komplexen Fertigungsteilen. Wir hingegen sind rein auf Zeichnungsteile spezialisiert und bündeln ein Netzwerk von 2.000 Lieferanten. Das können die wenigsten Unternehmen intern stemmen.

Wie wird der Schutz geistigen Eigentums und der sichere Umgang mit kritischen Kundendaten gewährleistet?

Datensicherheit
Alle Facturee Partner unterliegen einem kontinuierlichen datengetriebenen Qualitätsmanagementsystem, das nach ISO 9001 zerti­fiziert ist. (Bild: FACTUREE)

Christopher Walzel: Ein entscheidender Vorteil unseres Modells ist, dass die Konstruktionsdaten nicht an Dutzende Anbieter gehen. Bei klassischen Ausschreibungen müssten Unternehmen ihre Daten an mehrere potenzielle Lieferanten weitergeben, um Preise zu erhalten. Bei uns verbleiben die Daten zunächst intern. Wir können bereits eine Preisindikation errechnen, bevor die Daten überhaupt an einen Fertiger gehen. Erst wenn der Auftrag zustande kommt, gehen die Daten – in anonymisierter Form – an den Lieferanten.
Selbstverständlich arbeiten wir nur mit Rechenzentren in Europa zusammen, die nach ISO 27001 zertifiziert sind. Eine doppelte Prüfung stellt sicher, dass keine Rückschlüsse auf den eigentlichen Auftraggeber möglich sind.

Gussverfahren sind neu im Portfolio. Welche strategische Rolle spielt das erweiterte Angebot für Industrieunternehmen?

Moritz König: Wir wollen in puncto Zeichnungsteile wirklich alle Anforderungen abdecken können und uns als One-Stop-Shop positionieren. Da gehören natürlich auch sämtliche Gussverfahren dazu, wie etwa Spritzguss und Druckguss. Wenn unsere Kunden Bauteil nicht fräsen, sondern gießen wollen, können wir das nahtlos anbieten.

Christopher Walzel: Das erweitert gleichzeitig den Handlungsspielraum: Wir bieten bei einer Anfrage oft mehrere Verfahren an, inklusive einer Kalkulation, was in welcher Stückzahl sinnvoll ist. So können Kunden etwa bei hohen Losgrößen auf Gussverfahren umsteigen, wenn das kostengünstiger oder technisch passender ist.

FACTUREE Geschäftsführer Moritz&Christopher
"Es sind Aufträge zu nahezu allen Fertigungstechniken möglich wie zu CNC-Bearbeitung, 3D-Druck, Guss- und Schmiedeverfahren", betonen die beiden CEOs. (Bild: FACTUREE)

Produktorientierung statt "Should costing"

„Should Costing“ ist im Beschaffungsprozess eine altbewährte Methode, um Kosten zu ermitteln. Allerdings stößt sie schnell an ihre Grenzen, wenn es um maßgeschneiderte Zeichnungsteile geht. Der Grund dafür liegt in der Einzigartigkeit jeder Fertigungsanfrage: Aspekte wie Materialverfügbarkeit, Produktionskapazitäten und das gewählte Fertigungsverfahren haben großen Einfluss auf den Endpreis.

Was sind die Antworten auf Fragen zu Kostenreduktion, Nearshoring, Compliance und Nachhaltigkeit?

Moritz König: Beim Thema Kostenreduktion können wir große Einsparungen erzielen, indem wir unseren Marktüberblick und unsere KI nutzen, um den jeweils besten Lieferanten zu finden. Auch bei Nearshoring unterstützen wir: Wer eine Teile-Produktion beispielsweise aus Asien zurückholen möchte, kann mit uns regionale Kapazitäten erschließen.
Zum Thema Compliance und Nachhaltigkeit: Viele unserer Lieferanten in Europa sind entsprechend zertifiziert. Auch unser eigener Betrieb sowie unsere Logistik sind seit Jahren CO₂-neutral.
Wenn ein Kunde explizit nur lokal fertigen oder gewisse Zertifizierungen erfüllen möchte, können wir dieses Ziel mit ihm umsetzen. Letztlich bieten wir damit eine strategische Komplettlösung für den Einkauf – nicht nur einzelne Teile.

Wie werden neue Partner ausgewählt, um Qualität und Kapazitätssicherheit zu gewährleisten?

Christopher Walzel: Wir haben einen systematischen Onboarding-Prozess. Zunächst prüfen wir genau, welche Fähigkeiten ein potenzieller Partner hat und ob er zu unserem Profil passt. Wir stellen sicher, dass wir damit Lücken im Fertigungsspektrum schließen oder bestehende Kompetenzen stärken. Jeder neue Lieferant beantwortet zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog. Anschließend bekommt er anfangs nur kleinere Aufträge, damit wir dessen Zuverlässigkeit, Liefertermintreue und Qualität bewerten können. Erst wenn alle Kriterien erfüllt sind, wird er in unser Stammnetzwerk übernommen.

In welchen Regionen sitzt der Großteil der Fertigungspartner?

Christopher Walzel: Viele unserer Partner sitzen in Europa, aber wir arbeiten auch mit Unternehmen in Asien. Gerade durch aktuelle Lieferketten-Themen ist uns ein stabiles Netzwerk innerhalb Europas besonders wichtig. Wenn ein Kunde Wert auf „Local for Local“ legt, können wir das mit europäischen Betrieben abdecken.

Moritz König: Wir führen auch sogenannte Nearshoring-Projekte mit Kunden durch. Wenn sie etwa ihre Produktion aus Fernost zurück nach Europa verlagern wollen, qualifizieren wir geeignete Lieferanten in verschiedenen Ländern und können so für Ausfallsicherheit sorgen. Das geht bis hin zu einer Art Multi-Sourcing-Strategie über unser Netzwerk.

Schneller von der Idee zum Produkt

FACTUREE kennt die unterschiedlichen Anforderungen seiner Kunden genau – von etablierten Unternehmen bis hin zu Start-ups. Dank automatisierter Abläufe, persönlicher Beratung und eines breiten Fertigungsnetzwerks wird die Realisierung von Produktideen effizienter und wirtschaftlicher gestaltet. Selbst bei knappen Budgets lassen sich Projekte schnell umsetzen, ohne dabei an Qualität einzubüßen. Besonders für junge Unternehmen mit begrenzten Ressourcen und geringer Produktionserfahrung ist die langjährige Expertise von FACTUREE ein großer Vorteil: Sie können sich voll und ganz darauf konzentrieren, ihr Produkt rasch auf den Markt zu bringen, während FACTUREE die Fertigung kompetent und kostenschonend betreut.

Was passiert im Falle einer Reklamation?

Christopher Walzel: Dann kümmern wir uns direkt um eine Lösung. Zunächst analysieren wir die Ursache: Wo ist der Fehler entstanden? War die Zeichnung missverständlich, gab es Kommunikationsprobleme oder hat der Fertiger etwas falsch umgesetzt? Wir übernehmen die volle Verantwortung und sorgen für Nachbesserung oder Nachfertigung. Unsere Kunden schätzen es sehr, dass wir Reklamationen schnell und unbürokratisch bearbeiten und sie nur einen Ansprechpartner haben.

Welche Faktoren beeinflussen die Preise und wie steht’s um günstigere Sofortangebote?

Moritz König: Grundsätzlich ist die Zeichnungsteile-Beschaffung ein Markt mit großen Preisschwankungen. Eine einzige kleine Änderung an einem Teil – zum Beispiel an der Bohrung – kann den Preis stark beeinflussen. Fakt ist, dass Sofortpreis-Anbieter oft Sicherheitsmargen einbauen müssen, weil sie nicht genau kalkulieren können. Mit unserer datengetriebenen Herangehensweise, die auf umfassendem Lieferantenwissen beruht, sind wir in der Lage, sehr genaue Preise zu erstellen und in der Regel günstiger zu sein als jeder automatisierte Sofortkalkulator.

Christopher Walzel: Wir sehen regelmäßig Preisunterschiede von Faktor 1:10 bei ein- und derselben Zeichnung, je nach Fertiger. Weil wir so viel Erfahrung und Daten haben, finden wir denjenigen Partner, der das Teil hochwertig und gleichzeitig preisoptimiert liefern kann. Zudem können wir unseren Kunden oft selbst bei Inflation noch die Preise anbieten, die wir vor Jahren kalkuliert haben – weil wir inzwischen mehr Lieferanten mit unterschiedlichen Kostenniveaus im Netzwerk haben.

Wie läuft der Bestellprozess ab und wie fügt er sich in bestehende Einkaufsprozesse ein?

Christopher Walzel: Wir zwingen niemandem ein neues System auf. Wenn ein Unternehmen SAP oder ein anderes ERP-System nutzt, integrieren wir uns darin oder arbeiten auf Wunsch auch einfach nur per E-Mail. Wer möchte, kann unsere digitale Plattform nutzen, muss es aber nicht. Wir orientieren uns grundsätzlich an den Kundenprozessen und streben eine unkomplizierte Zusammenarbeit an.

Welche Rolle spielt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI)?

Christopher Walzel: Wir nutzen KI schon seit unseren ersten Tagen. Die KI hilft uns vor allem bei der Analyse von Zeichnungsdaten und in der Preisermittlung. Wir können zum Beispiel auf Basis historischer Daten und Lieferantenprofile sehr schnell kalkulieren, ob ein bestimmter Fertiger ein Teil in der gewünschten Qualität und zu welchem Preis herstellen kann. Das wäre mit rein manuellen Prozessen bei mehreren tausend möglichen Lieferanten gar nicht machbar.

Welche Zukunftsvision gibt es mit Blick auf additive Fertigung, Robotik oder KI-gestützte Qualitätskontrolle?

Moritz König: Wir bieten schon seit langem alle gängigen additiven Fertigungsverfahren an. Sobald es neue Technologien gibt, schauen wir, ob diese für unsere Kunden einen echten Mehrwert bieten. Das Gleiche gilt für KI-gestützte Qualitätsprüfung: Bisher setzen wir KI vor allem zur präventiven Fehlervermeidung ein, wollen das aber in Zukunft weiter ausbauen.
Robotik spielt eher bei unseren Kunden eine Rolle, beispielsweise bei Automotive, Aerospace oder Medizintechnik. Wir unterstützen die Entwicklung, indem wir passende Teile liefern und flexibel auf neue Anforderungen reagieren.

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