Holger Lösch, Jochen Eickholt und Matthias Zelinger

Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer BDI und Jochen Eickholt, CEO Siemens Gamesa Renewable Energy diskutierten mit Matthias Zelinger, Leiter des VDMA Competence Center Klima & Energie, über die Rahmenbedingungen im Energiebereich. (Bild: Anna McMaster)

Madchinenbau-Gipfel 2023
(Bild: Weinzierl)

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EU-weit einheitliche Regelungen stehen auf der Wunschliste von Dr. Jochen Eickholt, CEO von Siemens Gamesa Renewable Energy, S.A., um einen festen Rahmen für übergreifende Entscheidungen zu haben. „Wir als Protagonisten der Erneuerbaren sehen, dass alles, was mit Elektrifizierung zu tun hat, deutlich ökonomischer ist, auch heute schon: Das wissen viele nicht“, konstatierte Eickholt. Wenn der Markt hier mehr zum Zuge käme, könne das zur Zunahme der Erneuerbaren beitragen.

Relativ einig sind sich die Experten, dass wir uns auf ein New Normal der Energiepreise zubewegen müssen. Was also ist das New Normal für die Jahre 2024 bis 2028? „Die Zukunft wird in deutlichem Maß elektrisch sein, aber auch aus mit erneuerbarem Strom erzeugten Molekülen kommen“, meint Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Meine Hoffnung ist, dass wir 2024, 2025 schon wieder komplett andere Preise sehen. Europa wird sich besser organisieren, um LNG-Kapazitäten besser auszulasten – Spanien ist derzeit unterausgelastet, Deutschland überlastet“, so Lösch.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Regularien müssen für mehr Geschwindigkeit vereinfacht werden

Den Übergang zu grünem Wasserstoff bewertet Lösch als große industriepoltische Chance, das zeigten große Unternehmen wie Linde, ThyssenKrupp, Bosch und andere, die bereits darauf setzen. Doch einfach wird es nicht. „In der Geschwindigkeit, mit dem aktuellen Regelwerk, werden wir überall hinkommen, nur nicht zu den gesetzten Zielen“, befürchtete Lösch.

Für Zulieferer in Europa lohnt es sich, CO2-neutral zu produzieren, das sei deshalb ein strategisches Thema. Doch auch andere Länder wie Australien beschäftigen sich beispielsweise mit Windkraft.  „Wir kommen in eine brutale Konkurrenz um Anlagen und Rohstoffe“, glaubt Lösch. Regularien müssten sich zudem zugunsten von mehr Geschwindigkeit ändern. Es gelte auch, genau die Folgen des US-amerikanischen Inflation Reduction Acts für die europäische Wirtschaft zu untersuchen. Hier lauert handelspolitische Sprengkraft.

Im Jahr 2022 seien weniger Genehmigungen für Windenergie ausgesprochen worden als in 2021. Onshore-Genehmigungen dauern zwei bis drei Jahre, Offshore sogar sieben Jahre, berichtete Jochen Eickholt. Beim Leitungs- oder Grid-Ausbau sei man bei den Zielen von 2015 erst bei 15 Prozent Planerfüllung. Im Vergleich zu China habe man einen massiven Rückstand bei Windenergieinstallationen. Das sind Zahlen, die nachdenklich stimmen.

So gelingt die Energiewende im Mittelstand

Wolfram Kuhn, Geschäftsführer der 145 Mitarbeiter starken Herborner Pumpentechnik GmbH & Co. KG, zeigte auf, wie die Energiewende im Mittelstand gelingen kann. Man habe früh begonnen, die Produkte zum Beispiel für die Schwimmbadtechnik energieeffizienter zu machen. „Wir wollten mehr“, erinnerte sich Kuhn. Mit einem Berater für Energieeffizienz erfolgte eine umfassende Untersuchung.

Man habe die Öfen in der Gießerei von Öl auf Elektroenergie umgestellt, thermische Sandregenerierung eingeführt und eine Photovoltaikanlage für die Hallendächer installiert, sowie dafür eine Überdachung der Mitarbeiterparkplätze genutzt. „Damit können wir die ganze Gießerei betreiben und bei Sonne bleibt noch etwas übrig für die Produktion“, so Kuhn. Als erste, fast energieautarke Gießerei habe man Mittel aus europäischen Fördertöpfen enthalten.

Das Ergebnis: Einer Investitionssumme von 2,3 Millionen Euro bei einer halben Million an Fördermitteln steht eine CO₂-Reduktion um 700 Tonnen im Jahr entgegen. Als Nächstes will man sich die Heizungsanlage vornehmen. Die Nachhaltigkeit macht die Mitarbeiter stolz und ist gut für das Image, meint Kuhn. Es sei aber dauerhaft Überzeugungsarbeit zu leisten. Sein Rat: Selber denken und dranbleiben.

Podcast: Wie die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit gelingt

Auch Ali Bindernagel, geschäftsführender Gesellschafter des Maschinenbauers Friedrich Kocks GmbH & Co. KG, sieht den Klimaschutz als Chance. In den letzten Jahren sei man neben Materialfluss- und Prozessoptimierung in der Produktion auch das Thema Energieeinsparung angegangen. Eine Änderung der Beleuchtung habe nicht so viel gebracht, wie vorher versprochen. Doch der Bau einer Photovoltaikanlage mit 750 Kwh Peak ging zügig und reibungslos, die Anlage läuft seit zwei Jahren stabil. Etwa 44 Prozent des gesamten Stromverbrauchs können in diesem Jahr eingespart werden.  Bindernagel rät, dafür einen spezialisierten Berater hinzuzuziehen.

Doch wie kann die Energiewende weiter voran gebracht werden? „Wir benötigen vor allem Wasserstoffspeicher. Mein Ziel ist es, in einigen Jahren bei Strom unabhängig zu werden“, meint Bindernagel. Er wünscht sich ein Gremium, das mit Hochdruck daran arbeitet, die Herstellerunternehmen von Elektrolyseanlagen zu fördern, damit diese für den europäischen Markt erschwinglich werden. Zudem müsse es möglich werden, dass der Strom, der mit eigenen Photovoltaikanlagen erzeugt wird, über das öffentliche Netz an Nachbarunternehmen verkauft werden könne – auch um die Fernnetze zu entlasten.

Solarenergie steht vor Riesenherausforderung

Doch auch bei der Sonnenenergie droht Ungemach in Europa. „Europa und Deutschland haben sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt, aber sie machen sich wenig Gedanken darüber, wo die Anlagen und Materialien herkommen“, gab Dr. Gunter Erfurt, CEO der Meyer Burger Technologie AG, zu bedenken. Sein Unternehmen gehört zu den wenigen, die den Crash des europäischen Photovoltaikmarkts überstanden haben. Mit neuer Technologie, die nicht so schnell von China kopiert werden kann, tritt man derzeit im Markt an. 88 Prozent aller Solarzellen würden in China produziert, China habe jedoch einen Eigenbedarf, der bei 50 Prozent des weltweit produzierten Bestands liege.

Deutschland wolle 215 Gigawatt pro Jahr mehr produzieren, dafür seien 10 Prozent der verfügbaren Anlagen nötig. „Das ist illusorisch“, folgert der Experte. Zudem seien für jede Komponente, die nicht in der EU produziert wird, Zölle fällig, während China hierher ohne Barrieren exportieren kann. Auch Erfurth verwies auf Bidens Inflation Reduction Act. „Das ist ein letzter Weckruf, wenn Europa dem nichts entgegensetzt, wird die Industrie hier abwandern“, sorgt sich der Photovoltaik-Experte.

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