Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet den 11. Maschinenbau-Gipfel in Berlin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet den 11. Maschinenbau-Gipfel in Berlin. - (Bild: Anna McMaster)

VDMA-Präsident Carl Martin Welcker hat zur Eröffnung des 11. deutschen Maschinenbau-Gipfels in Berlin die Anliegen der Branche an die Politik zusammengefasst und ging dabei auf aktuelle Entwicklungen der Branche ein. „Die Party ist noch nicht vorbei, aber man sollte nahe am Ausgang tanzen“, so beschrieb der Verbandsschef die aktuelle Lage im deutschen Maschinenbau. Eine Teilnehmerumfrage zeigte, dass immerhin 53 Prozent der Unternehmen für die nächsten sechs Monate von einer ungünstigeren Geschäftsentwicklung als bisher ausgehen. Nur 13 Prozent rechnen mit einer Verbesserung.

„Aktuell verfehlt die Produktion ihr Vorjahresniveau nach aktuellen Zahlen um 1,6 Prozent. Der Auftragseingang jedoch liegt um 9 Prozent unterhalb der Vorjahresreferenz“, stellte Welcker fest. Damit dürfte die Produktion im laufenden Jahr real um rund 2 Prozent sinken. Für das kommende Jahr gehe man von einem Minus in gleicher Höhe aus. „Die Zahlen sind das Ergebnis einer unguten Gemengelage – globaler Handelsstreit sowie große Transformation schlagen einer exportstarken Branche wie unserer direkt ins Kontor“, so der Verbandspräsident. „An dieser Stelle möchte ich Ihnen danken für Ihren unermüdlichen und sicher nicht immer einfachen Einsatz für eine multilaterale und regelbasierte Weltordnung“, sagte Welcker in Richtung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das wurde vom Publikum mit großem Applaus quittiert.

VDMA, Maschinenbau-Gipfel 2019, Ursula Heller
Eine Teilnehmerumfrage zeigte, dass immerhin 53 Prozent der Unternehmen für die nächsten sechs Monate von einer ungünstigeren Geschäftsentwicklung als bisher ausgehen. Nur 13 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. - (Bild: Julia Dusold)

Die Sorge um multilaterale Werte ist auch bei Merkel groß

Man schaue mit Sorge auf die wichtigsten Partner USA und China. Beide stellten den internationalen Handel und die internationale Zusammenarbeit an sich auf ihre eigene Art und Weise mehr und mehr in Frage, so Welcker: „Wir alle mussten in den letzten Jahren lernen,  dass kurze Twitter-Botschaften aus Washington und Interviews von Botschaftern sich in unseren Auftragsbüchern niederschlagen können.“

Die Kanzlerin sagte dazu: „Wir sehen hier erhebliche Schwierigkeiten und Risse in einer eigentlich selbstverständlichen Weltsicht, nämlich dass es Win-Win-Situationen gibt, wenn Länder partnerschaftlich, fair, barrierefrei zusammenarbeiten“. Diese Werte würden in Frage gestellt, einschließlich der multilateralen Organisationen. „Für mich ist das ein Paradigmenwechsel, der sich da vielleicht andeuten könnte, bei einer Ordnung, die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ist“, so die Kanzlerin. Diese sei geboren aus den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs und aus dem Leid, das auch gerade von Deutschland über die Welt gebracht worden sei.

„Bei aller Kritik an der nicht perfekten Funktionsweise all dieser multilateralen Organisationen, ist es sehr schnell möglich, solche Institutionen zu zerschlagen oder sie handlungsunfähig zu machen – wie wir es vielleicht bei der Welthandelsorganisation sehen, weil die Schiedsgerichte nicht mehr tagen“, stellte Merkel fest. Sie sei überzeugt: Wenn jeder nur noch an sich denkt, wird diese Welt ärmer werden. Man könne nur hoffen, dass bestimmte Handelsstreitigkeiten abgeschafft werden, wie zwischen den USA und China, die die Unternehmen der Branche belasten.

Zum Brexit sagte Merkel: „Großbritannien wird sich zu einem Wettberber vor den Haustüren Europas entwickeln“. Dabei werde die EU noch stärker  gefordert sein, wettbewerbsfähig zu sein und die geopolitische Verantwortung zu übernehmen.

Angela Merkel, Carl Martin Welcker,
Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast beim 11. Deutschen Maschinenbau-Gipfel zwischen VDMA-Präsident Carl Martin Welcker (rechts v. Merkel) und VDMA-Vizepräsident Karl Haeusgen. - (Bild: Anna McMaster)

Wie Merkel die Bürokratie bei Entsenderichtlinie senken will

Welcker begrüßte zudem die überfällige Diskussion über den industriellen Mittelstand. Der Verbandspräsident forderte von der Politik jedoch deutlich mehr Engagement beim Abbau der bürokratischen Lasten, vor allem eine Veränderung bei der Europäischen Entsenderichtlinie, Stichwort Formular A1. Gerade mittelständische Maschinenbauer lebten von einer schnellen Reaktionszeit beim Kundenservice, da könne es nicht sein, dass es daran scheitere, Monteure kurzfristig ins benachbarte Ausland zu schicken. In Italien oder Frankreich dauere es mindestens 72 Stunden Bearbeitungszeit und müsse in der jeweiligen Sprache erfolgen.

Die Bundeskanzlerin nahm dazu in ihrer Rede direkt Stellung: „Wir haben jetzt gerade ein drittes Bürokratisierungsentlastungsgesetz mit Entlastungen von einer Milliarde Berichtspflichten, die Sie haben, auf den Weg gebracht“, berichtete die Kanzlerin. Die A1-Bescheinigung sei schon Gegenstand einer Unterredung mit dem französischen Präsidenten gewesen. „Wir werden das morgen beim deutsch-französischem Ministerrat auch noch einmal aufnehmen“, versprach Merkel. Denn hier sei etwas passiert, das einer gewissen Form von Protektionismus in einem eigentlich freien Binnenmarkt gleichkomme. In diesem Fall sei aber nicht die EU schuld: Die Entsenderichtlinie erfordere nicht, die Bescheinigungen im Vorhinein auszufüllen, das könne ebenso gut im Nachhinein passieren. Sie wolle dieses „Bürokratiemonster“ abschaffen helfen, betonte Merkel. Das sei im Umgang mit einigen Mitgliedstaaten der EU ein Unding und koste Unternehmen nur Zeit und Kraft.

Video: Merkels Auftritt auf dem Maschinenbau-Gipfel

Wie Merkel das Klimapaket verteidigt

Zudem regte der Verbandschef an, die Steuerbelastung auf einbehaltene Unternehmensgewinne  auf 25 Prozent abzusenken: Das würde für viele Unternehmen Luft für Innovation verschaffen. Auch beim Thema Klimawandel fand Welcker deutliche Worte. „Das Klimapaket bleibt mit seinen einzelnen, sektorspezifischen Zielen hinter dem zurück, was machbar und richtig scheint“, kritisierte Welcker. „Die Ausrichtung unserer Gesellschaft auf Treibhausneutralität wird der größte gesellschaftliche Umbau aller Zeiten“, so Welcker. Den Bürgern müsse vermittelt werden, dass dieser alternativlos ist und Einschnitte bedeutet. Er koste Schätzungen zufolge 900 Milliarden US-Dollar pro Jahr weltweit und in Deutschland  16 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr für ein CO2-Vermeidungsziel von 85 Prozent.

Der VDMA setze sich seit vielen Jahren für einen CO2-Bepreisung ein, mit der eine echte, marktwirtschaftliche Lenkungswirkung erzielt werden könne. „Ein zu niedriger Einstiegspreis und ein Festhalten an starren, sektorspezifischen Regeln wirkt kontraproduktiv“, sagte Welcker. Er forderte, stärkeres Augenmerk auf die Modernisierung von Zementwerken oder die Vermeidung von Gasen in Mülldeponien zu legen. Dort seien deutlich mehr Einsparungen möglich als im PKW-Bereich, pro Jahr mehr als eine Milliarde Tonnen CO2. Die Techniken dafür seien vorhanden.

Zur Vermeidung von CO2 in Zementwerken betrage der Preis pro Tonne schon 25 Euro, das entfalte bereits Lenkungswirkung, konterte die Bundeskanzlerin. „Es ist ein Einstieg in ein dauerhaftes Bepreisungssystem, das zum Ende des Jahrzehnts mit frei floatenden Preisen stattfindet“, verteidigte Merkel das umstrittene Konzept. Auch die sektorspezifische Ausrichtung sei wichtig, weil beispielsweise die Vermeidungspreise im Gebäudebereich höher seien als in der Industrie. Die Kanzlerin deutete an, dass man nicht auf höhere Preise setze, weil man die Industrie im internationalen Wettbewerb sehe. Allerdings wurde mehr als deutlich, dass die Branche diesen ungefragten „Kotau“ nicht honoriert, sondern die Notwendigkeit effizienterer Co2-Einsparungen als wichtiger priorisiert.

Es werde für jedes Jahr bis 2030 ein Budget von Co2-Emissionen geben. Werde dies überschritten, müssten auf dem europäischen Markt für viel Geld zusätzliche Zertifikate gekauft werden. „Es besteht also durchaus großer Druck, national die vorgegebenen europäischen Ziele auch zu erreichen. Deshalb glaube ich, unser Programm ist etwas intelligenter, als Sie dargestellt haben“, antwortete Merkel mit Blick auf die Anmerkungen des VDMA-Chefs. Es mache Sinn, die Vermeidungskosten anzuschauen, und die „low hanging fruits“ zuerst zu pflücken, bevor man die teuren Dinge angehe.

Warum wir in Europa Datenautonomie brauchen

Mit Blick auf die Herausforderungen in Zuge der Digitalisierung stellt Merkel als zentralen Punkt die fehlende Datensouveränität in Europa heraus: "Die Datenautonomie europäischer Unternehmen macht mir große Sorgen. Bislang findet das Datenmanagement in hohem Maße zusammen mit amerikanischen Firmen statt", erklärte die Kanzlerin. In Europa seien eigene unabhängige Plattformen notwendig, auf denen unsere Daten nicht nur gelagert, sondern auch verarbeitet werden können.

Besucher-Feedback zum Maschinenbau-Gipfel 2019

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