Design Thinking gilt als Schlüssel zu bahnbrechenden Innovationen. Der Ansatz verbindet Kundenfokus, Kreativität und schnelle Prototypen zu marktreifen Lösungen. Das kann auch die industrie für sich nutzen.
Design Thinking ist längst mehr als ein Kreativ-Workshop. Es wird zum festen Bestandteil strategischer Unternehmensentwicklung.(Bild: Vitalii Vodolazskyi - stock.adobe.com)
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Wie verändert Design Thinking die Industrie?
Noch immer ist die deutsche Industrie stark technologiegetrieben. Jahrzehntelang galt: Produkte werden optimiert, Materialien leichter, Wirkungsgrade höher – doch der Kunde spielte oft nur eine Nebenrolle. Mit Design Thinking bricht ein Paradigmenwechsel an: Der Kunde steht im Zentrum, Innovationen entstehen aus realen Bedürfnissen, nicht aus dem, was technologisch gerade machbar ist.
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„Das ist technologiegetriebenes Denken, der Kunde kommt dabei kaum vor“, kritisiert Vladimir Preveden, Unternehmensberater bei Roland Berger. Stattdessen fragt Design Thinking: Was will der Kunde – und was muss das Unternehmen tun, um diesen Wunsch zu erfüllen?
Beispiele aus der Automobilbranche zeigen die Radikalität des Wandels. Start-ups, die noch nie ein Auto gebaut haben, kündigen Fahrzeuge an, die auf Kundenwünsche wie Elektroantrieb und autonomes Fahren zugeschnitten sind – lange bevor traditionelle Hersteller ihre Prozesse umgestellt haben.
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Volkswagen geht mit dem Group Future Center Europe in Potsdam voran. Hier arbeiten Fahrzeugdesigner und UX-Spezialisten Hand in Hand. Statt nur das Fahrzeug zu perfektionieren, analysieren sie den Lebensstil der Kunden und entwickeln Mobilitätslösungen, die perfekt passen. Offene Büros, Co-Working-Spaces und interaktive Teststationen schaffen die Kreativumgebung.
Was macht Design Thinking so wirkungsvoll?
Das Herzstück der Methode: Schnelles Prototyping. Ideen werden nicht endlos diskutiert, sondern möglichst schnell in Testversionen umgesetzt. Erfolgversprechende Ansätze werden weiterentwickelt, weniger geeignete verworfen – ohne monatelange Feinarbeit in Sackgassenprojekten.
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Diese agile Denkweise hat bereits Einzug bei Airbus, Lufthansa, IBM, SAP und in der gesamten Automobilindustrie gehalten. Die Anwendung ist flexibel: Manche Unternehmen integrieren Design Thinking in die gesamte Organisation, andere nur in spezifischen Projekten, wie etwa die Verbesserung des Kundenservices oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
So funktioniert Design Thinking – Schritt für Schritt
Das Vorgehen beim Entwicklungsprozess des Design Thinking. Ist man an einem Punkt des Kreises unzufrieden, kann man einen Schritt zurückgehen. -(Bild: NNGroup.com)
Design Thinking ist ein kreativer Problemlösungsansatz, der in sechs klaren Phasen abläuft. Ziel: Lösungen entwickeln, die exakt auf reale Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind – schnell, praxisnah und mit hoher Innovationskraft.
1. Verstehen (Understand) Analyse des Problems aus Kundensicht: Markt, Nutzerverhalten, Trends und technologische Rahmenbedingungen erfassen.
2. Beobachten (Observe) Direkter Kontakt mit Kunden oder Nutzern. Interviews, Umfragen und Feldstudien liefern Einblicke in tatsächliche Bedürfnisse und Probleme.
3. Standpunkt definieren (Point of View) Kernproblem präzise formulieren. Fokus auf die entscheidenden Kundenerwartungen setzen.
4. Ideenfindung (Ideate) Kreativphase mit Brainstormings, interdisziplinären Teams und Querdenken. Ziel: möglichst viele, auch unkonventionelle Lösungsansätze.
5. Prototypen bauen (Prototype) Schnelles Umsetzen der besten Ideen in greifbare Modelle oder digitale Simulationen – für sofortiges Testen und Feedback.
6. Testen (Test) Prototypen im realen Umfeld erproben, Feedback sammeln und Verbesserungen direkt umsetzen. Iterativer Prozess statt starrer Projektplanung.
Fallbeispiel Procter & Gamble: Innovation aus dem Passion Club
Am Standort Schwalbach betreibt Procter & Gamble den sogenannten Passion Club – ein Kreativlabor für Nachwuchskräfte. Dort entstehen neue Geschäftsmodelle und Produktideen, die über den Tellerrand hinausgehen.
Ein besonderes Format sind die „Fuck up Nights“: Hier werden Misserfolge offen diskutiert und dokumentiert. Ziel ist es, aus Fehlern zu lernen und dieses Wissen im gesamten Unternehmen zu teilen. So entstehen Lösungen schneller – und andere Abteilungen profitieren von den Erfahrungen.
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Co-Creation bei SAP: App Haus als Innovationsmotor
SAP gilt als Vorreiter bei der Integration von Design Thinking. Mehr als 700 Kundenprojekte wurden bereits umgesetzt, 60 Kunden sprechen öffentlich über die Erfolge.
Kreative Arbeitsumgebungen – sogenannte App Häuser – bringen Kunden, Entwickler und Designer zusammen. Diese Co-Creation-Strategie hat SAP nicht nur zahlreiche Design Awards eingebracht, sondern auch die Wahrnehmung am Markt verändert.
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Hasso Plattner, Mitgründer von SAP, trieb die Einführung persönlich voran. Die Methode erinnerte ihn an die Anfangsjahre des Unternehmens: eng am Kunden, iterative Entwicklung und unmittelbares Feedback.
SAP wendet Design Thinking in den meisten Bereichen an
Im App Haus arbeiten Mitarbeiter von SAP zusammen mit Kunden nach der Design-Thinking-Methode. -(Bild: SAP)
Der Walldorfer Software-Konzern SAP ist einer der Vorreiter bei der Nutzung der Entwicklungsmethode Design Thinking in Deutschland. Der DAX-Konzern wendet diese agile Methode in fast allen Bereichen an. Dies erstreckt sich von der Entwicklung der Produkte bis zur Beratung und zum Verkauf.
Und auch bei der Arbeit mit ihren Kunden setzen die Walldorfer Design Thinking ein. „Wir haben mehr als 700 Kundenprojekte im Design Thinking durchgeführt und mehr als 60 Kunden, die über die Erfolge sprechen“, sagte Andreas Hauser, SAP Design – Global Head of App Haus Organization, gegenüber der Fachzeitung ‚Produktion‘. Dafür hat das Unternehmen kreative Umgebungen geschaffen, in denen SAP auf eine neue Art und Weise arbeite: App Haus Lokationen.
Laut Hauser habe sich durch die Anwendung von Design Thinking die Wahrnehmung von SAP am Markt verändert: SAP wurde in den Design Value Index des DMI aufgenommen, zudem gewann die Software-Schmiede mehr als 30 Design Awards.
Eingeführt wurde Design Thinking bei SAP durch Hasso Plattner. „Hasso Plattner erinnerte die Methode an die Art und Weise, wie sie gearbeitet hatten, als sie die Firma gegründet haben: vor Ort beim Kunden, mit dem Endbenutzer und iterativ“, sagte der Leiter der App Haus Organization. Das Unternehmen ermöglichte es den Mitarbeitern, die eine Passion für das Thema haben, als Multiplikatoren zu agieren und die Vorgehensweise global auszuweiten. Design Thinking Coaches wurden ausgebildet und Projekte mit der Methode zum Erfolg gebracht.
Unterschiede zu Scrum – und warum beide Methoden sich ergänzen
Scrum, ursprünglich aus der Softwareentwicklung, setzt auf schnelle, iterative Schritte und kontinuierliche Überprüfung. Design Thinking hingegen beginnt einen Schritt früher: Es definiert, was entwickelt werden soll, bevor der Entwicklungsprozess startet.
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„Mit Design Thinking fokussiert man sich darauf, das Richtige zu tun“, sagt Andreas Hauser, Global Head of App Haus Organization bei SAP. „Scrum optimiert den Entwicklungsprozess.“ Beide Methoden greifen oft ineinander – der eine Ansatz sorgt für die richtige Vision, der andere für die effiziente Umsetzung.
Verbindung zu KI und digitaler Transformation
Im Zuge der KI-Integration in Entwicklungsprozesse bekommt Design Thinking eine neue Dimension. Künstliche Intelligenz kann Kundenwünsche aus Datenmustern ableiten, Marktveränderungen vorhersagen und Prototypen virtuell testen. Unternehmen kombinieren so menschliche Kreativität mit maschineller Präzision – ein Beschleuniger für Innovationen.
Beispielsweise nutzt Airbus KI-gestützte Simulationen, um Design-Thinking-Prototypen direkt auf Umsetzbarkeit zu prüfen. So verkürzen sich Entwicklungszyklen drastisch.
Ausblick: Wohin geht die Reise?
Design Thinking ist längst mehr als ein Kreativ-Workshop. Es wird zum festen Bestandteil strategischer Unternehmensentwicklung – besonders dort, wo komplexe Produkte auf individuelle Kundenbedürfnisse treffen. In Verbindung mit agilen Methoden und KI entsteht ein Innovationsökosystem, das die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen langfristig sichern kann.
Was ist Design Thinking? Eine Innovationsmethode, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt und durch schnelle Prototypen zu marktreifen Lösungen führt.
Wie unterscheidet sich Design Thinking von Scrum? Design Thinking definiert, was entwickelt werden soll, Scrum optimiert den Prozess der Umsetzung.
Welche Unternehmen nutzen Design Thinking? Airbus, Lufthansa, IBM, SAP, Volkswagen, Procter & Gamble und viele weitere.
Kann Design Thinking mit KI kombiniert werden? Ja, KI unterstützt die Analyse von Kundenbedürfnissen und beschleunigt Prototypentests.
Ist Design Thinking nur für die Produktentwicklung geeignet? Nein, es wird auch in Service-Design, Prozessoptimierung und strategischer Planung eingesetzt.