Verzweifelter Geschäftsmann mit Ordnern auf dem Schoß, auf denen "Kurzarbeit" und "BIlanz" steht.

Kurzarbeit hilft vielen Firmen, die in einer schwierigen finanziellen Lage sind. - (Bild: Adobe Stock/Sina Ettmer)

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchtet ohne eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds massive Jobverluste in der Coronakrise. "Dann drohen im Dienstleistungsbereich Entlassungen in hohem Maß", sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Union und SPD sollten daher den Weg für eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds freimachen.

Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts ist Bayern das Bundesland mit den meisten Kurzarbeitern. Dort waren im Juli schätzungsweise 21 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Kurzarbeit. Das sind 1,2 Millionen Menschen. In Baden-Württemberg waren es 19 Prozent (900.000 Menschen). Niedersachsen und Bremen kamen auf 17 Prozent oder 580.000 Menschen. „Gerade in den Ländern mit bedeutender Automobil- und Zuliefererindustrie wird besonders viel Kurzarbeit gefahren“, sagt ifo-Arbeitsmarkt-Experte Sebastian Link.

Bundesregierung will Anreize zur Weiterbildung setzen

Beim Koalitionsausschuss an diesem Dienstag wollen die Spitzen des Regierungsbündnisses auch über die Verlängerung der Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergeldes beraten - von zwölf auf 24 Monate. Im Gespräch ist, damit eine Qualifizierung der Beschäftigten zu verbinden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' (Montag), er wolle "Anreize setzen, damit Betriebe Kurzarbeit nutzen, um ihre Beschäftigten weiterzubilden". Eine verpflichtende Verknüpfung von Kurzarbeit mit Weiterbildung lehne er jedoch ab.

Das Bundesarbeitsministerium schlägt laut 'Bild am Sonntag' vor, auch die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu verlängern. Heils Ressort habe ein entsprechendes Konzept entwickelt. Demnach sollen den Arbeitgebern zudem die Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter bis März 2021 vollständig erstattet werden, ab April 2021 nur noch zu 50 Prozent - es sei denn, die Unternehmen bildeten Kurzarbeiter weiter. In diesem Fall solle der Staat die Beiträge bis März 2022 komplett übernehmen, heißt es in dem Bericht.

Der 'FAZ' sagte Heil: "Ich werde dem Koalitionsausschuss am Dienstag vorschlagen, dass wir die Brücke der Kurzarbeit zunächst über den Jahreswechsel hinaus verlängern und sie im Jahr 2021 dann Stück für Stück zurückführen." Die Bundesregierung arbeite daran, die dazu nötigen Rechtsänderungen im September auf den Weg zu bringen.

Kurzarbeitergeld wurde aufgestockt

Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, für Berufstätige mit Kindern 67 Prozent. Die Bundesregierung hatte in der Coronakrise aber beschlossen, das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Ab dem vierten Monat wird es nun auf 70 beziehungsweise 77 Prozent erhöht, ab dem siebten Monat auf 80 beziehungsweise 87 Prozent.

Verdi-Chef Werneke erläuterte, steigende Aufträge und Umsätze deuteten auf eine wirtschaftliche Erholung nach dem Corona-Einbruch hin. Es gebe aber auch Bereiche, vor allem im Dienstleistungssektor sowie etwa bei den Autozulieferern, die weiter stark betroffen seien. "Der Flugverkehr kommt nicht richtig in Gang", sagte der Verdi-Chef. Kulturveranstaltungen fänden höchstens eingeschränkt statt. Der Tourismus leide weiter. "Das Messewesen liegt darnieder."

Hier brauche es Planungssicherheit durch Kurzarbeit. Werneke forderte, dass es bei der Aufstockung auf 80 beziehungsweise 87 Prozent des Einkommens bleibt. Angestellte der Hotellerie etwa kämen mit 60 oder 67 Prozent Kurzarbeitergeld nicht über die Runden.

Verpflichtung zum Joberhalt?

Werneke forderte, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge zugunsten der Unternehmen an die Verpflichtung zum Joberhalt zu knüpfen. "Es kann nicht auf der einen Seite Kurzarbeitergeld abkassiert werden, und auf der anderen Seite werden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen", sagte er.

In der Koalition ist im Gespräch, mit längerer Kurzarbeit Qualifizierung der Beschäftigten zu verbinden. Auch der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, befürwortet eine Bindung an Weiterbildungsmaßnahmen.

"Kurzarbeitergeld kann nicht das Mittel der Wahl sein, um dauerhaft strukturelle Probleme zu lösen, die sich mit der Coronakrise überlappen, etwa in der Autoindustrie", sagte Scheele der 'Rheinischen Post' (Samstag). Vielmehr gehe es um "notwendige Transformationen". "Es ist daher klug, das Kurzarbeitergeld mit Qualifizierung zu koppeln, wo es sinnvoll ist."

Was für eine Qualifizierung die Kurzarbeitenden wann und wo machen sollten, das müssten die Sozialpartner und die Arbeitgeber selbst entscheiden. Der BA-Chef begrüßt auch eine mögliche Verlängerung der Bezugszeit für Kurzarbeitergeld auf 24 Monate: "Wir werden nicht am Jahresende mit der Corona-Krise und deren Auswirkungen am Arbeitsmarkt durch sein."

Gewerkschafter fordert Planungssicherheit

Verdi-Chef Werneke lehnt eine verpflichtende Koppelung von Kurzarbeitergeld und Qualifizierung ab. "Man darf den Blick nicht auf Branchen im Transformationsprozess verengen", sagte er. Etwa bei Flugbegleitern oder Künstlern gebe es eine vorübergehende Unterauslastung - keine strukturelle Änderung des Arbeitsfeldes.

Für die Planungssicherheit der Unternehmen und Beschäftigten brauche es spätestens Mitte September Klarheit über eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds, mahnte der Gewerkschafter. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hatte betont, eine Entscheidung pro Verlängerung im September sei verfrüht. "Grundsätzlich hat Kurzarbeit zwar den Vorteil, überflüssige Entlassungen zu vermeiden, aber den Nachteil, notwendigen Strukturwandel zu verzögern", sagte er der 'Rheinischen Post'.

Offener Brief an die Bundesregierung

Verdi und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wollen mit einer Online-Petition ihrer Forderung nach einem längerem Kurzarbeitergeld Nachdruck verleihen. Die erforderliche Fortschreibung von Corona-Sicherheits- und Schutzregelungen dürfe nicht dazu führen, "dass die Beschäftigten ganzer Branchen in Not geraten", heißt es in der Petition an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) und an die Koalitionsspitzen.

Auch die IG Metall macht sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung und die Abgeordneten des Bundestags für eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes stark. 30 Konzern- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende haben demnach bereits unterzeichnet.

Quellen: Dpa, Ifo-Institut

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