Krisen sind derzeit in vielen Lebensbereichen zu finden. Auch der Maschinenbau spürt die Folgen. Mit Blick auf die Prognose für 2023 erklärte VDMA-Präsident Karl Haeusgen aber heute: „Das ist mit Sicherheit keine Krise.“ Der Maschinenbau-Verband rechnet für das kommende Jahr mit einem leichten realen Produktionsrückgang von zwei Prozent. Das sei weniger, als noch vor einigen Monaten befürchtet wurde, so Haeusgen auf der Jahrespressekonferenz.
2023 werde unter anderen geprägt sein durch ein schwaches Wachstum in China, die Inflation und die Folgen des Ukrainekrieges. „Materialengpässe und Schwierigkeiten in der Lieferkette dauern an, zudem kehren immer mehr Staaten zu protektionistischen Maßnahmen zurück“, so Haeusgen.
Aber: „Die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau haben einmal mehr mit ihrer unternehmerischen Freiheit ihre Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit bewiesen“, sagte der VDMA-Präsident. Für das laufende Jahr geht der VDMA von einem Produktionswachstum von einem Prozent aus.
Fachkräftemangel im Maschinenbau: Wie viele Stellen unbesetzt sind
Die wohl größte Herausforderung ist aber der Fachkräftemangel. In einer Umfrage des Verbandes gaben 97 Prozent an, dass sie die Engpässe bei Fachkräften spüren. 54 Prozent der Unternehmen wollen im kommenden Jahr neues Personal einstellen. Er gehe allerdings nicht davon aus, dass alle Arbeitsplätze vollständig besetzt werden können, sagte Haeusgen.
Momentan sind rund 14.000 Stellen im Maschinenbau unbesetzt. Die fehlenden Fachkräfte behindern die Produktion in vielen Unternehmen und dämpfen das Wachstum.
VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann erklärte außerdem, dass mit der Babyboomer-Generation in den kommenden Jahren zehn Prozent der Fachkräfte in Rente gehen werden. Man müsse deshalb auch über längere Arbeitszeiten sprechen.
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Lieferketten entspannen sich etwas
Eine leichte Entspannung gibt es dagegen beim Thema Lieferketten. In der aktuellen VDMA-Blitzumfrage gaben 74 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Geschäftstätigkeit durch Engpässe beeinträchtigt ist. Im Juni waren es noch 87 Prozent. Die Lage habe sich von „sehr besorgniserregend“ zu nur noch „besorgniserregend“ verbessert, meinte Haeusgen.
Während die Unternehmen bei Kunststoffen und Metallerzeugnissen eine Entspannung spüren, bleibt die Lage bei Elektrokomponenten weiter schwierig. Dort sei nur eine leichte Entspannung bemerkbar, so der VDMA-Präsident.
Maschinenbau in China: Exporte gehen zurück
Der VDMA hat sich in diesem Jahr außerdem intensiv mit China beschäftigt und erstmals ein Positionspapier dazu erarbeitet. Die Volksrepublik ist nach den USA der zweitwichtigste Markt für die Branche. Die Exporte gingen allerdings um 2,8 Prozent auf 14 Milliarden Euro zurück. Der Grund sind Haeusgen zufolge die „drakonische Coronapolitik“ Chinas und die Krise in der Bauwirtschaft nach staatlichen Eingriffen der Volksrepublik. „China will sich wirtschaftlich weiterentwickeln und die Innovationskraft der eigenen Wirtschaft stärken. Dazu wird strategisch in das Wirtschaftsgeschehen eingegriffen, zum Nachteil ausländischer Unternehmen“, erläuterte Haeusgen.
Eine Neubewertung des Verhältnisses zu China, das die Bundesregierung plant, sei deshalb richtig und wichtig. Haeusgen warnte aber auch: Der chinesische Markt sei kurz- und mittelfristig nicht ersetzbar, weshalb die Exportförderinstrumente nicht abgebaut werden sollten. „Die Exporte nach China sorgen in Deutschland für gut bezahlte und hoch qualifizierte Arbeitsplätze“, sagte er.
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Die deutsche Politik könne stattdessen mit ihren Förderinstrumenten helfen, neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Industrie brauche endlich ein funktionierendes Exportkreditversicherungssystem für kleine Auftragswerte, forderte Haeusgen.
Weitere Forderungen des VDMA:
- Die EU soll weitere Freihandelsabkommen mit Partnerländern in Asien abschließen und das Mercosur-Abkommen umsetzen.
- Der EU-Binnenmarkt soll vor „unfairen Handelspraktiken“ aus Drittstaaten geschützt werden.
- Es dürfe aber keine „Festung Europa“ geben. Vielmehr müsse eine Balance zwischen offensiven und defensiven Handelsinstrumenten herrschen.
Die Folgen des Inflation Reduction Act
Neben der Politik diskutiert auch der Maschinebau über den Inflation Reduction Act, den US-Präsident Biden kürzlich verkündet hat. „Wir erleben eine intensive Debatte zum amerikanischen Inflation Reduction Act und damit zur Frage, ob Europa eine signifikante Verlagerung von Industriewertschöpfung und Arbeitsplätzen in die USA droht“, sagte der VDMA-Präsident. Im Maschinen- und Anlagenbau sei damit nicht zu rechnen.
Die Auswirkungen auf die deutsche Industrie seien begrenzt. Der Grund: Die neuen amerikanischen Steuergutschriften stehen ausschließlich für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zur Verfügung und wirken sich daher vornehmlich auf die Sektoren aus, die Teil dieser Wertschöpfungsketten sind. Viele andere wichtige Branchen im Maschinenbau - zum Beispiel Verpackungsmaschinen, Baumaschinen, Landtechnik oder Robotik - sind höchstens indirekt betroffen und können dem VDMA zufolge von den erhöhten amerikanischen Investitionen sogar profitieren.
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Es gibt aber auch Ausnahmen, beispielsweise bei der Windenergie oder dem Wasserstoff. Hier könnten Investoren amerikanische Projekte den europäischen vorziehen, meinte Haeusgen. Die EU müsse deshalb eine Antwort finden, wenn man im Technologiehochlauf und der damit verbundenen Wertschöpfung mithalten will. So sollten die EU-Förderprogramme leichter zugänglich werden, forderte der Verband.
Haeusgen erinnerte außerdem an die weiterhin lange Genehmigungszeit von fünf bis sechs Jahren für Windräder in Deutschland. In den USA dauern solche Verfahren nur einige Monate.
Die aus seiner Sicht wachsende Regulierung empfindet der VDMA allgemein als problematisch. Haeusgen kritisierte, die geplanten Strom- und Gaspreisbremsen in Deutschland seien insbesondere durch die europäischen Beihilferegelungen zu komplex geworden. Erste Maschinenbauer wollten trotz hoher Kosten davon absehen, die Hilfen in Anspruch zu nehmen.
Trotz der vielen Herausforderungen ist die Stimmung in vielen Ländern in den vergangenen Wochen nicht mehr ganz so negativ gewesen, wie in den ersten Monaten nach Beginn des Ukraine-Krieges, so der VDMA-Präsident. Auch knapp die Hälfte der Maschinenbauerinnen und Maschinenbauer blicken optimistisch oder verhalten optimistisch ins neue Jahr – eben „mit Sicherheit keine Krise“, wie Haeusgen sagte.
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