Nicola Leibinger-Kammüller

Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller sprach auf der Bilanzpressekonferenz über die aktuellen Herausforderungen ihres Unternehmens. (Bild: Trumpf)

Eigentlich hätte Trumpf im nächsten Jahr viel zu feiern, denn das Familienunternehmen aus Ditzingen wird 100 Jahre alt. Wären da nicht die „immensen Herausforderungen“ zu Beginn des Jubiläumsjahres. Auf der diesjährigen Bilanzpressekonferenz sprach Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller dann entsprechend auch dringendsten Krisen-Faktoren an:

So beurteilt Trumpf die Rolle Chinas

Was passiert, wenn China tatsächlich Taiwan angreift? Mit dieser Frage beschäftigt sich natürlich auch Trumpf. Sollte es tatsächlich dazu kommen, müssen sich Deutschland und die EU entscheiden, auf welcher Seite sie stehen, so Leibinger-Kammüller. „Mir fällt die Entscheidung leicht“, stellte sie klar. Denn: Man wisse „als aufrechter, deutscher demokratischer Staatsbürger“, dass man an der Seite der USA stehe. Für Europa und die westliche Welt müsse eine Attacke auf Taiwan „die rote Linie“ sein.

Sollte dann der chinesische Markt für die deutsche Industrie wegfallen, hätte das „gravierende Konsequenzen“, so die Trumpf-Chefin weiter. Denn der hohe Wohlstand in der Bundesrepublik sei auch durch das wirtschaftliche Engagement in China garantiert. Sie erklärte, weltweit seien nur sechs Prozent der Länder astreine Demokratien. Es sei nicht möglich, nur mit diesen Ländern zu handeln. Damit sei der Lebensstandard in Deutschland nicht zu halten.

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Container mit chinesischer Flagge darauf
(Bild: Destina - stock.adobe.com)

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China stelle einen großen Absatzmarkt für Werkzeugmaschinen und Laser dar, auf den Trumpf nur unter schwerwiegenden Folgen verzichten könne, so Leibinger-Kammüller. Sollte die Volksrepublik doch als Absatzmarkt wegfallen, müsse Trumpf Ersatzmärkte finden und sein Engagement in den schon bestehenden Märkten verstärken, sagte sie.

China ist für das Familienunternehmen der viertstärkste Markt (siehe Geschäftszahlen weiter unten) und blieb im vergangenen Geschäftsjahr hinter dem starken Wachstum des Vorjahres zurück. „Die asiatischen Märkte konnten im vergangenen Geschäftsjahr mit den hohen Wachstumsraten in Europa und Amerika nicht mithalten – maßgeblich bedingt durch die Pandemie“, erklärte Leibinger-Kammüller.

Die Volksrepublik spielt aber nicht nur auf dem Absatzmarkt eine Rolle für das Ditzinger Unternehmen, sondern auch bei der Lieferung von Vorprodukten – vor allem bei den Tier2- und Tier3-Einzelkomponenten. „Viele Steckverbinder, Kabel und Elektronik-Bauteile für Steuerungen, Sensoren und Antriebe kommen eben aus China“, so die Trumpf-Chefin.

Sollte China seine Grenzen schließen, würden diese Lieferungen ausbleiben und die Produktion des Maschinenbauers „stark beeinträchtigt werden“. Trumpf will diesem Szenario vor allem mit zwei Maßnahmen entgegenwirken: Zum einen werden die Bestände an kritischen Bauteilen aufgestockt, um im Worst Case eine gewisse Reaktionszeit zu haben. Zum anderen bemüht sich der Konzern, Second Sources aufzubauen, erklärte Stephan Mayer, CEO Werkzeugmaschinen.

Was Mayer zum China-Geschäft im Werkzeugmaschinen-Bereich sagt, erfahren Sie im Podcast:

Podcast: Trumpf CEO Werkzeugmaschinen über China und Blechbearbeitung

Keine Geschäftsbeziehungen mehr mit Russland

Mit dem Ukrainekrieg gibt es noch eine zweite geopolitische Herausforderung für das Unternehmen. Trumpf hat bereits kurz nach Kriegsbeginn die Geschäftsbeziehungen mit Russland eingestellt – dazu zählen auch ein Lieferstopp von Ersatzteilen und der Baustopp an einer neuen Niederlassung in Moskau.

Von vormals 70 Mitarbeitenden in Russland sind derzeit noch 30 bei Trumpf beschäftigt und der Standort wurde formal noch nicht geschlossen. „Ob wir dies mit Blick auf die aktuelle Teilmobilmachung von Reservisten und die Drohgebärden Putins werden aufrechterhalten können, ist zu bezweifeln“, sagte Leibinger-Kammüller.

Allerdings ist der russische Markt für Trumpf nicht existenzentscheidend. Der Anteil am Gesamtumsatz lag bereits vor dem Krieg bei weniger als einem Prozent (rund 35 Millionen Euro).

Durch den Angriffskrieg sind die Umsätze nun allein zwischen März und Juni um 34 Prozent (Russland) und 28 Prozent (Ukraine) zurückgegangen. Im kommenden Jahr werden die Werte noch drastischer ausfallen, prognostizierte Leibinger-Kammüller. „Wahrscheinlich wird es gar keine Umsätze zu vermelden geben.“

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Energiekrise: Alle Kraftwerkskapazitäten sollen am Netz bleiben

Neben den geopolitischen Herausforderungen beschäftigt Trumpf auch die Energiekrise. Zwar machen die Kosten für Energie nur ein bis zwei Prozent der Gesamtbetriebskosten aus. Dennoch spürt auch Trumpf „mindestens eine Verdopplung des Gas- und Strompreises seit letztem Jahr“. „Wir sprechen hier über einen zweistelligen Millionenbetrag, was die Energiepreissteigerungen allein für die deutschen Standorte anbelangt“, stellte Leibinger-Kammüller klar.

Mit Blick auf die möglicherweise weiter steigenden Kosten für Gas und Strom erklärte sie: „Alles, was an vorhandenen Kraftwerkskapazitäten in Deutschland vorhanden ist, muss auch im Sinne der Netzstabilität ans Netz gebracht werden beziehungsweise bleiben.“

Trumpf benötigt Gas vor allem zum Heizen der Produktions- und Bürogebäude. Die Fertigungsprozesse spielen beim Gasthema eine eher untergeordnete Rolle. Dort aber dann an entscheidender Stelle für die Produktion der EUV-Laser. „Hier können wir uns keine Stromausfälle erlauben. Dafür brauchen zwingend eine stabile Spannung, sprich: keine Unterbrechung der Stromzufuhr“, so Leibinger-Kammüller.

Trotz der vielen Herausforderungen war Leibinger-Kammüller auch optimistisch: Das Unternehmen tue sein Möglichstes, um das Jubiläumsjahr 2023 erfolgreich und voller Optimismus im Januar einzuleiten, sagte sie.

Trumpf in Zahlen: Gutes Geschäftsjahr, aber verhaltener Ausblick:

So verlief das Geschäftsjahr 2021/22 für Trumpf:

  • Der Umsatz stieg um 20,5 Prozent von 3,5 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Euro. Trumpf hat damit zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro gemacht.
  • Der Auftragseingang legte um 42,1 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro zu – ein doppelt so hoher Anstieg wie beim Umsatz.

Die Differenz zum Umsatz erklärte Leibinger-Kammüller daran, dass Kundenaufträge aufgrund fehlender Komponenten nur schleppend abgearbeitet werden können.

 

Hervorzuheben ist dabei das EUV-Geschäft, also die Hochleistungslaser, die Trumpf für ASML herstellt. Der Umsatz stieg in diesem Bereich um 81,6 Prozent auf knapp 800 Millionen Euro. Der Umsatz bei den Werkzeugmaschinen stieg um 12,2 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro und der Umsatz im Geschäftsbereich Lasertechnik um 21,7 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. In letzterem profitiere Trumpf maßgeblich von der Transformation im Mobilitäts- und Energiesektor.

 

  • Der umsatzstärkte Einzelmarkt waren im vergangenen Geschäftsjahr erstmals die Niederlande (838 Millionen Euro). Das lag vor allem am starken Wachstum des EUV-Geschäfts mit ASML. Auf Platz 2 folgen die USA (656 Millionen Euro), gefolgt von Deutschland (589 Millionen Euro) und China (575 Millionen Euro).

 

Ausblick:

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Krisen geht die Trumpf-Chefin nicht davon aus, dass das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr ein ähnlich hohes Wachstum bei Umsatz und Auftragseingang erzielen kann.

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