Er weiß, wie er punkten kann: Sein kurzes Treffen mit den Start-ups auf dem Maschinenbau-Gipfel seien bisher „die schönsten zweieinhalb Minuten des Tages“ gewesen, erklärte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Bühne. Er stand auf der Konferenz VDMA-Präsident Karl Haeusgen und Moderatorin Ursula Heller Rede und Antwort. Dass die Maschinenbauerinnen und Maschinenbauer viele Fragen und Anliegen hatten, zeichnete sich im Laufe des Gipfels schon ab. Schließlich gibt es viele Herausforderungen: Sei es die Energiekrise, das neue Lieferkettengesetz oder zu viel Bürokratie.
Aber wie ist das Verhältnis von Habeck zu einer der wichtigsten Branchen Deutschlands? VDMA-Vizepräsident Henrik Schunk erklärte in unserem Podcast Industry Insights bereits vor dem Gipfel, dass der VDMA mit Habeck derzeit einen „enorm guten Dialog“ führe. Mehr zu Schunks Einschätzung hören Sie in der Folge zum Maschinenbau-Gipfel ab Minute 12:45:
Podcast: VDMA-Vizepräsident Schunk über die Energiekrise
Beim Auftritt von Habeck und Haeusgen zeigte sich nun, dass beide Parteien oft einer Meinung sind – aber nicht immer. Die Positionen des Wirtschaftsministers und des VDMA im Einzelnen:
Gaspreise und Gaspreiskommission
Mehr als 35 Stunden hat eine Expertenkommission für Gas und Wärme Anfang Oktober getagt und schlussendlich einen Vorschlag gemacht, wie Bürgerinnen und Bürger, aber auch die deutsche Wirtschaft entlastet werden können.
Sowohl Habeck als auch Haeusgen waren zufrieden mit den Ergebnissen. Habeck erklärte, in Sachen Gaspreisen verhandle sein Ministerium weiter mit der EU. Dabei habe er manchmal schon den Eindruck, auf Deutschland werde „ein bisschen strenger geschaut“. Er verstehe nicht, warum Frankreich seit Jahren einen gedeckelten Strompreis herausgeben darf und das im Fall Deutschlands beim Gas nicht einmal für ein paar Monate gehe.
Das alles nütze aber nichts. Es müsse jetzt eine Lösung gefunden werden „und das bedarf noch ein paar Kraftanstrengungen“, so der Vizekanzler.
Er betonte, es wäre ihm auch lieber, wenn es bei der Thematik schneller vorangeht. Aber: Es müssen Gesetze geschrieben und verabschiedet werden. Habeck stellt aber klar: „Die Preise müssen jetzt runter.“ Dafür gebe es Maßnahmen.
Die Vorschläge der Gaspreiskommission
Die Expertinnen und Experten haben unter anderem folgende Vorschläge gemacht:
- Für Industriekonzerne soll ab Januar 2023 eine Gaspreisbremse nur für die Branche in Kraft treten.
- Für bis zu 25.000 große industrielle Gasverbraucher soll ein Verbrauch von 70 Prozent des Jahres 2021 subventioniert werden.
- Zudem soll es zusätzliche Hilfen für besonders betroffene Unternehmen geben.
- Gas- und Fernwärmekunden sollen im Dezember mit einer Einmalzahlung entlastet werden.
- Im März 2023 soll dann eine allgemeine Gaspreisbremse in Kraft treten.
Zum Gasspeicher-Füllstand, der inzwischen bei 95,6 Prozent (Meldung vom 17.10.) liegt, sagte Habeck, der Füllstand sei teuer erkauft. Schließlich habe die Industrie ihre Produktion drosseln und teilweise sogar einstellen müssen. „Das soll natürlich nicht so sein.“
Der Grünen-Politiker geht davon aus, dass die meisten Unternehmen mit den beschlossenen Wirtschaftshilfen durch den Winter kommen. „Und für die, für die es nicht reicht, gibt es Härtefall-Fonds“, betonte er.
Haeusgen auf der anderen Seite lobt die grundsätzliche Methodik und das Ergebnis der Gaspreiskommission.
Sein Wunsch richtete sich aber in eine etwas andere Richtung:
Kommt die Strompreisbremse?
Der VDMA-Präsident erklärte, es müsse nun auch eine vergleichbare Kommission für eine Strompreisbremse geben. Denn die Maschinenbau-Unternehmen seien von den Strompreisen stärker betroffen als von den Gaspreisen.
Ein Wunsch, dem Habeck nur zustimmen konnte. Sowohl Strom- als auch Gaspreisbremse müssen gleichzeitig kommen, sagte er.
Mehr zum Thema gibt es auf unserem Schwesterportal TECHNIK+EINKAUF: „Teure Energie in der Industrie: Kommt der Preisdeckel?“
Ausschnitte von Robert Habecks Besuch auf dem Maschinenbau-Gipfel können Sie im Übrigen hier sehen:
Entbürokratisierung und Planungsbeschleunigung
Ein weiteres Thema, bei dem sich beide Seiten Verbesserungen wünschen, ist die Entbürokratisierung und Planungsbeschleunigung.
Habeck zufolge gibt es mehrere Ebenen, um zu verhindern, dass zu viel Regulatorik Innovationen verhindert. Unter anderem:
- Gesetze überprüfen. „In dem nachvollziehbaren Gefühl, alles richtig machen zu wollen, haben wir uns das Leben viel zu kompliziert gemacht“, so der Bundeswirtschaftsminister.
- Es sei in der Verwaltungsebene sehr viel Unsicherheit vorhanden, wenn es darum geht, Projekte zu genehmigen. Der Grund: Wenn etwas schiefgeht, bekomme die Person, die das Projekt genehmigt hat, den kompletten Ärger ab. Deshalb müsse man als Vorgesetzter in die Verantwortung gehen und gegebenenfalls dann auch die Schuld auf sich nehmen.
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Europäisches Lieferkettengesetz
Haeusgen und Habeck sprachen aber auch über ein anderes Gesetz mit vielen Regularien: Das neue Lieferkettengesetz. Die Zielsetzung sei richtig, nur werde mit dem Gesetz ein „Regulationstsunami“ auf den Weg gebracht, „der die Unternehmen komplett überfordert“, so der VDMA-Präsident. Es sei nicht möglich, alles überprüfen zu können, was jeder einzelne Zulieferer am Ende der Lieferkette mache.
Bei diesem Punkt zeigte sich eine der wenigen Differenzen zwischen Habeck und dem Maschinenbau: Habeck erklärte, das Umorganisieren der Lieferketten sollte weiter so gemacht werden, um künftig keine Fehler zu machen, die dann später bereut werden. Die Herausforderungen gebe es beiderseitig: Sowohl bei den Unternehmen, die die Nachweise erbringen müssen, als auch bei den Stellen, die das überprüfen müssen. Er versprach, die Thematik in den Gremien noch einmal anzusprechen.
Inflation Reduction Act als Risiko
Als weiteres Risiko für Innovationen sehen der VDMA-Präsident und Minister Habeck den Inflation Reduction Act, den US-Präsident Joe Biden mit seiner Regierung beschlossen hat. Dadurch werde in den USA viel Geld gezahlt, sagte Habeck. Man brauche nun eine „robuste europäische Antwort“ – ähnlich wie den Chips Act.
Mehr zum Chips Act erfahren Sie in der Podcast-Folge mit ZVEI-Präsident Gunther Kegel: Hier klicken.
Haeusgen erklärte, der Inflation Reduction Act werde auch für den deutschen Maschinenbau Auswirkungen haben. Als Beispiel nannte er die Windkraft: Wenn ein Unternehmen aus Deutschland die Hydraulik dafür in die USA liefere, dann sei das kein US-Produkt mehr und es fließe weniger Geld.
Das ist der Inflation Reduction Act
Der Inflation Reduction Act sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:
- Milliardenschwere Steueranreize für den Ausbau der Erneuerbaren Energien: Es sollen 370 Milliarden Dollar für US-Klima- und Energieprogramme zur Verfügung gestellt werden.
- Eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Großkonzerne, die mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn pro Jahr machen.
- Steuererleichterungen beim Kauf von E-Autos – wenn das Fahrzeug in Amerika gebaut wurde. Laut ‚Clean Technica‘ wollen deshalb einige Autobauer ihre Strategien anpassen. So überlegt zum Beispiel Audi, ob es eine Produktionsstätte in den USA eröffnen soll.
Digitalisierung im Maschinenbau
Lob gab es vom Vizekanzler für die geplante Plattform Manufacturing-X. Darum geht es: Damit Unternehmen über alle Stufen des Wertschöpfungsnetzwerks Klarheit über die Prozesse und genutzten Materialien haben, sollen alle Informationen digital auf einer Plattform zur Verfügung gestellt werden.
Dort sollen die produzierenden Unternehmen also eine Möglichkeit haben, branchenübergreifend die Produktionsdaten zu sammeln. Verbände wie der VDMA und ZVEI sowie Industrie-Unternehmen arbeiten derzeit an der Realisierung von Manufacturing-X.
Die Plattform soll dabei ein Mitgliedsdemokratisches Datensystem sein und keinen beherrschenden Stakeholder haben, betonte Haeusgen.
Habeck erklärte, das Faszinierende daran sei, dass die Wirtschaft die Plattform selbst aufbaue und designe. Das sei im besten Sinne ein gegenseitiges Lernen mit einer starken Triebkraft aus den Unternehmen heraus. Denn schließlich wissen die Firmen am besten, welche Daten sie haben und wo der Bedarf groß ist.
Passen Habeck und der Maschinenbau also zusammen? Die Beispiele zeigen, dass beide Seiten in vielen Dingen die gleichen Positionen vertreten und ein guter Draht besteht. Ein Zustand, der hoffentlich weiter anhält.
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