Umgang mit China.

Über den Umgang mit China muss neu nachgedacht werden. (Bild: Rawf8 - stock.adobe.com)

„Um in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können, brauchen wir eine umfassende China-Strategie“, stellen SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag fest. Mit dieser will die Bundesregierung vor allem, die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der Volksrepublik verringern. Die Strategie werde aber auch das „anhaltende Interesse an Zusammenarbeit“ mit China berücksichtigen, ergänzte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Frage der Unions-Fraktion im Bundestag im November 2022.

Noch kann das Bundesaußenministerium, das die Strategie erarbeitet, nicht sagen, wann es diese veröffentlicht. Beobachter rechnen damit im Frühjahr. Was genau in dem Papier stehen wird, ist also nicht bekannt. Im Dezember 2022 gelangte jedoch ein Entwurf an die Öffentlichkeit, dem zufolge die Bundesregierung Unternehmen vor allem motivieren will, ihr Auslandsgeschäft und damit ihre Risiken zu diversifizieren.

Um Firmen zu bewegen, auch in weiteren Ländern Asiens, in Südamerika und Afrika zu investieren, Produkte von dort zu im- und selbst dorthin zu exportieren, will die Koalition die Außenwirtschaftsförderung anpassen und mit der EU den Abschluss von Freihandelsabkommen vorantreiben.

Schon im November beschloss sie, zudem Investitionsgarantien des Bundes auf drei Milliarden Euro pro Land zu deckeln. Das soll Unternehmen motivieren, Geschäfte auf mehrere Staaten zu verteilen. Die Bundesregierung wird künftig auch strenger prüfen, ob bei öffentlich abgesicherten Projekten Menschenrechte, Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden.

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„Das Bild der Volksrepublik China hat sich gewandelt“

Dass über den Umgang mit China neu nachgedacht werden muss, ist unstrittig. „Deutschland und die EU haben viele Jahre darauf gesetzt, dass sich China zu einer Marktwirtschaft nach westlichem Muster entwickelt. Dafür gab es unter den Vorgängern von Präsident Xi Jinping auch gute Gründe. Aber das Bild hat sich gewandelt“, stellt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in einem Positionspapier zur China-Strategie fest.

Die Regierung in Peking benachteilige in der von ihr geschaffenen staatskapitalistischen Wirtschaftsordnung ausländische Unternehmen und fördere Staatsbetriebe. Derzeit baue die Kommunistische Partei (KP) zudem eine „Festung China“ auf, ergänzt der Direktor des Mercator Institutes für China Studien (Merics), Dr. Mikko Huotari. In dieser unterstünde die Wirtschaft zunehmend der Kontrolle durch die KP.

Zugleich machen chinesische Unternehmen Firmen aus Industrieländern die Exportmärkte streitig. Auch sonst bemüht sich Peking „mehr und mehr die Weltordnung nach seinen Interessen zu gestalten“, warnt der Bundesverband der Deutschen Industrie.

„So hat Präsident Xi keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Vereinigung mit Taiwan bis zum 100. Bestehen der Volksrepublik 2049 abgeschlossen haben will“, erklärt Dr. Tim Rühlig, Senior Research Fellow am Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Sicher hat er auch ein Interesse daran, seinen Namen mit der Vereinigung zu verbinden.“ Xi wird 2023 allerdings 70 Jahre alt.

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(Bild: mi-connect)

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Am Status quo festzuhalten, ist keine Option

Zusammen mit der zunehmenden technologischen Konkurrenz führen seine Ambitionen zu Spannungen mit den USA. „Die EU und damit Deutschland müssen aufpassen, in diesem geopolitischen Konflikt nicht zum Spielball zu werden“, warnt der Chefvolkswirt des Merics, Dr. Max J. Zenglein. Das Festhalten am Status quo sei daher keine Option, fassen die Leiterin des Programms „Geoökonomie“ bei der DGAP, Dr. Claudia Schmucker, und der Direktor der Gesellschaft, Dr. Guntram Wolff zusammen. Chinas Wirtschafts- und Regierungsmodell schaffe große geopolitische Risiken, die nicht mehr ignoriert werden könnten.

Zahlen zum deutschen Handel mit sowie den Investitionen in China zeigen, dass dies kein Alarmismus ist. Denn die deutsche Wirtschaft ist von der Volksrepublik viel abhängiger als anders herum. Deutsche Unternehmen führten laut Statistischem Bundesamt 2022 für knapp 107 Milliarden Euro Waren nach China aus und kauften dort Güter für gut 191 Milliarden Euro ein. So groß war das Handelsbilanzdefizit noch nie.

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Frau schaut sich Dossier Kritische Rohstoffe auf einem Tablet PC an
(Bild: mi connect)

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Konzerne sind mehr von China abhängig als Mittelständler

Im volkswirtschaftlichen Durchschnitt beträgt der Anteil chinesischer Vorprodukte an in Deutschland gefertigten Gütern zwar nur ein Prozent, so das ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Einzelne Lieferketten hingen aber erheblich stärker von Zulieferungen aus der Volksrepublik ab. So stammen 65 Prozent der Rohstoffe für die Herstellung von Elektromotoren und Windkraftgeneratoren aus China. Dieses liefert auch 53 Prozent der für die Produktion von Photovoltaikanlagen benötigten Metalle und Komponenten.

In der Automobilindustrie sind 75 Prozent der Unternehmen auf Teile aus China angewiesen, im Maschinenbau gut 55 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die ohne chinesische Vorprodukte nicht klar kämen, ist im Mittelstand allerdings nur knapp halb so hoch wie unter Konzernen.

Diese machen dafür deutlich mehr Umsatz in der Volksrepublik. So erwirtschaftete Infineon 2022 gut 36 Prozent seiner Erlöse in China. Bei BASF waren es von Januar bis September gut 13 Prozent. Volkswagen, BMW und Daimler verkaufen laut dem Statistikportal Statista in der Volksrepublik fast vier von zehn Neuwagen.

Trumpf CEO Werkzeugmaschinen über China und Blechbearbeitung

Direktinvestitionen in China: Diese Konzerne sind vorne mit dabei

Großunternehmen haben dort auch sehr viel mehr investiert als Mittelständler. Wie das Wirtschaftsforschungsinstitut Rhodium Group berichtet, kamen zwischen 2018 und 2021 ganze 34 Prozent der europäischen Direktinvestitionen in China von nur vier Konzernen – VW, BMW, Daimler und BASF.

Die deutsche China-Politik diente daher lange den Interessen dieser Unternehmen, gestand der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in einem Gastkommentar auf dem Portal Business Insider im August 2022. „Vor allem die Investitionsgarantien des Bundes sind ein Instrument, mit dem Gewinne der Unternehmen aus gedeckten Auslandsinvestitionen privatisiert und mögliche Verluste der Allgemeinheit aufgebürdet werden“, erklärt Ulrich Ackermann, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft beim VDMA.

Daher sei es richtig, dass die Bundesregierung die Garantien jetzt entsprechend der Risiken deckelt. So signalisiere sie, dass sie nicht mehr in beliebiger Höhe Unternehmen zur Hilfe kommt, die in China ein Klumpenrisiko aufgebaut haben.

Lieferketten als politischer Hebel

Die Neuausrichtung der Beziehungen zu China ist also nötig, weil Konzerne dort erheblich größere Risiken eingegangen sind als mittelständische Unternehmen. Sie ist aber auch erforderlich, weil Peking bereit ist, seine dominante Stellung in vielen Lieferketten als politisches Druckmittel zu nutzen. Im November 2020 schrieb Präsident Xi im KP-Magazin „Qiushi“, China werde seine Stellung bei Hochtechnologien stärken und ausländische Unternehmen in diesen Bereichen abhängig von chinesischen Zulieferungen machen. Dann könne es „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen westliche Länder ergreifen, sollte dies nötig werden.

„Es wäre naiv zu glauben, dass Xi Jinping im Fall eines Konfliktes diese Waffe nicht gegen uns verwenden würde“, warnt CDU-Mann Norbert Röttgen. „Xis Äußerungen sind nicht als Drohung im Vorfeld eines möglichen Überfalls auf Taiwan zu verstehen, sondern die Antwort der chinesischen Regierung auf die Bedrohung, die für China von den Technologiesanktionen der USA ausgeht“, erklärt Merics-Chefvolkswirt Max J. Zenglein. Dennoch könnte sie geringe Hemmungen haben, einen internationalen Konflikt eskalieren zu lassen. Denn die wirtschaftlichen Folgen für China wären „nicht gravierend“, warnen Claudia Schmucker und Gunther Wolff von der DGAP.

Zumindest nicht so gravierend, wie für Deutschland. Dieses würde durch Sanktionen der EU und der USA im Fall eines Konfliktes zwischen 0,76 und einem Prozent seines Bruttoinlandsprodukts einbüßen, zeigen Studien des IW sowie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Eine Auseinandersetzung mit Peking käme Deutschland damit sechsmal so teuer wie der Brexit.

China-Politik: Berlin sollte deutlich Stellung beziehen

Noch besteht indes kein konkreter Anlass zur Sorge. „China nimmt Deutschland und die EU als wichtige Märkte wahr, auf denen seine Unternehmen auch künftig aktiv sein sollen,“ beruhigt Thomas König, China-Referent bei der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK). Die Regierung der Volksrepublik weiß auch, dass diese entgegen der Rhetorik von Parteichef Xi vielfach noch auf Technologie aus Europa und den USA angewiesen ist. „Deshalb wägt sie Kosten und Nutzen internationaler Beziehungen und Konflikte sehr nüchtern gegeneinander ab“, versichert DGAP-Experte Tim Rühlig.

Diese Sachlichkeit sollte die Bundesregierung ernst nehmen und ihre China-Strategie zur Blaupause einer Politik machen, die sowohl Stellung gegenüber Peking bezieht, als auch versucht, mit ihm im Gespräch zu bleiben, fordern die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) in China und der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA). Mit chinesischen Partnern umgesetzte und politisch flankierte Projekte seien wichtig, „damit Unternehmen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern in China erhalten und ihren Anliegen Gehör verschaffen können“, schreiben die AHKn in einem Positionspapier.

Deutsche Firmen entwickeln in China Innovationen für den Weltmarkt

„In der Zusammenarbeit mit chinesischen Zulieferern und Technologieanbietern entwickeln deutsche Unternehmen zudem immer öfter Innovationen für ihr weltweites Geschäft“, ergänzt der Delegierte der deutschen Wirtschaft in Peking, Jens Hildebrandt. „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass nur China von uns lernt. Das läuft längst auch in die andere Richtung“, so Hildebrandt.

So wichtig die Zusammenarbeit damit ist, die Bundesregierung muss auch, Stellung beziehen, wenn China gegen internationales Handelsrecht verstößt, fordert der VDMA. „Die Volksrepublik ist 2001 der Welthandelsorganisation WTO beigetreten und hat sich dabei verpflichtet, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen“, erklärt VDMA Außenwirtschaftschef Ulrich Ackermann.

„Deshalb müssen Themen wie die Subventionierung von Unternehmen, Abschottung lokaler Märkte, erzwungene Technologietransfers oder Chinas Wirtschaftsboykott gegen Litauen diskutiert werden. Der Weltöffentlichkeit muss gezeigt werden, dass China damit internationales Handelsrecht bricht“, ergänzt VDMA China-Referent Oliver Wack. Das ist unangenehm für die chinesische Regierung.

Unternehmen müssen ihr Geschäft diversifizieren

Vollkommen unstrittig ist für den VDMA ebenso wie andere Wirtschaftsvertreter auch, dass es nicht damit getan ist, wenn die Bundesregierung passende Formate für die diplomatischen Beziehungen mit China nutzt. Deutsche Unternehmen müssen ihr globales Geschäft auch breiter aufstellen. „Die Bundesregierung muss sich aber bewusst sein, dass Diversifizierung eine unternehmerische Entscheidung bleibt“, warnt die Leiterin des Referates Ostasien bei der DIHK, Andrea Hideg. Viele mittelständische Unternehmen könnten das weder personell noch finanziell ohne Hilfe stemmen.

Damit dieser Teil der China-Strategie funktioniere, müsse die Bundesregierung Außenwirtschaftsförderinstrumente wie Exportkreditgarantien, Investitionsschutz oder Markterkundungsprogramme nicht nur einsetzen, um Firmen aus China herauszubekommen, sondern auch dazu, sie zur Erschließung anderer Märkte zu motivieren. „Wir brauchen keine Ent-, sondern eine Ermutigungsstrategie“, fordert Hideg. Ideen, wie das gelingen kann, seien von Seiten der Bundesregierung aber noch nicht zu erkennen.

Klar müsse auch sein, dass Unternehmen nicht über Nacht diversifizieren können. „Zumal sie weder das Marktvolumen noch die Zulieferer, Mitarbeiter oder die Infrastruktur, die ihnen China bietet, anderswo so schnell finden“, warnt Hideg. Einen vollständigen Rückzug aus China könne es daher nicht geben.

Das will auch die Bundesregierung nicht. „Wir müssen Geschäfte mit Einzelnen – ich sage ausdrücklich: auch Geschäfte mit China – weiter machen“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, auf dem 13. Maschinenbau-Gipfel im Oktober 2022 in Berlin. „Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir auch mit der übrigen Welt Handel treiben.“

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