Investitionen aus China nehmen ab
Chinesische Investoren haben ihre Firmenkäufe in Europa stark zurückgefahren. Im vergangenen Jahr gab es laut einer Analyse der Unternehmensberatung EY europaweit noch 139 Übernahmen oder Beteiligungen chinesischer Investoren an europäischen Unternehmen, 16 weniger als im Vorjahr.
Den geschätzten Wert dieser 139 Deals beziffern die Autoren der am Dienstag veröffentlichten Studie auf lediglich 4,3 Milliarden Dollar (4 Milliarden Euro), was einem Rückgang um fast zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr entspricht. EY weist allerdings darauf hin, dass die Kaufpreise für die Mehrzahl der Übernahmen nicht veröffentlicht wurden.
Das Ausmaß der chinesischen Zurückhaltung wird vor allem im längerfristigen Vergleich mit dem Rekordjahr 2016 deutlich: Damals zählte EY 309 Übernahmen oder Beteiligungen chinesischer Investoren in Europa mit einem Gesamtvolumen von 86 Milliarden Euro. Der größte Deal in Deutschland war vor sieben Jahren die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Midea-Konzern, die allein rund 4,7 Milliarden Dollar gekostet hatte.
An welchen deutschen Unternehmen ist China beteiligt?
Chinesische Unternehmen sind an vielen deutschen Unternehmen beteiligt. Einige der bekanntesten Beispiele sind:
- Daimler: Die chinesische BAIC Group hält einen Anteil von 5 Prozent an Daimler.
- Volkswagen: Der chinesische Autobauer SAIC Motor hält einen Anteil von 10 Prozent an Volkswagen.
- Kuka: Das chinesische Unternehmen Midea Group hat 2016 Kuka übernommen.
- Osram: Der chinesische Investor AMS hat 2020 Osram übernommen.
- KraussMaffei: Das chinesische Unternehmen ChemChina hat 2016 KraussMaffei übernommen.
- Geely: Das chinesische Unternehmen Geely ist der größte Einzelaktionär von Daimler.
- Putzmeister: Das chinesische Unternehmen Sany hat 2012 Putzmeister übernommen.
China beginnt, politisch brisante Übernehmen zu scheuen
Seitdem sind die Zahlen fast kontinuierlich gesunken, auch in Deutschland sind chinesische Übernahmen derzeit selten. Laut EY gab es im vergangenen Jahr lediglich 26 Übernahmen oder Beteiligungen an deutschen Unternehmen mit einem Volumen von knapp 290 Millionen US-Dollar. Die EY-Zahlen legen die Vermutung nahe, dass Käufer aus der Volksrepublik inzwischen politisch umstrittene Großübernahmen meiden.
Neben politischen Hürden und Spannungen zwischen China und dem Westen spielten nach Einschätzung von EY auch die inzwischen aufgehobenen drakonischen Covid-Beschränkungen in China eine Rolle. Reisebeschränkungen und strenge Quarantänevorschriften hätten Geschäfte erschwert, sagte Sun Yi, Leiterin der China Business Services für Westeuropa.
In diesem Jahr werden nach Einschätzung der Unternehmensberaterin wieder mehr chinesische Unternehmen in Europa nach Übernahmekandidaten Ausschau halten. "Allerdings wird die Zahl der Deals nicht zuletzt aufgrund der politischen Rahmenbedingungen weiterhin deutlich niedriger liegen als in den Boom-Jahren", prognostiziert Sun.
In einer Umfrage der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking im vergangenen Jahr nannten die Mitgliedsunternehmen die strengen Pandemie-Maßnahmen als Hauptgrund, ihre Investitionen in China zu reduzieren oder den Markt ganz zu verlassen. Die Stimmung der deutschen Unternehmen war am Boden. Anfang Dezember vollzog Peking dann eine abrupte Kehrtwende und hob nach gut drei Jahren die meisten Corona-Maßnahmen wieder auf.
Nach der rasanten Ausbreitung des Coronavirus im Land kehrte vielerorts wieder Normalität ein - und auch bei den ausländischen Unternehmen kehrte der Optimismus zurück. Vor allem ab dem zweiten oder dritten Quartal rechnen viele Unternehmen mit einer positiven Entwicklung ihres China-Geschäfts, heißt es bei der Handelskammer. Damit dürften auch die Investitionen wieder anziehen.
Wo investiert China in Europa?
China investiert in Europa in verschiedenen Bereichen wie Energie, Infrastruktur, Technologie, Telekommunikation, Immobilien, Einzelhandel und Tourismus. Einige der wichtigsten Investitionsprojekte Chinas in Europa sind:
- Hafen von Piräus: China hat eine Beteiligung an der griechischen Hafenbehörde von Piräus erworben, um den Hafen zu einem wichtigen Knotenpunkt für den Handel zwischen Europa und Asien zu machen.
- Eisenbahnstrecken: China hat in mehrere Eisenbahnprojekte in Europa investiert, darunter die Belgrad-Budapest Bahnstrecke, die eine Verbindung zwischen China und Europa herstellt.
- Erneuerbare Energien: China hat in mehrere erneuerbare Energieprojekte in Europa investiert, wie z. B. in Offshore-Windparks und Solarkraftwerke.
- Telekommunikation: Chinesische Unternehmen haben in Telekommunikations- und Mobilfunkunternehmen in Europa investiert.
- Automobilindustrie: Chinesische Unternehmen haben in europäische Automobilhersteller investiert, um Zugang zu neuen Technologien und Märkten zu erhalten
Deutschland und China sind "Wettbewerber und Rivalen"
Die chinesische Wirtschaft zeigte zuletzt Anzeichen einer Stabilisierung. So hat sich die Stimmung in der Industrie deutlich aufgehellt. Der IWF hat seine Wachstumsprognose für die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr von 4,4 auf 5,2 Prozent angehoben.
Inzwischen strecken auch chinesische Unternehmen nach dem Ende der strikten Reisebeschränkungen wieder ihre Fühler ins Ausland aus. So berichten deutsche Unternehmensvertreter von zahlreichen chinesischen Wirtschaftsdelegationen, die seit Jahresbeginn Deutschland und andere europäische Länder besucht haben.
Die CDU-Politikerin Julia Klöckner hat sich für eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik gegenüber China ausgesprochen. Klöckner sagte der Deutschen Presse-Agentur, China und die EU, insbesondere Deutschland, verbinde eine enge Wirtschaftspartnerschaft, die beiden Seiten in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand gebracht habe. "Wir sind aber nicht nur Partner, sondern auch Wettbewerber und Rivalen mit unterschiedlichen politischen Systemen."
Klöckner forderte unter anderem einen besseren Schutz der europäischen Infrastruktur, etwa durch eine einheitliche Investitionskontrolle und eine gemeinsame Ausschlussliste, welche Investitionen nicht möglich sind. Klöckner will auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Man könne nicht gleichzeitig Mitglied der EU und der Seidenstraße sein.
Warum investiert China in Deutschland?
China investiert aus einer Vielzahl von Gründen in Deutschland. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass Deutschland als führende Volkswirtschaft in Europa gilt und eine Vielzahl von hochwertigen Technologien, Produkten und Dienstleistungen anbietet. Dadurch erhalten chinesische Unternehmen Zugang zu wichtigen Technologien und Know-how und stärken ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Darüber hinaus investiert China in Deutschland, um seine Marktposition in Europa zu stärken und den Zugang zu europäischen Märkten zu verbessern. Als größte Exportnation Europas bietet Deutschland einen großen Absatzmarkt und eine günstige geografische Lage, die es chinesischen Unternehmen erleichtert, in andere europäische Länder zu expandieren.
Darüber hinaus gibt es kulturelle und politische Gründe, warum China in Deutschland investiert. Deutschland und China pflegen seit langem enge Beziehungen, vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Handel. Viele chinesische Unternehmen haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit deutschen Geschäftspartnern gemacht und sehen in Deutschland einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Partner.
Chinesische Investitionen in Deutschland haben also sowohl wirtschaftliche als auch strategische Gründe und die Investoren wollen von den vielen Vorteilen profitieren, die Deutschland als führende Volkswirtschaft Europas bietet.
Das 2013 von Staats- und Parteichef Xi Jinping gestartete Mammutprojekt mit Milliardeninvestitionen soll nicht nur Handelskorridore zu Land, sondern auch zu Wasser mit Beteiligungen an einer Reihe wichtiger Häfen schaffen.
Die Bundesregierung arbeitet an einer neuen China-Strategie. Die Abhängigkeit von China soll verringert und die Lieferwege diversifiziert werden. Im Herbst hatte das Kabinett auf Drängen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beschlossen, dass sich der chinesische Cosco-Konzern mit 24,9 Prozent an einem Terminal im Hamburger Hafen beteiligen darf - statt wie geplant mit 35 Prozent. Mehrere Minister wollten die Beteiligung ganz verbieten.
dpa
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