Die Zeiten sind hart. Energiekrise und Rekordinflation treffen die deutsche Industrie. Volkswirte gehen inzwischen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung vom laufenden dritten Quartal an bis ins nächste Frühjahr hinein schrumpfen wird. Damit droht Europas größter Volkswirtschaft eine Rezession.
Nicht nur den Verbrauchern bereiten die gestiegenen Preise Kopfzerbrechen, auch die Industrie kämpft mit der angespannten Lage. Höchste Zeit zu handeln.
„Keiner weiß, wie lange die Inflation andauert und wie hoch sie sein wird“, sagt Wolfgang Krenz im Gespräch mit PRODUKTION. Er ist Partner der globalen Automotive und Manufacturing Industries Practice bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman.
Krenz rät Industrieunternehmen deshalb schnellstmöglich mehrere Dinge zu tun:
1. Szenarien durchspielen
Da unklar ist, wie sich die Inflation entwickelt, sollte jedes Unternehmen mögliche Szenarien und die Konsequenzen daraus durchspielen. „Allen ist klar, dass es nicht nur ein Szenario gibt“, sagt Krenz. „Dennoch gibt es bisher nicht so viele Unternehmen, die wirklich konkrete Szenarien bilden und dann sagen: ‚Ich habe fünf Szenarien nach diesen Kriterien definiert und jetzt teste ich mal, wie die auf meine Profitabilität und mein Geschäftsmodell wirken würden und wie ich je nach Szenario handeln müsste‘.“
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Doch mit solchen Szenarien wären Unternehmen vorbereitet, so Krenz. Dabei müsse man das komplette Paket anschauen: Denn die eine Frage sei, wie hoch die Inflation werde und wie lange sie bleibe. Denn es gebe ja auch andere Unsicherheiten, die zur gleichen Zeit passieren, wie zum Beispiel der Gas-Lieferstopp oder der Taiwan-Konflikt.
Letztlich müssen sich die Firmen auch auf etwas drastischere Szenarien vorbereiten, so der Experte. Im September hat sich die Inflation deutlich erhöht. Die Inflationsrate stieg auf zehn Prozent, teilte das Statistische Bundesamt gestern (29.9.) mit.
In all diesen Überlegungen sei dabei auch immer wichtig, zwischen einer kurzfristigen und langfristigen Perspektive zu unterscheiden. Aber wie viele Szenarien sollten die Unternehmen durchspielen? „Es braucht mindestens drei – ein gutes, ein schlechtes und ein mittleres“, sagt Krenz. Es gehe dabei aber nicht darum zu sagen, ‚jetzt rechnen wir mal mit drei, fünf und zehn Prozent Inflation‘, sondern es gehe um die anderen Faktoren wie unterschiedliche Versorgungsituationen bei Gas oder aus China heraus, mit denen sich die Unternehmen auch inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Er rät außerdem dazu, die Szenarien so zügig wie möglich zu machen. Es mache keinen Sinn, ein dreiviertel Jahr daran zu arbeiten.
„Keiner weiß, wie lange die Inflation andauert und wie hoch sie sein wird.“
2. Woher kommen meine Kosten?
„Es ist sehr, sehr wichtig, dass Unternehmen die unterschiedlichen Quellen der Kostenerhöhungen sauber erkennen und auseinanderhalten“, erklärt Krenz außerdem. Denn einerseits gibt es Kostenerhöhungen, die aus einer Knappheit entstanden sind, die teilweise nicht bleiben werden, schon gekippt wurden oder schon zurückgegangen sind. Dazu zählen unter anderem die Lieferprobleme.
Anders sieht es beispielsweise bei Kostensteigerungen durch die Inflation aus. „Das sind Kostenerhöhungen, die dann zu Preiserhöhung und höheren Lohnforderungen werden und das sind natürlich Effekte, die bleiben und mit denen man sich auseinandersetzen muss.“
Als Unternehmen müsse man unterschiedlich auf die verschiedenen Kosten reagieren, so Krenz. Die Supply-getriebenen Kostensteigerungen unterliegen laut Krenz zum Beispiel einer riesigen Volatilität und sind eine Frage des Risikomanagements. Hier gehe es zum Beispiel darum, entsprechend Absicherungsverfahren, Preisgleitklauseln oder ähnliches einzuführen, um mit dieser Problematik umzugehen. „Eine ganz wichtige mittelfristig wirkende Aufgabe ist es, die Supply Chain auf Basis von nach Risiko gewichteten Kosten neu aufzustellen“, so Krenz.
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3. Kapitalbedarf wieder härter managen
Ein weiteres Thema: Vor dem Hintergrund der Supply-Krise wurde „unheimlich viel auf Lager gelegt“ – teilweise weil man Arbeiten wegen fehlender Teile nicht fertigstellen konnte, es wurde aber auch mehr beschafft, als man brauchte. Denn es hieß: „Solange Kapital keine Zinsen kostet, ist das ja auch gar nicht so schlimm. Aber jetzt, wo die Zinsen wieder steigen, muss natürlich auch der Kapitalbedarf wieder härter gemanaged werden“, so Krenz.
Ebenfalls wichtig: Unternehmen, die in China sehr aktiv sind, sollten sich auch Gedanken machen, was dort passieren könnte und wie man als Firma darauf reagieren kann, erklärt der Berater.
„Insgesamt sollte man sich als Unternehmen so aufstellen, dass man sehr flexibel auf die unterschiedlichsten Szenarien reagieren kann und sicherstellen, dass man auch in drastischen Szenarien den Unternehmensbestand sichern kann“, erklärt Krenz. Inzwischen haben die meisten Unternehmen ihre Preise erhöht und die Kunden haben das auch mitgetragen. Davon seien viele Unternehmen überrascht gewesen. Aber Krenz erklärt: Es gab eine Einsicht auf der Kundenseite, dass das einfach echte Kostensteigerungen sind. „Man darf aber nicht den Fehler machen zu glauben, dass das immer so einfach funktioniert, dass man einfach die Preise weiter erhöhen kann. Das wird sicherlich in dem Ausmaß, in dem das jetzt im ersten Schritt passiert ist, nicht mehr möglich sein“. Unternehmen müssten vielmehr andere Wege finden.
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