
Die Wirtschaft der Volksrepublik leidet an strukturellen Wachstumsproblemen. Zugleich machen Chinas Unternehmen deutschen Maschinenbauern massiv Konkurrenz. (Bild: studio v-zwoelf - stock.adobe.com)
So hat sich Chinas Staatspräsident Xi Jinping das wohl vorgestellt: Wenn sich der Konflikt mit den USA verschärft, der außenpolitische Druck auf die Volksrepublik steigt und gleichzeitig ihre Wirtschaft schwächelt, erhöhen deutsche Unternehmen ihre Investitionen im Reich der Mitte. Das hat nach einer im April aus Anlass des Zollkriegs zwischen Washington und Peking erstellten Blitzumfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China jeder zweite Befragte vor.
Ein Viertel der deutschen Unternehmen in der Volksrepublik verlagert zudem seine Beschaffung aus den Vereinigten Staaten in andere Märkte. Nur 13 Prozent der Betriebe ziehen dagegen ihre Produktion aus China ab.
„Bei den großen Investitionsplänen reden wir allerdings über eine überschaubare Zahl großer deutscher Unternehmen“, erklärt der Geschäftsführer der AHK in Nordchina Oliver Oehms.
So baut unter anderem Bosch für eine Milliarde Euro ein Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie eine Produktionsstätte für die E-Mobilität in Suzhou. In Deutschland streicht der Autozulieferer und Technologiekonzern dagegen 6.000 Arbeitsplätze.
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BMW verkauft in China weniger Autos
ZF Friedrichshafen hat unter anderem eine Fabrik für die E-Mobilität in Shenyang errichtet. Seit 2020 hätte das Unternehmen zudem fünf Milliarden Euro in der Volksrepublik investiert und betreibe dort nun 50 Standorte, brüstet sich der China-Chef von ZF, Renee Wang. In Deutschland dagegen will der Automobilzulieferer bis 2028 bis zu 14.000 Mitarbeiter entlassen. ZF gehört zu 93,8 Prozent der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen. Die Stiftung verfolgt „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke“, erklärt sie auf ihrer Webseite und ist dementsprechend von der Körperschaft und Gewerbesteuer befreit.
Die Entscheidungen für derartige Investitionen mögen nachvollziehbar sein. Aber sind sie auch klug? BMW dürfte das verneinen. Dem Autobauer brach der Gewinn im ersten Quartal um 26,4 Prozent ein, weil er in der Volksrepublik weniger Fahrzeuge verkaufte. Bei Konkurrent Mercedes betrug der Rückgang sogar 43 Prozent. BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse versichert zwar, es würde bis Jahresende besser. Dafür spricht allerdings nicht viel.
Zwar meldet das nationale Statistikbüro in Peking, dass Chinas Wirtschaft 2024 um fünf Prozent gewachsen sei. Das Forschungsunternehmen Rhodium Group geht allerdings davon aus, dass die Zahlen aus politischen Erwägungen schöngerechnet wurden und die Wirtschaft der Volksrepublik im vergangenen Jahr maximal um 2,8 Prozent zulegte.
Von Januar bis März 2025 soll sie um 5,4 Prozent gewachsen sein, berichtet das Mercator Institut für China Studien (MERICS) – allerdings nur, weil Peking die Wirtschaft im vierten Quartal 2024 mit umgerechnet rund 1,4 Billionen Euro gefördert hat. Das Geld reichten Banken in Form günstiger Kredite aus. Außerdem floss es an die Regionalregierungen, die in den Vorjahren Infrastruktur- und Wirtschaftsentwicklungsprojekte mit hohen Darlehen finanziert hatten.
Schätzungen des Internationalen Währungsfonds zufolge sind die Provinzen daher nun mit umgerechnet 7,4 Billionen Euro verschuldet. Das entspricht 47,6 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Viele Beobachter sorgen sich daher um die Stabilität des Finanzsystems der Volksrepublik.

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Geht dem chinesischen Wachstumsmodell die Puste aus?
Mit seiner Geldspritze konnte Peking zudem weder etwas an der geplatzten Immobilienblase noch an dem daraus resultierenden Vermögensverlust chinesischer Haushalte ändern. Diese werden daher 2025 nur gut zwei Prozent mehr konsumieren als im Vorjahr, erwartet die Unternehmensberatung McKinsey. „Auch wenn das Wachstumsziel 2024 noch erreicht werden konnte, bleiben die Sorgen, dass dem chinesischen Wachstumsmodell die Puste ausgehen könnte“, fasst daher Gero Kunath, vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zusammen. Für 2025 sage nur eine der insgesamt 22 verfügbaren Prognosen vorher, dass das Wachstum von angeblich fünf Prozent aus dem Vorjahr wieder erreicht werde, so der Volkswirt. Eher würden es 4,4 Prozent, 2026 sogar nur noch 4,1 Prozent.
Das liegt auch an den Zöllen, die Washington und Peking im gegenseitigen Handel künftig erheben. Am 11. Mai einigten sie sich darauf, dass die USA fortan einen Satz von 30 Prozent auf Waren aus China verlangen. Dieses hat seinen Tarif bei zehn Prozent festgelegt. Für 90 Tage wollen beide Seiten die Zölle zwar zunächst nicht kassieren und darüber verhandeln, wie es künftig weiter geht. Das heißt aber auch, dass der Handelskrieg nochmals eskalieren könnte.
„In China wird es dann vor allem die exportierenden Firmen treffen; vor allem die, die mit kleinen Margen operieren, und da vor allem den Mittelstand“, erwartet Merics-Chefvolkswirt Max Zenglein im Interview mit dem ZDF. Auch drei Viertel der deutschen Unternehmen in China werden negative Auswirkungen der US-Zölle spüren, erwarten die Teilnehmer der Umfrage der AHK. Zwei Drittel der Befragten treffen auch die von Peking eingeführten Tarife.
In der Autoindustrie gehen sogar 93 Prozent der deutschen Unternehmen in China, im Maschinenbau 86 Prozent der Betriebe davon aus, dass ihnen der Zollstreit massiv schaden wird. Ein Drittel der Befragten rechnet damit, dass ihr Umsatz teils um bis zu 20 Prozent einbricht. Vier von zehn deutschen Unternehmen fürchten, dass ihr Gewinn sinkt.
„Investitionen in China sind ein fataler Fehler“
Nur warum, will dann jedes zweite deutsche Unternehmen seine Investitionen in der Volksrepublik ausweiten? „Fast alle Industrienationen halten sich mit Direktinvestitionen zurück. Nur die Deutschen nicht. Sie wollen wieder einmal schlauer sein als alle anderen. Sie fahren einen eigenen nationalen Kurs – so wie vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine in der Energiepolitik“, stellt Bernd Ziesemer im Magazin 'Capital' fest. Das sei ein fataler Fehler, der am Ende böse ausgehen werde, erwartet der langjährige Chefredakteur des 'Handelsblatts'.
„Die Unternehmen aus Ländern, wie den USA, die China verlassen, sind im wesentlichen Dienstleister wie Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Die können ihren Laptop leicht zuklappen und heimfliegen“, räumt hingegen der Chef der AHK Nordchina, Oliver Oehms, ein. Die deutsche Wirtschaft habe dagegen vor allem in der chinesischen Automobilindustrie, im Maschinenbau und der Chemie investiert. „Solche Investments verlagert man nicht mal schnell nach Bangladesch oder Vietnam, nur weil einem der Wind ins Gesicht weht“, so Oehms.
Deutsche Unternehmen selbst geben noch andere Gründe dafür an, weshalb sie in China investiert sein müssen. Einige davon sind nachvollziehbar. So ist die Volksrepublik der größte Einzelmarkt der Welt. Kein anderer kann ihn ersetzen. Manche Konzerne erwirtschaften dort gewaltige Teile ihres Umsatzes – VW etwa 36 Prozent, BMW und Infineon ein Drittel, Porsche ein Viertel seiner Erlöse.
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Wer in der Volksrepublik forscht, hat meist Probleme
Glaubwürdig ist ebenfalls, dass wer in der Volksrepublik verkaufen will, auch dort produzieren muss. Sonst kann er mit dem Tempo des chinesischen Marktes nicht mithalten. „In der Automobilindustrie stehen Tier-1- und Tier-2-Zulieferer durch die immer kürzeren Innovationszyklen unter einem solchen Preis- und Zeitdruck, dass sie kritische Wertschöpfungsschritte wie Forschung und Entwicklung oder den Werkzeug- und Formenbau, die sie in der Vergangenheit im Hauptquartier in Deutschland gelassen haben, inzwischen zunehmend nach China verlagern“, berichtet Oliver Oehms von der AHK Nordchina.
Doch wer in der Volksrepublik forscht, hat meist Probleme, Daten und geistiges Eigentum an den eigentlichen Eigentümer, die Muttergesellschaft in Deutschland zu übertragen. „Schwierigkeiten beim geistigen Eigentum rangieren in unseren Umfragen regelmäßig unter den drei größten Problemen beim Geschäft in China“, bestätigt Oehms.
Durch die Verlagerung von Innovationen und Unternehmensfunktionen in die Volksrepublik steigt die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft also nicht zwangsläufig. Wenn etwa Audi Modelle wie den E5 mit Software von Huawei ausrüstet, macht das das Fahrzeug zwar in China wettbewerbsfähiger, aber nicht in den USA. Dort wird es sich so kaum verkaufen lassen. Denn Huawei steht auf der Liste der von Washington sanktionierten Unternehmen. Viele Beobachter warnen daher inzwischen davor, dass deutsche Unternehmen durch ihr Engagement in China ihre Wettbewerbsfähigkeit auch verlieren könnten.
In den vergangenen 20 Jahren profitierten sie zwar massiv vom wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik, da sie die Maschinen, Chemikalien und das Ingenieurswissen lieferten, das China brauchte. Gleichzeitig investierten deutsche Firmen dort massiv. Allein 2024 bauten sie in der Volksrepublik für 5,7 Milliarden Euro Kapazitäten in Produktion, Forschung, Entwicklung und Vertrieb auf. Das waren 45 Prozent aller Investitionen aus der EU. Allein die deutsche Automobilindustrie trug dazu 4,2 Milliarden Euro bei.
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Der deutsche Exportmotor stottert
Diese Investitionen benötigt die Volksrepublik aber nicht mehr, seit die Blase auf ihrem Immobilienmarkt 2021 geplatzt ist. Denn seitdem müssen ihre Banken die Ersparnisse chinesischer Bürger anderweitig investieren. Die legen viel zurück. Die Sparquote chinesischer Haushalte ist mit gut 44 Prozent des BIP zweieinhalb Mal so hoch wie die privater Haushalte in den USA.
Auch in der EU liegt der Wert 18 Prozentpunkte niedriger. Daher sucht in China aktuell sehr viel Geld Anlagemöglichkeiten. Meist fließt es in den Aufbau von Produktionskapazitäten. Was mit diesen erzeugt wird, muss aber exportiert werden, da die Nachfrage in der Volksrepublik schwächelt, berichten Sander Tordoir und Brad Setser vom britischen Think Tank Centre for European Reform (CER) in einer Studie aus dem Januar diesen Jahres.
Der Anteil der Volksrepublik an der globalen Industrieproduktion hat sich daher inzwischen gegenüber 2009 auf 18 Billionen US-Dollar mehr als verdreifacht. Ihr Anteil am Welthandel betrug 2024 knapp 15 Prozent. Das waren 17 Prozent mehr als noch sechs Jahre zuvor. Der deutsche Exportmotor stottert dagegen schon lange, berichtet Jürgen Matthes vom IW. „Im Zeitraum von 2000 bis 2015 lag das jahresdurchschnittliche Wachstum der realen Exporte von Waren und Dienstleistungen noch bei hohen 4,5 Prozent, im Zeitraum 2015 bis 2023 aber nur noch bei 1,6 Prozent“, so der Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am IW.
Übernehmen chinesische Unternehmen Technologieführerschaft?
„Die Rückkehr zum exportgetriebenen Wachstum hat China auf einen Kollisionskurs mit Deutschland geführt“, betonen auch Sander Tordoir und Brad Setser vom CER. Denn chinesische Unternehmen stellen oft das gleiche her wie deutsche – Autos und Maschinen. Zugleich übersetzen sich die Überkapazitäten in der chinesischen Industrie zusammen mit hohen Subventionen in Preise, die weit unter denen deutscher Anbieter liegen.
Wegen der staatlichen Förderung „nehmen chinesische Firmen auch bewusst kurz- und mittelfristige Verluste in Kauf, um langfristig Marktanteile zu erobern, und investieren in enorm große Produktionskapazitäten, bevor sie mit einem Produkt an den Markt gehen“, fasst das Forschungsinstitut Synolytics in einer Untersuchung zusammen, die es 2024 für den Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) erstellte.
Auch bieten chinesische Unternehmen inzwischen oft bessere Produkte an als deutsche. Immerhin 55 Prozent der für die aktuelle Geschäftsklimaumfrage der AHK befragten Unternehmensvertreter erwarten, dass chinesische Wettbewerber in den kommenden fünf Jahren in ihrer jeweiligen Branche die Technologieführerschaft übernehmen werden. Im Maschinenbau sagen das sogar noch mehr Firmen. Sechs von zehn der 500 Entscheider, die an der Studie des VDMA teilnahmen, befürchten, dass ihre Unternehmen 2029 nur noch in einer durchschnittlichen oder schlechten Position im Wettbewerb sein werden.
Deutsche Unternehmen versuchen Wandel mitzugehen
Deutsche Unternehmen versuchen diesen Wandel mitzugehen, indem sie sich als Partner chinesischer Firmen bei deren Expansion auf dem Weltmarkt in Stellung bringen, berichten Chefvolkswirt Max Zenglein und Direktor Mikko Huotari vom Merics in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung. Die Notwendigkeit eines De-risking in China würden viele deutsche Firmen in eine „in China für China“-Strategie übersetzen. „Dabei laufen sie Gefahr, einer Fata Morgana von Marktchancen hinterherzujagen die letztlich außer Reichweite gerät“, warnen Huotari und Zenglein.
Auto- und Maschinenbauer bekommen das bereits zu spüren. BYD hat Volkswagen als meistverkaufte Automarke in China abgelöst. Siemens und Bosch müssen sich mit Huawei, Haier und HikVision messen. "Selbst deutsche Unternehmen beschaffen Maschinen und Anlagen für ihre Produktion in China immer häufiger vor Ort von chinesischen Anbietern“, ergänzt AHK-Geschäftsführer Oliver Oehms.
In Deutschland reagiert jedes dritte Industrieunternehmen darauf bereits, indem es Fertigungslinien ins Ausland verlagert, um Kosten zu senken. Jedes zweite Unternehmen mit Aktivitäten in China fährt seine Produktion zurück und entlässt Mitarbeiter, fanden Jürgen Matthes und Edgar Schmitz vom IW heraus. „Was einzelnen deutschen Unternehmen nutzt, scheint also nicht länger damit übereinzustimmen, was dem deutschen Staat dient. Das ist ein deutlicher Bruch mit dem traditionellen Einklang zwischen Firmeninteressen und Deutschlands Außenwirtschaftspolitik, die den Großteil der vergangenen drei Jahrzehnte prägte“, fassen Max Zenglein und Mikko Huotari vom Merics das Dilemma zusammen.
Insgesamt hängen in Deutschland knapp eine halbe Million Arbeitsplätze von der Nachfrage in China ab, bestätigt das Forschungsunternehmen Rhodium Group. Diese Jobs würden zunehmend unter Druck geraten – am schnellsten und intensivsten in kleinen und mittelständischen Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Automobilindustrie. Im Zuge von Produktionskürzungen, Kündigungswellen und Auslandsverlagerungen dürfte ein „graduelles und ‚leises’ Industriesterben drohen“, resümieren auch Jürgen Matthes und Edgar Schmitz vom IW.