Facebook Libra Blockchain Kryptowährung

Viel komplexer als nur "eine von vielen Kryptowährungen": Facebook's Libra. - (Bild: Adobe Stock/monsitj)

Nachdem der Social Media-Riese Facebook für das kommende Frühjahr eine eigene Währung namens Libra angekündigt hat, ertönen lautstark die Forderungen nach Regulierung - getrieben von Sorgen um das Finanzsystem, den Fortbestand des Bargelds und und und...

Aber warum kommt denn ausgerecht ein Unternehmen wie Facebook auf die Idee eine eigene Währung zu erfinden und was soll das Ganze überhaupt? Produktion hat für Sie bei Dr. Shermin Voshmgir nachgefragt. Sie ist die Direktorin des Instituts für Kryptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Gründerin des BlockchainHub in Berlin.

Interview mit Dr. Shermin Voshmgir

Produktion: Facebook hat Libra in erster Linie als neue Währung angekündigt – was ist der Unterschied zu bisherigen Kryptowährungen wie Bitcoin?

Dr. Shermin Voshmgir: Facebook hat im Juni offiziell verkündet, seinen eigenen Token zu launchen, und zwar auf einer Blockchain-ähnlichen Infrastruktur. Die Medien sprechen davon, dass "Facebook eine Kryptowährung startet". Die Realität ist aber viel komplexer.

Worum es bei Blockchain und Libra wirklich geht

Libra

Warum die Libra nicht einfach nur eine Kryptowährung ist, warum sich Blockchain nun durchsetzen und das Web 3.0 unsere Geschäftsmodelle komplett auf den Kopf stellen könnte...

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Facebook plant die Einführung einer eigenen öffentlichen Infrastruktur, eines sogenannten "Distributed Ledger"-Netzwerks, das einem Blockchain-Netzwerk ähnlich ist. Diese Infrastruktur soll den Libra-Token verwalten, der mit der Calibra-Wallet-Software gesteuert wird. Facebook-Nutzer sollen in Zukunft Libra-Token für Online-Einkäufe und P2P-Überweisungen über diese Wallet für "niedrige bis keine" Gebühren verwenden können. (Wie Libra genau funktioniert, erklärt die Libra-Association in diesem Whitepaper.)

Ein Blockchain Token, von vielen auch Kryptowährung genannt, repräsentiert hierbei digitale Werte oder Zugangsrechte, die über einen Smart-Contract auf einer öffentlichen Infrastruktur wie einer Blockchain verwaltet werden. Der Libra-Token kann nicht mit Bitcoin oder anderen Protokoll-Token von öffentlichen Blockchain-Netzwerken verglichen werden, da es auf einem privaten Netzwerk aufbaut, bei dem nur eingeladene Mitglieder Transaktionen verifizieren dürfen und es höchstwahrscheinlich strengen Geldwäscheregelungen unterliegen wird.

Andererseits erlaubt aber so eine private Infrastruktur höhere Skalierbarkeit, was derzeit beim Bitcoin-Netzwerk noch nicht der Fall ist. Des Weiteren hat Facebook bereits eine Nutzerbasis von über zwei Milliarden Menschen, was Blockchain Tokens erstmals Massenmarkt-kompatibel machen könnte. Außerdem ist der Libra-Token als sogenannter Stable-Token geplant, der durch Fiat-Währungen (siehe Kasten 'Was ist Fiat-Geld?') gestützt ist und im Gegensatz zu Bitcoin somit einen stabilien Wert hat. Waum ein stabiler Wert für Zahlungs-Token wichtig ist, wird in meinem neu erschienenen Buch Token Economy erläutert.

Dr. Shermin Voshmgir

"Die Geschäftsmodelle werden sich zum Teil radikal ändern, sonst würde ein Tech-Gigant wie Facebook nicht auf diese neue Technologie umsteigen."

Dr. Shermin Voshmgir, Direktorin des Instituts für Kryptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Gründerin des BlockchainHub in Berlin

Produktion: Offenbar könnte die Libra Association der Auftakt zum Web 3.0 sein – was heißt das und welche Anwendungen kann ein Netzwerk (wie das von Facebook geplante) außer Pay-Tokens sonst noch abbilden?

Voshmgir: Facebook hat mit der Veröffentlichung seiner Pläne rund um den Libra-Token einen Wechsel ins vom Web2 ins Web3 angekündigt. Der Libra-Token und die Infrastruktur, auf die der Token aufbaut, hat das Potenzial ein ernsthafter Konkurrent für Fin-Tech-Anbieter und Kreditkartenunternehmen zu werden, die von Händlern, und somit letztendlich auch von Endkunden bis zu 2,5 Prozent oder mehr für Einkäufe berechnen. Sie könnte auch mit jenen Unternehmen konkurrieren, die Einwanderer auf der ganzen Welt nutzen, um Gelder an Freunde und Familie in ihre Heimatländer zu senden, und hierbei oftmals bis zu zehn Prozent an Gebühren verlangen. Facebook hat durch das Libra-Netzwerk und den Libra-Token das Potenzial, zu einer Schattenbank zu werden, zumindest für die zwei Milliarden Menschen, die weltweit keine Bankkonten haben.

Die Frage ist, ob das angekündigte Bestreben, das Libra Netzwerk langfristig zu einem öffentlichen Netzwerk zu machen, ernst gemeint oder realistisch ist. Viel eher scheint das Projekt als ein Versuch, durch die Hintertür der Web3-Wallets in zwei neue Branchen vorzudringen: Identitätsmanagement und Banking.

Auch könnte Facebook mehrere Token einführen, zum Beispiel Reward-Token und Reputations-Token für Beiträge im Sozialen Netzwerk, ähnlich wie es Steemit.com (ein Blockchain basiertes Soziales Netzwerk) seit Jahren macht, oder Aufmerksamkeits-Token wie der Basic Attention Token (BAT). Da Facebook neben Google der größte Ad-Tech-Anbieter ist, könnte der Libra-Token auch dazu genutzt werden, den zukünftigen Werbekonsum abzuwickeln. Wie so etwas aussehen könnte, kann man sich anhand des Projekts rund um den Basic-Attention-Token (BAT) ansehen, das versucht, die Rollen in einer von vielen intermediären besetzten Werbebranche umzukehren.

(Mehr Infos zu Steemit und BAT gibt es ebenfalls im Buch Token Economy.)

Was ist Fiat-Geld?

Fiat-Geld ist ein Tauschmittel ohne "inneren Wert" - also auch jede Währung, die keine Golddeckung hat und damit nicht mehr wie früher in Gold einlösbar ist. Von US-Dollar über Euro, japanischem Yen, chinesischem Renminbi, Britischem Pfund bis Schweizer Franken sind allesamt Fiat-Geld.

Die drei Haupt-Eigenschaften von Fiat-Geld sind:

  1. Es wird von staatlichen Zentralbanken produziert (Monopol der Geldproduktion).
  2. Fiat-Geld ist intrinsisch wertlos, das heißt es hat die Form von bedruckten Papierzetteln und Einträgen auf Computerfestplatten. Die Geldmenge lässt sich dadurch im Grunde beliebig vermehren.
  3. Fiat-Geld wird in der Regel durch Bankkreditvergabe produziert, das heißt durch Kredite, die nicht durch „echte Ersparnis“ gedeckt sind; Fiat-Geld wird „ex nihilo“ geschaffen.

Produktion: Wenn mit dem Web 3.0 die Dezentralisierung des Internets kommt, was heißt das dann für die Plattformökonomie?

Voshmgir: Wenn wir davon ausgehen, dass das WWW Informationen und das Web2 Interaktionen revolutioniert hat, so hat das Web3 das Potenzial, den Werteaustausch und Verträge tiefgehend zu verändern. Blockchain, als treibende Kraft in diesem Web3, verändert die Datenstrukturen im Backend des Internets und führt eine universelle Zustandsebene ein - einen Kopierschutz für digitale Werte.

Dies eröffnet die Möglichkeit digitale Werte ohne Intermediäre über eine öffentliche Infrastruktur wie ein Blockchain Netzwerk zu verschicken, was die Plattformökonomie zum Teil obsolet macht. Libra läuft auf einer öffentlichen Infrastruktur, einem sogenannten Distributed-Ledger-Netzwerk, das von einem Konsortium 30 internationaler Firmen und Organisationen verwaltet wird. Dieses Netzwerk ist insofern einer Blockchain ähnlich, als dass es die Daten verteilt verwaltet. Das heißt, dass keine Organisation das Monopol auf die verschlüsselten Daten hat.

Anders als öffentliche Blockchains aber verwendet dieses von Facebook geleitete Netzwerk keine "Kette von verschlüsselten Datenblöcken" als Sicherheitsmechanismus. Sicherheit wird durch Rechtsverträge zwischen bekannten Akteuren des föderierten Netzes gewährleistet. Eine Kette von verschlüsselten Datenblöcken ist aber bei öffentlichen Netzwerken wie Bitcoin oder Ethereum ein unumgänglicher Sicherheitsmechanismus, damit unbekannte Akteure Transaktionen im Netzwerk vertrauenswürdig validieren können.

Ob dieses Industriekonsortium, das die Basisinfrastruktur des Libra-Token bildet, erfolgreich sein kann, sei in Frage gestellt. All diese beteiligten Firmen sind in ihrer DNA nicht auf Kooperation geeicht, sondern auf Konkurrenz. Die Zukunft bleibt spannend. Die Geschäftsmodelle werden sich zum Teil radikal ändern, sonst würde ein Tech-Gigant wie Facebook nicht auf diese neue Technologie umsteigen.

Produktion: Frau Dr. Voshmgir, vielen Dank für das Gespräch!

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