IG-Metall-Vorstand: Firmen müssen ihre Hausaufgaben machen
Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, spricht im Interview über die Arbeitswelt im Umbruch, den Fachkräftemangel und den Industriestandort Deutschland.
Tino BöhlerTinoBöhler
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Wolfgang Lemb ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.(Bild: IG Metall)
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Die Arbeitswelt ist im Umbruch - wie gut vorbereitet ist die Industrie?
Wolfgang Lemb: Noch vor wenigen Jahren zeigten Befragungen unter IG Metall-Betriebsräten: Rund die Hälfte der Unternehmen hat keine Strategie für die ökologische und digitale Transformation. Inzwischen ist – auch auf unseren Druck hin – einiges passiert, etwa im Automobilbereich bei den OEMs und den großen Zulieferern. Insgesamt ergibt sich aber ein heterogenes Bild, viele Unternehmen drohen den Wandel weiterhin zu verschlafen.
Das gilt auch für den Maschinenbau: Unsere Befragung vom Anfang dieses Jahres hat ergeben, dass sich die wirtschaftliche Lage der Branche zwar deutlich erholt hat, die Investitionen mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt halten. Nur 18 Prozent der Betriebe planen, die Investitionen zu steigern. Bei 64 Prozent der Betriebe verharren sie auf einem Niveau, bei dem nur 37 Prozent der Befragten die Investitionslage als sehr gut oder eher gut bezeichnen. Um stabile Zukunftsaussichten der Betriebe am Standort Deutschland zu gewährleisten, sind aber dringend mehr Investitionen erforderlich.
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Über die Arbeitswelt im Umbruch spricht VDMA-Präsident Karl Haeusgen auf dem diesjährigen Maschinenbau-Gipfel mit Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. Mehr zur Veranstaltung erfahren Sie hier:
(Bild: mi-connect)
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Wie wollen wir den Fachkräftemangel in Zukunft begegnen? Stichworte, die dabei immer fallen, sind Zuzug und Automation.
Lemb:Um dem Fachkräftemangel zu begegnen braucht es alle verfügbaren Instrumente, die geeignet sind, das Problem zu lösen. Vor allem aber müssen die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen. Im Maschinenbau verharrt die Anzahl an Auszubildenden auf niedrigem Niveau, wie unsere Befragung zeigt. Obwohl 75 Prozent angeben, schwierig Fachkräfte zu finden, bieten nur 23 Prozent mehr Ausbildungsplätze an. Eine qualifizierte Personalplanung fehlt weiterhin in 81 Prozent der Betriebe.
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Zugleich nutzen die Betriebe bestehende Beschäftigungspotentiale nicht. Nur 14 Prozent ermöglichen Bewerbenden mit niedrigem und keinem Schulabschluss eine Ausbildung. Zugleich muss die Branche mit unter 20 Prozent Frauenanteil attraktiver für Frauen werden. Auch in den Geschäftsführungen braucht es mehr weibliche Vorbilder.
Glaubt die IG Metall angesichts der zahlreichen Probleme - zum Beispiel Fachkräftemangel, Klimawandel, Infrastruktur in Deutschland - an eine Zukunft des Industriestandortes Deutschland und wie sieht diese Zukunft aus Ihrer Sicht aus?
Lemb: Wir haben in Deutschland ein einzigartiges industrielles Produktionsnetzwerk von der Grundstoffindustrie über die Herstellung von Vorprodukten bis zur Fertigung von Hightech-Produkten. Wir haben bestens qualifizierte und hochmotivierte Belegschaften. Jetzt kommt es darauf an, den Industriestandort in die digitale und CO2-freie Zukunft zu entwickeln. Hier sind Politik und Unternehmen gleichermaßen gefordert.
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Die Unternehmen müssen entschlossener und mutiger in die Technologien, Verfahren und Märkte der Zukunft investieren. Die Politik muss einen verlässlichen Rahmen dafür bieten und diese Investitionen mit gezielter, kluger Industriepolitik fördern. Wenn das zudem in der neuen „Deutschlandgeschwindigkeit“ geschieht, hat der Industriestandort Deutschland eine gute Zukunft. Dafür setzen wir uns als IG Metall ein.
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