Am 20. Januar 2027 löst die neue EU-Maschinenverordnung 2023/1230 die bestehende Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ab, die seit 2009 rechtskräftig ist. Sie gilt ab diesem Stichtag in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – ohne Übergangsfrist. Wir haben mit Jens Müller, Certified Machinery Safety Expert (CMSE) und zertifizierter Sachverständiger für Maschinensicherheit, gesprochen und ihn um seine Einschätzung gebeten.
Verordnung vs. Richtlinie: Was sind die wichtigsten Unterschiede?
Jens Müller: Eine Richtlinie ist ein europäisches Regelwerk, das von den Mitgliedstaaten in nationale Gesetzgebung überführt werden muss. Im Gegensatz zu einer europäischen Verordnung haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, von den Anforderungen der europäischen Richtlinien abzuweichen. Vielmehr muss jedes Land innerhalb Europas den Richtlinien-Text in eigenen Gesetzestext umsetzen. Es gibt also diesbezüglich Spielraum. Anders verhält es sich mit der neuen EU-Maschinenverordnung. Sie ist ab dem Tag ihres Inkrafttretens verpflichtend für den Europäischen Wirtschaftsraum. On top greift die Stichtagsregelung. Das heißt: Es gibt keinerlei Übergangsfristen. Die MVO tritt am 20. Januar 2027 umgehend in Kraft, von heute auf morgen braucht es also neue Strukturen oder es müssen neue Prozesse angewendet werden. Für betroffene Unternehmen heißt das, sich frühzeitig zu informieren und rechtzeitig zu planen.
Was sind die wesentlichen Neuerungen der MVO?
Jens Müller: In erster Linie sehe ich hier die Abdeckung neuer Risiken im Zusammenhang mit digitalen Technologien, die Neubewertung von Hochrisiko-Maschinen und die Verringerung papierbasierter Dokumentationsanforderungen.
Für wen gilt die neue MVO?
Jens Müller: Die neue MVO gilt generell branchenübergreifend für jeden, der eine Maschine, eine unvollständige Maschine oder ein Produkt wie beispielsweise eine Funktionsbaugruppe herstellt, die als Einheit in eine Maschine eingebaut werden kann. Modernisiert ein Betreiber seine Maschine im Rahmen von Wartungs- und Instandhaltungs- oder einer Retrofit-Maßnahme, um ihre Performance zu verbessern, wird auch dieser in der Regel formell zum Hersteller und ist von den neuen Regelungen betroffen. Das ist vielen Maschinenbetreibern nicht bewusst.
Ich als Betreiber werde durch einen Umbau meiner Maschine also ggf. zum Hersteller und bin damit in der MVO-Pflicht?
Jens Müller: So ist es. Und um ehrlich zu sein. Das prüft auch zunächst keiner. Bis zu dem Moment, wo etwas schiefgeht. Ein Startpunkt für die erste Orientierung, ob ich von der MVO-Pflicht betroffen bin, ist die EUR-Lex Datenbank, welche auch als EU Amtsblatt bekannt ist. Dort kann ich herausfinden, ob mein „Produkt“ in die Maschinenverordnung fällt und CE-Kennzeichnungspflichtig ist. Es handelt sich dabei allerdings um sehr komplexe Gesetzestexte. Gegebenenfalls macht es also schon hier Sinn, sich Unterstützung zu holen. Noch komplexer wird es, wenn ein KMU etwas Neues baut, weil zum Beispiel ein Ersatzteil so nicht mehr verfügbar ist oder eine Maschine nicht mehr die gewünschte Leistung bringt. Nehmen wir als Beispiel eine selbst gebaute Steuerung, die ich in meine Maschine integriere. Hier stellt sich die Frage: Erfüllt meine Maschine nach diesem Umbau oder Retrofit nach wie vor den CE-Konformitätsnachweis oder muss ich sie in diesem Fall neu prüfen lassen? Je nach Produkt und bei Spannungsbereichen innerhalb der Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) wird die Niederspannungsrichtlinie, zumindest ihre Schutzziele, ebenfalls produktrelevant. Hier bewegen wir uns im Bereich der CE-Zertifizierung und genau diese ist ebenfalls ein Teil der neuen MVO. Man wird also ungewollt vom Betreiber zum Hersteller und das böse Erwachen findet erst dann statt, wenn die Berufsgenossenschaft vor der Tür steht. Dann nützen Argumente wie „Ich habe das für die Eigennutzung selbst gebaut und ich verkaufe das ja nicht“ leider nichts.
Was genau regelt die neue MVO in Bezug auf den Retrofit von Maschinen?
Jens Müller: Die neue, EU-weit geltende Maschinenverordnung schafft mehr Klarheit, wann eine wesentliche Änderung an bestehenden Maschinen vorliegt und somit eine neue CE-Konformitätsbewertung durchgeführt werden muss. Das Ziel ist es, den Umbau an Maschinen gesetzeskonform durchführen zu können. Hier stehen die Unternehmen vor allem in ihrer Rolle als Arbeitgeber in der Pflicht: Liegt durch den Umbau eine neue Gefährdung vor? Erhöht sich durch die neue Gefährdung das vorhandene Risiko? Sind die vorhandenen Schutzmaßnahmen ausreichend?
Es geht also vor allem um die Arbeitssicherheit?
Jens Müller: Ja. Denn als Arbeitgeber verpflichte ich mich, für die Sicherheit meiner Mitarbeitenden Sorge zu tragen. Denn auch in der Betriebssicherheitsverordnung steht: Ich darf meinen Mitarbeitenden nur Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die den aktuellen gültigen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen entsprechen. Das ist schon eindeutig. Aber auch hier kommt nicht automatisch eine Aufsichtsperson seitens der Behörde in den Betrieb, die das überprüft. Viele kommen also erst ins Handeln, wenn etwas passiert, Gefahr im Verzug ist, die Maschine stillgelegt ist oder eine Verfügung auf dem Tisch liegt. Dann ist es aber meistens schon zu spät.
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Geht es „nur“ um das Befolgen von Vorgaben?
Jens Müller: Viele sagen zu mir: „Herr Müller, das ist doch alles überreguliert.“ Das ist aber nicht der Fall. Künftig hat eine Maschine, die aus einem anderen EU-Land nach Deutschland kommt, nicht nur in Bezug auf ihre CE-Kennzeichnung, sondern auch bezüglich des Aspekts Arbeitsschutz identische Anforderungen zu erfüllen. Als Arbeitgeber habe ich die Verantwortung, meine Mitarbeitenden so zu schützen, dass nicht nur ein paar Piktogramme auf der Maschine auf mögliche Gefahren hinweisen, sondern ich wirklich um Arbeitssicherheit bemüht bin. Das heißt: Es bleiben zumutbare Restrisiken, beispielsweise dass man sich an der Maschine den Finger einklemmen kann. Es muss aber ausgeschlossen werden, dass ich mit dem ganzen Körper hineinfallen kann. Wenn ich also den Deckel öffne, muss die Maschine ausgehen – um das mal ganz plastisch zu beschreiben. Plakativ formuliert: Wir brauchen ein Regelwerk, damit Mitarbeitende abends sicher zu Hause bei ihren Familien ankommen. Das muss und sollte das wichtigste Interesse guter Arbeitgeber sein.
Wichtige Informationen zur neuen EU-Maschinenverordnung:
- Die neue EU-Maschinenverordnung 2023/1230 (MVO) wurde am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
- Nach einer Übergangszeit von 42 Monaten löst sie die aktuelle Maschinenrichtlinie (MaschRL) ab.
- Als EU-Verordnung hat sie direkte Gesetzeskraft und muss nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Sie steht damit über nationalen Bestimmungen, die eventuell davon abweichen.
- Ziel der MVO ist das einheitliche Auslegen und Umsetzen von Anforderungen in allen Ländern der Europäischen Union.
- Sie befolgt die Vorgaben des New Legislative Framework NLF, das Standards vereinheitlichen, den Binnenmarkt für Waren verbessern und die Qualität von Konformitätsbewertungen steigern will.
Welcher Aspekt ist mit Blick auf den Retrofit von Maschinen entscheidend in der neuen MVO?
Jens Müller: Entscheidend ist der Begriff „wesentliche Veränderung“ im Artikel 18 der MVO. Dabei handelt es sich um eine „vom Hersteller nicht vorgesehene oder geplante physische oder digitale Veränderung einer Maschine oder eines dazugehörigen Produkts nach deren beziehungsweise dessen Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme, die die Sicherheit der jeweiligen Maschine oder des dazugehörigen Produkts beeinträchtigt, indem eine neue Gefährdung entsteht oder sich ein bestehendes Risiko erhöht“.
Können Sie dafür ein Beispiel machen?
Jens Müller: Stellen Sie sich vor, Sie haben im Rahmen eines Retrofits in die Maschine eingegriffen und beispielsweise eine berührungslose Schutzeinrichtung per Laserscanner oder Lichtgitter integriert, sodass die Maschine automatisch stoppt, wenn eine Person mit ihrem Körper den Strahl durchbricht. Dieses neue Sicherheitsprodukt muss ein Mal pro Jahr vom Betreiber gecheckt werden. Was viele nicht wissen: Selbst wenn ich durch die Integration neuer Komponenten die Maschine noch sicherer gemacht habe und die Technik funktioniert, habe ich eventuell so tief in die Sicherheitstechnik eingewirkt, dass die Maschinensicherheit generell neu bewertet werden muss, insbesondere auch unter Maßgabe der neuen MVO. Es hilft also nichts, wenn die berührungslose Schutzeinrichtung funktioniert. Ich muss mich auch um den formellen Ablauf, Nachweise, Stücklisten, geänderte E-Pläne, etc. kümmern. Doch das wissen die meisten Betreiber nicht und dieses To Do fällt hinten runter. Denn als Betreiber bin ich ja in der Regel kein Maschinenbauer, der sich mit dieser Ebene darunter auskennt.
Kontrolliert wird das aber nicht automatisch von irgendeiner Behörde?
Jens Müller: Nein. Im Grunde ist es wie bei einer roten Ampel. Wenn man bei Rot geht und kein Querverkehr kommt, passiert nichts. Nähert sich in diesem Moment ein PKW, sieht das anders aus. Und genau das ist das Ding: Bei Betreibern ist mit Blick auf die Gesamtbewertung der Maschinensicherheit kein klassischer Prüfzyklus etabliert. Es sollte jedoch das Eigeninteresse jedes Betreibers sein, seine Maschine auf dem Stand der Technik zu halten. Die Norm ist der Stand der Technik, auch wenn – bis zum Eintreten von Fall XY – nicht überprüft wird, ob ich mich an sie halte.
Wie lautet Ihre Empfehlung: Wie können vor allem KMUs konkret vorgehen, um bei einem Retrofit auf der sicheren Seite zu sein?
Jens Müller: Man kann vieles in Eigenregie umsetzen, sollte jedoch folgende Punkte beachten: Wenn Sie etwas umbauen, prüfen Sie alle einzelnen Schritte und entscheiden dann erst, ob Sie das Projekt wirklich selbst umsetzen können. Stellen Sie sich die Frage: Habe ich einen Technikprofi in meinen Reihen, der sich um die leidigen Themen formeller Ablauf, Risikobeurteilung, Betriebsanleitung usw. kümmern will? Machen Sie sich bewusst, dass auch die Risikobeurteilung auf Normen und Richtlinien basiert, die sich fast wie ein Gesetzestext lesen. Für einen Maschinenbauexperten, kein Problem. Doch als Laie fällt es wirklich schwer, herauszufiltern, was wirklich wichtig und zu tun ist.
Welche Vorgehensweise würden Sie Maschinenbetreibern raten, wenn es darum geht, sich mit der neuen MVO auseinanderzusetzen?
Jens Müller: Die Verordnungstexte sind auf EUR-Lex frei verfügbar. Allerdings lesen sie sich in der Tat wie 100 Seiten reiner Gesetzestext. Da muss man schon ein Faible haben, wenn man sich da reinfuchsen will. Ich würde deshalb sagen: Der beste Startpunkt ist, wenn ich eine konkrete Idee für die Umsetzung eines Retrofits habe. Wir haben jetzt Sommer 2024 – bis Januar 2027 ist also wirklich noch Zeit. Es macht aber einfach schon jetzt Sinn, sich zu informieren über die Unterschiede zur aktuell geltenden Richtlinie und die wichtigsten Neuerungen. An einem konkreten Projekt kann man das am einfachsten erklären.
Über den Experten:
- Jens Müller ist Gründer und Geschäftsführer von „Müller & Partner Sachverständige“ und verfügt über 25 Jahre Praxiserfahrung im Maschinenbau und der Automatisierung.
- Einer seiner Schwerpunkte sind Roboterapplikationen (ISO 10218-2) und integrierte Fertigungssysteme (ISO 11161).
- Außerdem ist er nach ISO/IEC 17024 zertifizierter Sachverständiger für Maschinensicherheit / CE sowie für Roboter und Handhabungssysteme, Fachkraft für Arbeitssicherheit (BG ETEM), geprüfter Sachverständiger für Arbeitssicherheit (BDSF) und als Certified Machinery Safety Expert (TÜV Nord), kurz CMSE, im Einsatz.
- Gemeinsam mit seinem Partner Igor Osnizki bietet Jens Müller Maschinenbetreibern die Dienstleistung „Safety Dialog” an, die auf der Conrad Sourcing Platform gebucht werden kann und die Unternehmen praxisnah bei der Optimierung ihrer Maschinensicherheit unterstützt.
Was passiert, wenn ein KMU einen Retrofit machen will, dann aber feststellt, dass sie diesen Weg – vor allem auch bezogen auf die neue MVO – nicht umsetzen kann?
Jens Müller: Die Praxis zeigt, dass es nicht unüblich ist, dass Unternehmen weder die Ressourcen noch das nötige Know-how in ihren Reihen haben. Und für langwierige Schulungen ist auch keine Zeit vorhanden. Deshalb macht es aus meiner Erfahrung Sinn, sich für ein konkretes Projekt externe Unterstützung zu holen. Ganz im Sinne von Learning by Doing. Zu Beginn einer Kooperation kann sich dann auch herausstellen, dass der Betreiber das Projekt doch autark erarbeiten kann. Wir arbeiten da im Rahmen des Safety Dialogs wirklich ergebnisoffen.
Können Sie kurz erläutern, wie so ein Safety Dialog abläuft?
Jens Müller: Unter die neue MVO fallen eine Hubeinheit oder ein Kompressor ebenso wie eine Roboteranlage. Das ist ein Riesenspektrum. Genau das ist der gute Grund für eine Beratung oder Begleitung im Rahmen von Safety Dialog, der beispielsweise über die Conrad Sourcing Platform gebucht werden kann. In einem vierstündigen Gespräch – entweder vor Ort oder online – klären wir zunächst, was der Betreiber vielleicht selbst umsetzen kann und wo er ggf. Unterstützung benötigt. Als zertifizierte ISO- und EU-Sachverständige für Maschinensicherheit und Arbeitssicherheit unterstützen wir ganzheitlich, angefangen von Herstellerpflichten (CE-Kennzeichnung) bis zu Betreiber (Arbeitssicherheit). Wir zeigen dabei die Mindestanforderungen auf, um ein „Overengineering“ zu vermeiden. Natürlich kann man 100 Prozent Sicherheit in eine Maschine integrieren, aber dann ist sie nicht mehr handhabbar.
Raten Sie zu einem ersten Online-Gespräch oder macht ein Vor-Ort-Termin mehr Sinn?
Jens Müller: Gerade mit Blick auf Retrofit, Neuinstallation oder Umbau lässt sich vieles erst vor Ort klären. Für eine zehn Jahre alte Maschine gibt es zwar einen Elektroplan, das ist aber darüber hinaus vielleicht schon zwei oder drei Mal etwas umgebaut, aber nicht dokumentiert worden. In einem ersten Schritt geht es darum, herauszufinden, welche Normen für mich relevant sind. Hier kann ein Profi echt hilfreich sein. Zwar bekomme ich die Übersetzungen online, das Ganze ist aber wirklich sehr technisch und ein 1:1 Einblick ist aktuell nicht möglich und mit Kosten verbunden – Tendenz vierstellig. Die nächste Challenge ist der Inhalt der Norm und die damit verbundene Frage: Kann ich diesen 1:1 transferieren und klar sagen, das ist in Ordnung und das nicht? So einfach ist das leider meistens nicht.
Was ist Ihre Erfahrung: Gibt es in KMUs etablierte Verantwortliche zum Thema Maschinensicherheit?
Jens Müller: In der Regel nicht. In KMUs kümmert sich häufig eine Person um alles: die Konstruktion, den E-Plan, kurze Beschreibungen. Es sollte aber immer das Vier-Augen-Prinzip gelten, also immer eine zweite Person involviert sein, die mal drüberschaut oder gegenliest.
Neue Verordnungen werden häufig mit Schulungsmaßnahmen gepusht. Warum sind sie kein großer Freund von klassischen Schulungen?
Jens Müller: Unsere Erfahrung zeigt: Wenn KMU-Vertreter an einer halbtägigen Schulung teilnehmen, haben sie in kürzester Zeit allgemeingültiges Wissen erlangt, jedoch fehlt die Anwendbarkeit des Gelernten in der praktischen Umsetzung. Wir arbeiten daher ausschließlich mit Workshops, in denen wir am Beispiel arbeiten und Kundenprojekte beleuchten. Hier können wir konkret ansetzen, ermöglichen Praxistransfer und sorgen so für nachhaltigen Wissenserwerb am praktischen Beispiel.
Wie wird dieser Ansatz von KMUs angenommen?
Jens Müller: Unsere Kunden schätzen genau diese Hands-on-Mentalität und unsere langjährige Erfahrung aus der Praxis heraus. Einer meiner ersten Sätze ist meistens: „Schicken Sie uns bitte Ihre Projektdaten durch. Ich muss verstehen, wo wir anfangen.“ Viele Dienstleister liefern gewissermaßen eine Blackbox. Wir hingegen möchten unsere Kunden befähigen und gemeinsam mit ihnen die Projekte besprechen und sie selbst einschätzen lassen: Kann ich das selbst machen oder brauche ich externe Unterstützung? Wir gehen an die Maschine, schauen zusammen mit dem Kunden in den Rechner und bilden das Fundament, dass jeder weiß, was zu tun ist. Unsere oberste Zielsetzung ist also Wissenstransfer, sodass Kunden im ersten Projekt vielleicht noch bis zu 100 Prozent Unterstützung brauchen, in einem nächsten Projekt dann aber die begleitende Online-Betreuung oder ein kurzer Call ausreicht.
Und der Safety Dialog liefert dafür erste Impulse?
Jens Müller: Das ist unser Ansatz. Häufig sind unsere Kunden überrascht, wie viele Dokumente und Informationen online zu finden sind. Checklisten etc. sind oft sogar frei verfügbar und enthalten relevante Links, sodass zielgerichtet weitergearbeitet werden kann. Oft zeigt sich, dass man viel selbst machen kann. Auch die erfolgreiche Umsetzung einer CE-Kennzeichnung erfordert Praxis-Know-how sowie Fachwissen in der Maschinensicherheit. Wir begleiten unsere Kunden bei ihrem Projekt und geben ihnen die Gewissheit, dass zu 100 Prozent alle gesetzlichen Anforderungen für Hersteller sowie Betreiber erfüllt werden. Des Weiteren bieten wir neutrale Gutachten und Bewertungen zu verschiedenen Aspekten an: Ist der Stand der Technik erfüllt? Wurde ein Retrofit umgesetzt und entspricht dies den aktuellen Anforderungen? Wurde eine Maschine zur Eigennutzung selbst entwickelt – und ist man dann plötzlich Hersteller? Sind alle technischen Unterlagen vollständig und die komplette Dokumentation vorhanden?
Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel!
Der 14. Deutsche Maschinenbau-Gipfel war ein herausragender Erfolg! Über 900 Teilnehmer versammelten sich in Berlin für den größten Gipfel aller Zeiten. Prominente Gäste wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bereicherten die Veranstaltung.
2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.
Wie viel Prozent der aktuell gültigen Richtlinie werden von der neuen MVO abgedeckt?
Jens Müller: Meine Einschätzung wäre, dass 75 bis 80 Prozent der MVO in der aktuellen Richtlinie bereits vorhanden sind. Die neue MVO fokussiert sich dabei vor allem auch auf KI-Systeme, die für die Maschinensicherheit relevant sind. Maschinelles Lernen und Cybersecurity spielen beim Retrofit jedoch eher keine Rolle. Und trotzdem gilt auch für Kunden, die in Sachen Richtlinie relativ sattelfest sind: Sie setzen ein identisches Projekt um und – hoppla – die neue MVO bringt plötzlich ganz andere Anforderungen und Prozesse mit sich. Das ist auch für uns eine Lernkurve. Die meisten Inhalte sind zwar bekannt, aber jetzt in anderer Reihenfolge oder es sind einfach ein paar Teilaspekte hinzugekommen, auf die derzeit noch keiner achtet.
Zum Abschluss noch Ihre Einschätzung als Experte: Wie brisant ist das Thema neue MVO aus Ihrer Sicht?
Jens Müller: Das Thema Maschinensicherheit ist - leider - in vielen Fällen reaktiv. Wenn uns jemand anruft, dann ist meistens irgendwas passiert, was durch vorausschauendes Handeln hätte vermieden werden können. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich frühzeitig zu informieren, welche Anforderungen gerade im Bereich Retrofit den eigenen Betrieb betreffen.
Was sind die Konsequenzen, wenn gegen die MVO verstoßen wird?
Jens Müller: Die neue MVO ist ein Gesetz. Man unterscheidet also zwischen grobe Fahrlässigkeit, Fahrlässigkeit und Vorsatz. Vorsatz ist dann gegeben, wenn ich Kenntnis von etwas habe, das eine Gefahr für Leib und Leben birgt, ich es aber trotzdem laufen lassen. In diesem Fall fragt die zuständige Behörde: Warum ist der Arbeitsunfall passiert? Ist die Maschine manipuliert worden, hat der Betreiber einen Umbau getätigt oder ist die Maschine bereits im Auslieferungszustand nicht sicher gewesen und der Hersteller hat ein nicht-konformes Produkt in den Verkehr gebracht? Vorsatz wollen wir als Sachverständige nie erleben. Und deshalb ist unser Ansatz klar und wir raten jedem KMU dazu, im Safety-Segment lieber mehr zu tun als zu wenig.
Weitere Infos zum Service/Safetey Dialog: https://www.conrad.de/de/aktionen/mro/wartung40.html
Quelle: Conrad Electronic