EMO-Thema mit strategischer Relevanz

Retrofit: Neues Leben für alte Maschinen

Neben Automatisierung, Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung ist Nachhaltigkeit eines der drei Fokusthemen der Weltleitmesse für Produktionstechnologie. Nachhaltige Produktion ist längst zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden.

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Eine Liebherr LCS 182 Zahnflankenschleifmaschine ist nach dem umfangreichen Retrofit auf dem Stand einer neuen Maschine
Eine Liebherr LCS 182 Zahnflankenschleifmaschine ist nach dem umfangreichen Retrofit auf dem Stand einer neuen Maschine.

Die Wiederaufarbeitung von Bestandsmaschinen ist ein Thema, das auf der EMO 2025 vom 22. bis 26. September in Hannover eine Rolle spielte. „Wenn wir über Retrofit sprechen, dann geht es für uns darum, einer Werkzeugmaschine ein zweites Leben einzuhauchen, das genauso lange dauert wie das erste“, betont Ralf Glatzeder, Leiter der Abteilung Reman bei Liebherr-Verzahntechnik in Kempten. Reman steht bei Liebherr für Remanufacturing, eine vollständige Aufarbeitung einer Maschine auf das Niveau eines Neugerätes. In diese Richtung geht auch das Retrofitting, bei dem eine Bestandsmaschine mit neuen Technologien und Komponenten aufgerüstet wird.

Retrofit zahlt sich mehrfach aus

Retrofit ist weit mehr als eine nur kostengünstige Alternative zum Neukauf. Vielmehr geht es dabei um eine strategische Investition in die Zukunftsfähigkeit gerade der Unternehmen aus der Werkzeugmaschinenindustrie, die in der aktuell herausfordernden konjunkturellen Situation unter Druck stehen und Investitionen insofern eher zurückhaltend tätigen. Anstatt komplette Neumaschinen anzuschaffen, lassen sich zentrale Komponenten wie zum Beispiel CNC-Steuerungen, Antriebe, Sensorik oder Industrie-4.0-fähige Schnittstellen modernisieren. Das erhöht die Präzision, Prozessstabilität sowie Produktivität und eröffnet den Zugang zu digitalen Services wie Zustandsüberwachung oder vernetzter Produktionssteuerung.

Mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Der Austausch alter Antriebe und Motoren senkt den Verbrauch spürbar und reduziert damit sowohl Betriebskosten als auch den CO₂-Ausstoß. Zugleich werden wertvolle Ressourcen geschont, da vorhandene Maschinen weiter genutzt und nicht durch komplette Neuanlagen ersetzt werden müssen. Hinzu kommt die Anpassung an aktuelle Sicherheitsstandards und Maschinenrichtlinien, die nicht nur rechtliche Vorgaben erfüllt, sondern auch den Schutz der Mitarbeiter verbessert.

Wirtschaftliche Vorteile durch Retrofit

Die Investitionen dafür bleiben Reman-Abteilungsleiter Glatzeder zufolge je nach Situation mit einem Kostenvorteil von einem guten Drittel oder sogar mehr deutlich unter dem Niveau einer Neuanschaffung. Zudem ließen sich Stillstandzeiten durch die meist kürzere Nachrüstphase erheblich reduzieren, und die Amortisationszeit verkürze sich spürbar. In einer Zeit globaler Lieferkettenprobleme und wirtschaftlicher Unsicherheiten sorgt Retrofit so auch für höhere Planungssicherheit. Damit verbindet Retrofit technische Leistungssteigerung mit ökonomischer Vernunft sowie ökologischer Verantwortung und einem klaren Nachhaltigkeitsbeitrag. Es ist ein Instrument, das Unternehmen hilft, ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in schwierigen Zeiten zu sichern und die Weichen für eine zukunftsfähige Produktion zu stellen. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Retrofit auf der EMO ein wichtiges Thema für etliche Aussteller und Besucher ist.

Hohe Internationalität der EMO

Das gilt auch für Liebherr-Verzahntechnik, Hersteller von Werkzeugmaschinen und Automationslösungen für die wirtschaftliche Produktion von Verzahnungen. Für das global aufgestellte Unternehmen hat die EMO wegen ihrer hohen Internationalität eine überragende Bedeutung. „Wir erreichen dort alle wichtigen Ansprechpartner, erläutert Glatzeder. „Das breite Besucherspektrum, das sich aus großen, aber eben auch vielen kleineren Unternehmen rekrutiert, ist gerade für das Thema Retrofit sehr attraktiv.“ Kunden mit älteren Maschinen haben bei Liebherr-Verzahntechnik unterschiedliche Möglichkeiten. Sie können ihre in die Jahre gekommene, aber noch gute Dienste leistende Maschine generalüberholen oder reparieren lassen.

Ein Kapp-Niles-Maschinenretrofit bietet eine wirtschaftliche und zugleich ressourcenschonende Alternative zu einer Neuanschaffung.

Andreas Paatz, Leiter Bereich Service/Werkzeuge/Digitalisierung bei Kapp Niles

Mit Retrofit produktiver und nachhaltiger

Für den EMO-Aussteller Kapp Niles aus Coburg, Anbieter von Werkzeugmaschinen und Lösungen rund um die Feinbearbeitung von Verzahnungen und Profilen, gehört die Modernisierung von etlichen Maschinenbaureihen ebenfalls zum Portfolio. Da jede Schleifmaschine einem betriebsbedingten Verschleiß unterliegt, ist es das Ziel, den Ausfall kritischer Bauteile und im Extremfall den Stillstand der gesamten Schleifmaschine rechtzeitig zu vermeiden. Dafür bietet Kapp Niles zwei Lösungen an. Während bei „KN Recontrol“ ein vollumfängliches Steuerungsupgrade erfolgt, beinhaltet „KN Retrofit“ darüber hinaus eine komplette mechanische Überholung.

Enge Verzahnung von Maschinenbau und Software

Kapp Niles setzt ebenfalls auf Retrofit und ermöglicht den Kunden so eine wirtschaftliche und ressourcenschonende Weiterverwendung ihrer Maschine
Kapp Niles setzt ebenfalls auf Retrofit und ermöglicht den Kunden so eine wirtschaftliche und ressourcenschonende Weiterverwendung ihrer Maschine.

Gleichzeitig werde die Ersatzteilverfügbarkeit durch die Erneuerung von Komponenten wiederhergestellt. Und die Maschinen seien für die Erfassung von Prozess- und Maschinendaten im Sinne von Industrie 4.0 vorbereitet. Der entscheidende Vorteil einer direkt durch Kapp Niles und nicht durch einen Drittanbieter durchgeführten Modernisierung liege in der engen Verzahnung von Maschinenbau und Software. Weiterentwicklungen aus aktuellen Maschinenbaureihen könnten so einfließen, Ausstattungen und Funktionen erweitert, die Maschinendokumentation erneuert und die Ausfallzeiten während der Modernisierung auf ein Minimum reduziert werden. So erhielten Kunden nicht nur technisch hochmoderne, sondern auch langfristig wirtschaftlich verlässliche Maschinen. „Und durch die Verlängerung der Lebensdauer von Maschinen sowie die Wiederverwendung von Komponenten wird die Kreislaufwirtschaft gestärkt“, ergänzt Paatz. „Dies trägt zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise bei, die auf Wiederverwertung und Ressourcenschonung setzt.“

Umfangreiche Überholung der Gebrauchtmaschinen

Bei einer umfangreichen Überholung reinigen die Reman-Spezialisten alle Grundkomponenten, vermessen und bearbeiten sie nach. Alle Verschleißteile, Dichtungen, Antriebe und Motoren wechseln sie aus. Nur Guss und Gehäuse der Maschine bleiben bestehen, werden optisch aufbereitet. Eine weitere Option ist daneben der Kauf einer neuwertig aufbereiteten anderen Gebrauchtmaschine. „Wobei der Begriff ‚gebraucht‘ im Grunde irreführend ist“, fügt Glatzeder hinzu. „Denn die Maschinen aus unserem Reman-Programm sind bei Auslieferung grundsätzlich auf dem aktuellen Stand in Herstellerqualität und erhalten eine neue Garantie.“ Dabei orientiere sich Liebherr-Verzahntechnik immer am neuesten technologischen Level und berücksichtige inzwischen verfügbare Innovationen. Insofern seien die im Schnitt 20 bis 25 Jahre alten Maschinen nach der Aufbereitung und Erneuerung auf dem Stand der Neumaschinen.

Effizienzsteigerung bei alten Maschinen

Auch Waldrich Coburg bietet bereits seit Jahrzehnten erfolgreich Retrofit-Lösungen an, die rund zehn Prozent des Umsatzes ausmachen. „Dieser Bereich ist für uns elementarer Bestandteil unseres Dienstleistungs- und Servicegeschäfts“, betont Dr. Tobias Abeln, CTO bei Waldrich Coburg. Ohnehin seien die Maschinen durch hydrostatische Führungen nahezu verschleißfrei und für eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten prädestiniert. Insofern sei das die ideale Basis für eine weitere Verlängerung der Laufzeit. Mit den Retrofit-Maßnahmen erreiche das Unternehmen bei den alten Maschinen eine Effizienzsteigerung durch Automatisierungen, Steuerungsmodernisierungen und höhere Dynamik. Zudem gelinge es, die Funktionalität und Flexibilität durch die Implementierung von neuen Bearbeitungstechnologien wie Drehen, Verzahnen oder HSC-Fräsen zu erweitern.

Retrofit ist seit Jahrzehnten ein elementarer Bestandteil unseres Dienstleistungs- und Servicegeschäfts.

Dr. Tobias Abeln, CTO bei Waldrich Coburg

20-jährige Maschinen bleiben wettbewerbsfähig

Das größte und leistungsstärkste Portalbearbeitungszentrum von Waldrich Coburg, das beim Fräsen zum Beispiel im Kraftwerks- oder Turbinenbau zum Einsatz kommt, vor und nach einem Retrofit
Das größte und leistungsstärkste Portalbearbeitungszentrum von Waldrich Coburg, das beim Fräsen zum Beispiel im Kraftwerks- oder Turbinenbau zum Einsatz kommt, vor und nach einem Retrofit.

Auch Qualitätsverbesserungen, verbesserte Bedienbarkeit und höhere Sicherheit erziele man dank des Retrofits. Gleichzeitig komme es zu einer Verbesserung der Kosteneffizienz durch geringeren Energie- und Wartungsaufwand sowie verkürzte Bearbeitungs- und Ausfallzeiten. Auch durch die Beibehaltung des Aufstellortes und Fundaments sowie der Kernkomponenten seien deutlich geringere Investitionskosten und ein erheblich niedrigerer CO₂-Fußabdruck möglich. „So bleiben Maschinen, die seit über 20 Jahren im Einsatz sind, wirtschaftlich wettbewerbsfähig“, unterstreicht auch Abeln. „Insofern unterstützen wir unsere Kunden, ihre Fertigungsprozesse nachhaltig für die Zukunft aufzustellen.“ Die EMO 2025 biete eine hervorragende Plattform, um den strategischen Mehrwert solcher Retrofitlösungen und Innovationen einem breiten Fachpublikum zu präsentieren.

Neuanlagenniveau bei deutlich geringeren Investitionskosten

Auch wenn auf der EMO Hannover neue Technologien und Innovationen im Vordergrund stehen, wird Retrofit bei einigen Ausstellern und Fachbesuchern ein wichtiges Thema sein. Denn dabei geht es längst um mehr als nur die Instandsetzung bestehender Anlagen. Es ist ein Weg, Maschinen technologisch auf ein Niveau zu bringen, das mit Neuanlagen konkurrieren kann – und das bei deutlich geringeren Investitionskosten. Unternehmen sichern sich damit ihre Wettbewerbsfähigkeit, ohne auf die Performance modernster Technologien verzichten zu müssen. Dies und die damit einhergehenden ökologischen Vorteile sind klare Pluspunkte für ein Retrofit.

Quelle: Christian Mannigel, Fachjournalist, Handeloh

FAQs zu Retrofit

1. Was sind „Retrofit“ und „Remanufacturing“ bei Werkzeugmaschinen?

Retrofit bezeichnet die technische Modernisierung bestehender Maschinen durch Austausch oder Nachrüstung zentraler Komponenten wie Steuerungen, Antriebe, Sensorik oder Schnittstellen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit auf das Niveau neuer Maschinen zu heben. Remanufacturing (bei Liebherr als „Reman“ bezeichnet) geht noch weiter: Die Maschine wird vollständig überholt und auf Neugeräteniveau gebracht – inklusive neuer Garantie.

2. Warum ist Retrofit mehr als nur eine kostengünstige Alternative zum Neukauf?

Retrofit ist eine strategische Investition in Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Unternehmen erhalten moderne Technologien, sparen gleichzeitig Investitionskosten (bis zu 30 % oder mehr) und reduzieren Ausfallzeiten deutlich. Zudem profitieren sie von höherer Energieeffizienz und geringeren Betriebskosten.

3. Ökologische Vorteile der Wiederaufarbeitung von Bestandsmaschinen

Durch die Nutzung vorhandener Maschinengehäuse und Grundkomponenten werden Ressourcen geschont und CO₂-Emissionen gesenkt. Alte Motoren und Antriebe werden ersetzt, wodurch Energieverbrauch und Betriebskosten sinken. Das verlängerte Maschinenleben unterstützt aktiv die Kreislaufwirtschaft.

4. Technologische Verbesserungen bei einem Retrofit

Neben Steuerungsmodernisierungen lassen sich Automatisierungen, Industrie-4.0-fähige Datenschnittstellen, Zustandsüberwachung und vernetzte Produktionssteuerung integrieren. Moderne Sensorik, höhere Dynamik und neue Bearbeitungstechnologien (z. B. Drehen, Verzahnen, HSC-Fräsen) steigern Präzision, Produktivität und Flexibilität.

5. Welche Unternehmen setzen erfolgreich auf Retrofit-Lösungen?

  • Liebherr-Verzahntechnik: Komplettüberholung unter Neumaschinenstandard („Reman“).

  • Kapp Niles: Programme „KN Recontrol“ (Steuerungsupgrade) und „KN Retrofit“ (mechanische Überholung + Industrie 4.0).

  • Waldrich Coburg: Retrofit seit Jahrzehnten als Teil des Servicegeschäfts mit Fokus auf Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit.

6. Welche wirtschaftlichen Vorteile bringt Retrofit für Unternehmen?

Neben geringeren Investitionskosten bieten Retrofit-Projekte:

  • kürzere Stillstandszeiten und schnellere Amortisation,

  • reduzierte Wartungs- und Energiekosten,

  • verlängerte Lebensdauer vorhandener Maschinen,

  • erhöhte Planungssicherheit trotz globaler Lieferkettenprobleme.

7. Warum ist Retrofit zentrales Thema der EMO 2025 in Hannover?

Die EMO gilt als internationale Leitmesse der Werkzeugmaschinenindustrie. Angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten, Nachhaltigkeitszielen und des Fachkräftemangels suchen viele Unternehmen nach effizienten Wegen zur Modernisierung ihrer Produktion. Retrofit steht dabei sinnbildlich für technische Innovation, Wirtschaftlichkeit und ökologische Verantwortung.