Ein Elektrolichtbogenofen der Georgsmarienhütte - ein wichtiger Baustein des Unternehmens in Richtung CO₂-Neutralität.

Ein Elektrolichtbogenofen der Georgsmarienhütte - ein wichtiger Baustein des Unternehmens in Richtung CO₂-Neutralität. (Bild: Georgsmarienhütte)

Die Stahlindustrie sieht sich mit gravierenden Herausforderungen konfrontiert, wenn es darum geht, ihre Umweltbilanz zu verbessern. Als einer der traditionell emissionsintensivsten Sektoren der Weltwirtschaft ist die Transformation hin zu nachhaltigeren Produktionsmethoden eine Notwendigkeit, die durch den Klimawandel noch dringlicher geworden ist. Die Georgsmarienhütte GmbH, unter der Leitung von Plant Director Marc-Oliver Arnold, nimmt die genannten Herausforderungen nicht nur an, sondern positioniert sich als Vorreiter in der Entwicklung und Implementierung von grünem Stahl. Jüngst auf der Hannover Messe hat sich die GMH Gruppe als einer der ersten Stahlerzeuger präsentiert, die den neuen Low Emission Steel Standard (LESS) anwenden wird.

GHMK Plant Director Marc-Oliver Arnold
GHMK Plant Director Marc-Oliver Arnold (Bild: Georgsmarienhütte)

Strategische Ausrichtung und technologische Innovation

Die Georgsmarienhütte hat sich das anspruchsvolle Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2039 CO₂-neutral zu produzieren. Dieses Ziel ist nicht nur ein Ausdruck ökologischer Verantwortung, sondern auch Teil einer umfassenden Strategie, die das Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch technologisch zukunftsfähig machen soll. „Unser Ziel ist es, die Stahlproduktion nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Marc-Oliver Arnold. „Dafür setzen wir auf innovative Technologien, die es uns ermöglichen, Emissionen drastisch zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität unserer Produkte zu sichern.“

Eine der Kerninnovationen in diesem Prozess ist der Einsatz von Elektrolichtbogenöfen, die überwiegend mit Schrott betrieben werden. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung von Stahl mit deutlich geringeren CO₂-Emissionen, als dies bei herkömmlichen Hochöfen der Fall ist. „Die Elektrolichtbogenofen-Technologie ist ein zentraler Baustein unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Durch den Einsatz von recyceltem Material können wir den Bedarf an Primärrohstoffen signifikant reduzieren und damit auch unseren ökologischen Fußabdruck minimieren“, führt Arnold aus.

Funktionsweise von Elektrolichtbogenöfen im Vergleich zu Hochöfen

Elektrolichtbogenofen: Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnace - EAF) sind eine moderne und umweltfreundlichere Alternative zu traditionellen Hochöfen, besonders in der Stahlproduktion. Diese Öfen nutzen elektrische Energie, um Stahl aus Schrott zu schmelzen, was sie besonders effizient im Recycling von Stahl macht.

  • Stromversorgung und Funktionsweise: Ein Elektrolichtbogenofen verwendet Elektroden, die elektrischen Strom durch den Ofen leiten. Die Elektroden erzeugen einen Lichtbogen, der direkt auf den zu schmelzenden Schrott gerichtet wird. Die Hitze dieses Lichtbogens kann Temperaturen von bis zu 3.000 °C erreichen, was ausreicht, um den Schrott schnell und effizient zu schmelzen.
  • Umweltvorteile: Da EAFs hauptsächlich Schrott als Rohmaterial verwenden, tragen sie signifikant zur Reduzierung der Abfallmenge bei und senken den Bedarf an Eisenerz, einem natürlichen Ressourcenverbrauch. Zudem ist der Energieverbrauch, wenn er durch erneuerbare Quellen gedeckt wird, wesentlich umweltfreundlicher als die von Hochöfen benötigten fossilen Brennstoffe.
  • Flexibilität: Elektrolichtbogenöfen sind in der Produktion flexibler und können schneller zwischen verschiedenen Stahlsorten wechseln. Sie benötigen auch eine kürzere Startzeit und können leichter an- und abgeschaltet werden, was sie ideal für Märkte macht, in denen die Nachfrage schnell schwankt.

Hochofen: Der traditionelle Hochofen ist ein wesentlicher Bestandteil der Rohstahlerzeugung und wird hauptsächlich für die Umwandlung von Eisenerz in Roheisen genutzt, das dann zu Stahl weiterverarbeitet wird.

  • Funktionsweise: Im Hochofen wird Eisenerz mit Koks und Kalkstein beschickt. Der Koks wird verbrannt, um die notwendige Hitze zu erzeugen und um als Reduktionsmittel für das Eisenerz zu dienen, wobei Kohlenmonoxid entsteht, das das Eisenoxid zu flüssigem Eisen reduziert.
  • Umweltauswirkungen: Hochöfen erfordern große Mengen an Koks, einem aus Kohle gewonnenen Brennstoff, dessen Herstellung und Verbrennung erhebliche Mengen an CO₂ freisetzen. Zudem ist der Abbau von Eisenerz umweltschädlich und energieintensiv.
  • Produktionskapazität: Hochöfen haben eine sehr hohe Produktionskapazität und können kontinuierlich betrieben werden, was sie für die Massenproduktion von Stahl geeignet macht. Allerdings ist ihre Umstellung auf andere Produktionsaufgaben langwierig und kostenintensiv.

Einsatz erneuerbarer Energien

Ein weiteres wesentliches Element der Nachhaltigkeitsstrategie der Georgsmarienhütte stellt die Integration erneuerbarer Energiequellen in den Produktionsprozess dar. Das Unternehmen hat umfangreich in Solarenergie und Windkraft investiert und plant, diesen Bereich weiter auszubauen. "Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist eine unserer größten Herausforderungen, aber auch eine unserer größten Chancen“, sagt Arnold. „Nicht nur reduzieren wir damit unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sondern wir leisten auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.“

Grüner Wasserstoff als Zukunftstechnologie

Die Georgsmarienhütte ist ebenfalls aktiv in der Entwicklung und Implementierung von grünem Wasserstoff als Energiequelle für die Stahlproduktion. „Grüner Wasserstoff hat das Potenzial, unsere Branche zu revolutionieren“, erläutert Arnold. „Er ermöglicht es uns, den Prozess der Stahlherstellung nahezu emissionsfrei zu gestalten.“ Die Herausforderungen bei der Skalierung dieser Technologie sind zwar nicht unerheblich, doch das Unternehmen arbeitet eng mit Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Industrie zusammen, um diese Technologie marktreif zu machen.

Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie

Nachhaltigkeit gilt bei der Georgsmarienhütte nicht nur als ein technisches Ziel, sondern auch eine Philosophie, die das Unternehmen in allen Aspekten seiner Operationen verfolgt. "Wir verstehen uns als Teil der Gesellschaft und wollen unseren Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft leisten“, betont Arnold. Dies schließe auch soziale Verantwortung ein, wie die Unterstützung lokaler Gemeinden und Bildungsinitiativen sowie die Schaffung eines inklusiven und fördernden Arbeitsumfeldes für alle Mitarbeiter.

Transparenz und Stakeholder-Engagement

Die Georgsmarienhütte legt großen Wert auf Transparenz und offene Kommunikation, um das Vertrauen in ihre Prozesse und die Glaubwürdigkeit ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen zu stärken. Das Unternehmen führt regelmäßige Dialoge mit allen Stakeholdern, von Kunden über Anwohner bis hin zu Umweltschutzorganisationen. „Es ist uns wichtig, dass unsere Stakeholder verstehen, was wir tun und warum wir es tun. Nur durch Offenheit können wir das notwendige Vertrauen aufbauen, das für die Umsetzung unserer Ziele essenziell ist", erklärt Arnold.

Ausblick und Herausforderungen

Obgleich beeindruckende Fortschritte erzielt wurden, stehen der Georgsmarienhütte und der gesamten Stahlindustrie noch zahlreiche Herausforderungen bevor. Die vollständige Dekarbonisierung der Stahlproduktion ist ein komplexes Unterfangen, das kontinuierliche Innovationen und Investitionen erfordert. Mit seiner klaren Vision, seinem Engagement für Innovation und seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft sieht sich das Unternehmen jedoch gut aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern und die Branche in eine nachhaltige Zukunft zu führen.

Marc-Oliver Arnold sieht optimistisch in die Zukunft: „Wir sind auf einem guten Weg, und jeder Schritt, den wir gehen, bringt uns näher an unser Ziel, eine nachhaltige und verantwortungsvolle Stahlproduktion zu realisieren. Es ist ein langer Weg, aber ein lohnender.“ Mit dieser Einstellung treibt die Georgsmarienhütte nicht nur die eigene Entwicklung voran, sondern setzt auch neue Standards für die gesamte Branche.

Die Geschichte der Georgsmarienhütte

  • Die Georgsmarienhütte, benannt nach König Georg V. von Hannover und seiner Frau Königin Marie, hat eine lange und reiche Geschichte, die tief in den Anfängen der deutschen Industriellen Revolution verwurzelt ist. Die Gründung des Unternehmens geht auf das Jahr 1856 zurück, als in der Nähe von Osnabrück reiche Eisenerzvorkommen entdeckt wurden.
  • Gründung und erste Jahre: Die Anfänge der Georgsmarienhütte waren von der Nutzung lokaler Ressourcen geprägt. Der Standort in der Nähe von Osnabrück bot Zugang zu wichtigen Rohstoffen wie Eisenerz und Holz, das für die Holzkohleproduktion benötigt wurde. Dies ermöglichte die Errichtung eines der ersten modernen Hüttenwerke in Deutschland, das Eisen und Stahl in größerem Umfang produzierte.
  • Entwicklung im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Im Laufe der Jahre expandierte die Georgsmarienhütte erheblich und integrierte weitere Produktionsstufen, darunter Walzwerke und Schmieden. Die Firma spielte eine bedeutende Rolle in der Industrialisierung Deutschlands und lieferte Materialien für den Bau von Eisenbahnen und anderen infrastrukturellen Großprojekten. Trotz der Zerstörungen, die die beiden Weltkriege mit sich brachten, konnte sich das Unternehmen erholen und weiter wachsen.
  • Nachkriegszeit und Expansion: Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Georgsmarienhütte vor der Herausforderung, die Produktion in einer sich verändernden wirtschaftlichen Landschaft neu zu gestalten. In den folgenden Jahrzehnten fokussierte sich das Unternehmen auf die Modernisierung seiner Anlagen und die Steigerung der Produktqualität. Es expandierte auch in neue Geschäftsfelder, wie die Herstellung von Spezialstählen und die Entwicklung eigener Technologien zur Stahlverarbeitung.
  • Strukturelle Veränderungen und heutige Ausrichtung: In den 1980er und 1990er Jahren durchlief die Georgsmarienhütte bedeutende strukturelle Veränderungen, um sich in einem globalisierten Markt zu behaupten. Dies beinhaltete Investitionen in moderne Technologien und das Eingehen strategischer Partnerschaften. 1993 kaufte Dr. Jürgen Großmann, bis dato verantwortlicher Stahlvorstand bei den Klöckner-Werken, die in die Krise geratene Georgsmarienhütte (vormals Klöckner Edelstahl) für symbolische zwei D-Mark im Rahmen eines Management Buy-outs aus dem Konzern heraus. Kurz darauf ließ er den ersten Elektrolichtbogenofen bauen, der einen Hochofen ersetzte. Großmann blieb bis 2006 geschäftsführender Gesellschafter der Georgsmarienhütte und sitzt bis heute im Aufsichtsrat der GMH Gruppe, die inzwischen 16 Unternehmen umfasst. Seit den 2000er Jahren hat das Unternehmen sein Engagement für Umweltschutz und Nachhaltigkeit verstärkt, was in der Fokussierung auf die Produktion von grünem Stahl und die Reduzierung von CO₂-Emissionen mündete.
  • Zukunftsvision und Nachhaltigkeit: Heute steht die Georgsmarienhütte GmbH als größter Stahlproduzent der GMH Gruppe und als ein führendes Unternehmen der Branche da, das sich der nachhaltigen Stahlproduktion verschrieben hat. Unter der Leitung von Marc-Oliver Arnold und seinen Kollegen in der Geschäftsführung treibt die Georgsmarienhütte Innovationen voran, die nicht nur die Umweltbelastung minimieren, sondern auch neue Maßstäbe in der Effizienz und Qualität der Stahlproduktion setzen. Mit dem Ziel, bis 2030 den CO₂-Ausstoß zu halbieren und bis 2039 CO₂-neutral zu sein, ist die Georgsmarienhütte dabei, ihre Rolle als Vorreiter der Transformation hin zu einem klimaneutralen Betrieb weiter zu festigen.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Sie möchten gerne weiterlesen?