Deutsche Industrie positioniert sich an Weltspitze

U-Boot-Klasse 212CD - Hightech-Revolution unter Wasser

Mehr Reichweite, mehr Autonomie, weniger Signatur: Mit der 212CD-Klasse beginnt eine neue Ära konventioneller U-Boote – und Deutschland steht im Zentrum einer transnationalen Rüstungsoffensive mit enormem strategischem und industriellem Einfluss.

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Die neue U-Boot-Klasse 212CD von TKMS soll künftigen Bedrohungsszenarien mehr als gewachsen sein.
Die neue U-Boot-Klasse 212CD von TKMS soll künftigen Bedrohungsszenarien mehr als gewachsen sein.)

212CD: Bilaterale Vorgeschichte und Programmgeschichte

Die Deutsche Marine und die norwegische Marine gehören seit Jahrzehnten zu den Pionieren beim Einsatz luftunabhängiger Antriebe in nicht‑nuklearen U‑Booten. Deutschlands Klasse 212A hat sich in der Ostsee, im Mittelmeer und vor der Küste Ostafrikas bewährt. Für Norwegen dagegen stehen die Ula‑Boote aus den 1980er Jahren kurz vor dem Ende ihrer Lebensdauer.

2017 unterschrieben Berlin und Oslo deshalb eine strategische Kooperation, die neben der gemeinsamen Beschaffung neuer U‑Boote auch eine engere Zusammenarbeit bei Seemarschflugkörpern und bei Forschung und Entwicklung vorsieht. Das Abkommen führt zu einer gemeinsamen Projektorganisation in Kiel (Building Program Office) und einer gemeinsamen Lifetime Management Office in Haakonsvern bei Bergen. Ein gemeinsames deutsch-norwegisches Team übernimmt in Haakonsvern Wartung, Modernisierung und Versorgung mit Ersatzteilen.

Nach einem langwierigen Auswahlprozess entschied sich Norwegen im Februar 2017 formal für Deutschland als Partner. Im Juli 2021 unterzeichneten beide Länder einen Kaufvertrag über sechs identische U‑Boote und ein gemeinsames Beschaffungs- und Lifecyclemanagement. Der Vertrag sah zunächst vier Boote für Norwegen und zwei für Deutschland vor. Der Bundestag beschloss im Dezember 2024, die Bestellung auf sechs U‑Boote zu erhöhen. Parallel prüft Norwegen, zwei zusätzliche Einheiten zu ordern. Die Gesamtinvestition wird auf rund 4,7 bis 5,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Bau startete am 11. September 2023 mit dem „Stahlschnitt“ in einer neu errichteten Schiffbauhalle in Kiel.

Die Bedeutung der Kooperation geht jedoch über die reinen Stückzahlen hinaus. Deutschland und Norwegen verpflichteten sich, identische U‑Boote zu beschaffen, die im gesamten Lebenszyklus gemeinsam betrieben, gewartet und modernisiert werden sollen. Die Programmleitung betont, dass mögliche weitere Partner keine eigenen Änderungen am Design vornehmen dürfen, aber sich beim Betrieb und bei der Logistik beteiligen können.

Bei der Rüstungsmesse UDT 2025 in Oslo signalisierten Kanada, Griechenland und Polen Interesse an einer Beteiligung. Die Niederlande prüften vorübergehend eine Beteiligung, entschieden sich aber letztlich für die französische Barracuda‑Klasse. TKMS bietet inzwischen eine „Expeditionary“-Variante des 212CD für den niederländischen Markt an; sie nutzt die gleiche Rumpfstruktur, enthält aber einen zusätzlichen Sektionseinbau für mehr Kraftstoff und Unterkunftsräume.

Industrielle Bedeutung und Fertigung der U-Boot-Klasse 212CD

Die sechs U‑Boote werden durch thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel und Wismar gebaut. Um die gestiegene Nachfrage zu bewältigen, investierte TKMS bereits ab 2019 über 250 Millionen Euro in moderne Produktionskapazitäten. In Kiel entstand eine High‑Tech‑Schiffbauhalle, die die Produktionszeit je Boot um rund 20 Prozent reduzieren soll. Zudem übernahm TKMS die ehemaligen MV‑Werften in Wismar, wo eine zweite Produktionslinie sowohl U‑Boote als auch Überwasserschiffe bauen kann. Diese Investitionen sichern Hunderte High‑Tech‑Arbeitsplätze in Norddeutschland und machen Kiel zu einem internationalen Kompetenzzentrum für konventionellen U‑Boot‑Bau.

Der deutsch‑norwegische Technologietransfer schafft auch Wertschöpfung in Norwegen: Das Land baut in Haakonsvern ein neues Dock für die gesamte Flotte im Rahmen der Kooperation. Kongsberg Defence & Aerospace liefert Kampfsystemanteile, NSM und Werftinfrastruktur - und bringt norwegische Zulieferer in die Lieferkette ein. Das gemeinsame Projekt schafft somit Arbeitsplätze und Know‑how in beiden Ländern und stärkt Europas strategische Autonomie.

So könnte das Auslaufen eines U-Boots der Klasse 212CD aus der TKMS-Werft in Kiel aussehen.
So könnte das Auslaufen eines U-Boots der Klasse 212CD aus der TKMS-Werft in Kiel aussehen.)

212CD-Design – größer, leiser, leistungsfähiger

Die Klasse 212CD („Common Design“) baut auf der 212A‑Klasse (die weltweit die ersten außenluftunabhängigen Boote, deren Antrieb für Tauchfahrten auf Brennstoffzellen basiert) auf, ist jedoch deutlich größer und leistungsfähiger. Der Rumpf ist 73 Meter lang, hat einen Durchmesser von 10 Metern und eine Verdrängung von rund 2 500 Tonnen, was einer Vergrößerung der Oberflächenspanten um 65 Prozent gegenüber der 212A entspricht. Mit einer Besatzung von nur etwa 30 Personen vereint das Boot hohen Automatisierungsgrad mit kompaktem Crew‑Management. Die Breite von 10 Metern ermöglicht mehr Treibstoff und größere Batterien, wodurch Reichweite und Ausdauer steigen.

Tarnung durch Diamantrumpf und amagnetischen Stahl

Die auffälligste Neuerung ist der facettierter Rumpf (sogenannter Diamantrumpf). Der facettierte Querschnitt soll die aktive Sonarreflexion streuen und so die Zielstärke verringern. Die Außenhaut ist mit modernen Schallschluckmatten versehen, um Eigengeräusche zu absorbieren. Der Druckkörper besteht aus amagnetischem Stahl, so dass das Boot von magnetischen Anomaliedetektoren und Seeminen schwerer zu orten ist. Selbst die optronischen Masten von Hensoldt sind so gestaltet, dass sie optisch und radarstechnisch schwer zu entdecken sind.

Sensoren, Masten und Kampfsystem

Die 212CD erhält das vollständig digitale ORCCA‑Kampfsystem, das von kta naval systems – einem Joint Venture von TKMS, Atlas Elektronik und Kongsberg – entwickelt wird. ORCCA verarbeitet große Sensor‑Datenmengen in Echtzeit, um der Besatzung ein umfassendes Lagebild und Optionen für den vernetzten Kampf zur Verfügung zu stellen. Laut Bundeswehr reduziert das System die akustische Signatur erheblich und verbessert die Fähigkeit, mit Verbündeten zu interagierenbundeswehr.de.

Für die visuelle Aufklärung rüstet Hensoldt jedes Boot mit einer Zwillingsmast-Lösung aus: einem OMS150‑Multispektral‑Such‑ und Überwachungsmast und einem OMS300‑Stealth‑Angriffsmast. Dieser Verzicht auf ein durch den Druckkörper führendes Periskop ermöglicht ein vollständig digitales Sichtsystem. Der OMS300 ist schwer zu erkennen, sowohl optisch als auch radarseitig, und erhöht die Überlebensfähigkeit der Besatzung. Eine i360°OS‑Panoramaüberwachung ergänzt das System.

Das elektronische Lagebild wird zusätzlich durch Indras Breitband-Signalerfassungs‑ und Navigationsradare erweitert. Das Unternehmen liefert eine Suite mit Interferometrie, um Herkunft und Entfernung fremder Sendesignale zu bestimmen, und Radaren mit geringer Wahrscheinlichkeit der Entdeckung, die mit Künstlicher Intelligenz angepasst werden können.

Bewaffnung und Optionen

Die 212CD besitzt sechs 533‑mm‑Torpedorohre. Ein gemeinsamer Schwergewichtstorpedo (CHWT), entwickelt auf Basis des DM2A4/5, ist vorgesehen. Exporte können alternativ den italienischen Black Shark Advanced einsetzen. Zur Abwehr gegnerischer Torpedos integriert Atlas Elektronik das SeaSpider Anti‑Torpedo‑Torpedo‑System. Die Boote erhalten darüber hinaus Naval‑Strike‑Missiles (NSM), die See‑ und Landziele über hundert Kilometer weit treffen können. Das System ist bereits auf norwegischen Fregatten im Einsatz; ein gemeinsamer Beschaffungsvertrag über 4 404 Millionen NOK sichert die Lieferung. In der U‑Boot‑Version wird ein ausfahrbarer Container mit mehreren NSM‑Raketen in einem Sonderfach installiert. Für künftige Varianten wird geprüft, die Boote mit vertikalen Startbehältern ausgestattet werden können, um den co‑entwickelten Supersonic‑Strike‑Missile (3SM Tyrfing) zu starten.

Weitere technische Highlights

  • Sonar und Akustik: Der SA9510S MK II‑Minenvermeidungs‑ und Navigationssonar von Kongsberg unterstützt das Ausweichen vor Minen und die präzise Navigation. Daneben sollen hochauflösende Schleppsonare und Flankensensoren installiert werden.

  • Optronik und Mastintegration: Neben den Hensoldt‑Masten wird ein digitaler Panoramablicksensor eingesetzt; das Ersatzteilwesen wird zentral gemanagt.

  • Leistung: Die 212CD erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von über 20 Knoten, kann mehr als 40 Tage autonom operieren und hat eine Reichweite von mehreren tausend Seemeilen.

  • Crew‑Automation: Der hohe Automatisierungsgrad ermöglicht den Betrieb mit kleiner Besatzung von 30 Personen und reduziert die Lärmemissionen durch optimierte Maschinensteuerung.

Taktische Rolle und Einsatzszenarien der U-Boot-Klasse 212CD

Die Deutsche Marine definiert die 212CD als Schlüsselplattform für Seeraumkontrolle, Abschreckung und Heimatschutz. In der seichten, engen baltischen See können U‑Boote mit geringem Tiefgang und hoher Wendigkeit gegnerische Schiffe und U‑Boote überwachen und bedrohen. Gleichzeitig erlaubt die vergrößerte Ausdauer, dass die Boote auch im Nordatlantik oder im Mittelmeer wochenlang verdeckt operieren können. Die luftunabhängiger Antrieb (AIP) und die geringe akustische Signatur machen sie in seegestützten Anti‑Access/Area‑Denial‑Missionen wertvoll.

Die U‑Boote können gegnerische U‑Boote jagen (ASW), mit Torpedos und Marschflugkörpern Überwasserschiffe ausschalten (ASuW) und mit dem NSM oder in Zukunft der 3SM Landziele treffen. Durch den flachen Rumpf und den geringen Tiefgang eignen sie sich für das Absetzen von Spezialkräften und Aufklärungsteams in küstennahen Gebieten. Die digitalen Masten und das ORCCA-System ermöglichen das Sammeln und Analysieren von ISR‑Daten und die Weitergabe an NATO‑Partner in Echtzeit. Nach Einschätzung des norwegischen Marinechefs Sigurd Holmeide werden die Boote daher „Game Changer“: Sie ermöglichen der norwegischen Marine, die kritische Unterwasserinfrastruktur in der Nordsee zu überwachen und gleichzeitig unbemerkt in fremden Gewässern Präsenz zu zeigen.

Ausblick und Bedeutung für Deutschland

Mit der Bestellung zusätzlicher U‑Boote Ende 2024 reagiert Deutschland auf die gestiegene Bedrohung im Ostseeraum. Die Marine strebt an, dauerhaft mindestens fünf U‑Boote einsatzbereit zu halten, was aufgrund von Wartungszyklen eine Flotte von 15 Booten erfordern würde. Die 212CD‑Flotte ist damit ein zentraler Baustein für die nationale und europäische Sicherheitsarchitektur.

Der industrielle Nutzen ist beträchtlich. TKMS ist dank des Programms ausgelastet und kann seine Werften modernisieren. Der Zulieferer HENSOLDT gewinnt mit dem Auftrag über sechs OMS150/OMS300‑Mastsysteme neue Marktanteile. Indra liefert seine elektronische Kriegführungssuite mit einem Auftragswert im zweistelligen Millionenbereich. Kongsberg und die norwegische Industrie profitieren von der Lieferung des ORCCA‑Systems und der NSM, während die gemeinsame Entwicklung des 3SM‑Tyrfing die transatlantische Zusammenarbeit ausbaut. Die Kooperation schafft damit ein Netzwerk europäischer High‑Tech‑Unternehmen, das gegenüber außereuropäischen Konkurrenten konkurrenzfähig ist.

Internationale Kunden beobachten das Projekt aufmerksam. Kanada, Griechenland und Polen bekundeten 2025 ihr Interesse, sofern sie sich in den Produktions- und Wartungsprozess einbinden können. TKMS bewirbt das 212CD‑Design zudem als Basismodell für einen niederländischen Ersatz der Walrus‑Klasse.

Quellen: globalsecurity.org, nationalinterest.org, navalnews.com, euro-sd.com, udt-global.com, defencearchieves.com, thyssenkrupp.com, defenceadvancement.com, armyrecognition.com, twz.com, hensoldt.net, seaforces.org, defencemirror.com

FAQ zur U-Boot-Klasse 212CD

Was bedeutet die Bezeichnung 212CD?
Die Abkürzung steht für Common Design. Sie unterstreicht die gemeinsame Entwicklung durch Deutschland und Norwegen und die Vereinheitlichung wichtiger Komponenten.

Wer baut die U-Boote?
Federführend ist thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) in Kiel. Norwegens Partnerindustrie – insbesondere Kongsberg Defence & Aerospace – liefert zentrale Komponenten wie das Kampfsystem.

Wie viele U-Boote sind bestellt?
Bisher sind sechs Boote fest im Bau: zwei für die Deutsche Marine und vier für die norwegische Marine. Deutschland hat zusätzlich vier weitere Boote beauftragt, Norwegen prüft noch eine +2-Option.

Wann erfolgt die Auslieferung?
Das erste Boot soll 2029 an Norwegen gehen. Die deutschen Boote folgen ab 2032 und 2034.

Was ist das Besondere an der 212CD-Klasse?
Die U-Boote verfügen über eine diamantförmige Rumpfform zur Reduzierung der akustischen Signatur, einen fortschrittlichen AIP-Brennstoffzellenantrieb, das digitale ORCCA-Kampfsystem und hochmoderne Sensorik. Damit erreichen sie eine extrem hohe Unterwasser-Autonomie und verbesserte Tarnung.

Welche taktische Rolle übernehmen sie?
Sie sind optimiert für Überwachungs-, Aufklärungs- und Abschreckungsmissionen in küstennahen wie auch in offenen Gewässern. Zudem können sie mit Naval Strike Missiles ausgerüstet werden, was ihnen eine deutlich gesteigerte Schlagkraft verleiht.

Welche Länder interessieren sich zusätzlich?
Neben Deutschland und Norwegen prüfen auch Kanada, Griechenland und Polen die Beschaffung von Booten auf Basis des 212CD-Designs.