Auf den ersten Blick sprechen tatsächlich einige Argumente dafür, die Elektromotoren in E-Autos mit Wasserstoff und Brennstoffzelle statt einem Lithium-Ionen-Akku zu versorgen: Fahrzeuge, die auf H2 als Energieträger setzen, bieten eine hohe Reichweite und lassen sich wie Benziner und Diesel innerhalb weniger Minuten auftanken – ein deutlicher Vorteil gegenüber den langen Ladezeiten eines batteriebetriebenen Elektroautos. Vor allem japanische und südkoreanische Autohersteller wie Toyota, Honda und Hyundai setzen daher auf die Wasserstofftantriebe. Aber auch deutsche Hersteller wie BMW oder Mercedes-Benz haben die Technologie noch nicht aufgegeben. Mercedes-Benz etwa bietet seit 2018 erstmals einen Brennstoffzellen-Batterie-Hybrid in Serie.
Auch auf einen anderen Vorzug der Wasserstoffantriebe spielt Precht in seinem Interview mit der Augsburger Allgemeinen an: Zwar werden für die Brennstoffzelle und bei der Wasserstoff-Herstellung Platinmetalle für die Anode beziehungsweise Kathode benötigt. Die seltenen Rohstoffe, die vor allem aus südafrikanischer Produktion stammen, sind in der Tat jedoch als nicht ganz so kritisch einzuschätzen wie Kobalt, das für die batteriebetriebene Elektromobilität benötigt wird. Kobalt stammt ganz überwiegend aus dem Kongo und wird dort unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut.
Wie teuer sind E-Autos mit Wasserstoffantrieb?
Das Problem mit dem Wasserstoff-Auto ist derzeit allerdings: Mit etwa 70 Tankstellen, die den Brennstoff anbieten, ist das Versorgungsnetz in Deutschland noch sehr dünn – und: Brennstoffzellen-Autos sind bei einem Kaufpreis von etwa 80.000 Euro deutlich teurer als die batteriebetriebenen oder gar spritverbrennenden Alternativen. Für VW-Chef Herbert Diess ist dies einer der Hauptgründe, auf der Suche nach dem Elektroauto der Zukunft voll auf die Batterie zu setzen. Auf der Hauptversammlung des VW-Konzerns im Mai verkündete er, die Brennstoffzelle werde es „bis Mitte der zwanziger Jahre zu vertretbaren Preisen oder im industriellen Maßstab“ nicht geben.
Derzeit liegen die weltweiten Produktionszahlen von Autos mit Wasserstoffantrieb pro Jahr noch im einstelligen Tausenderbereich. Das Kostenproblem könnte sich bei größerer Nachfrage und steigenden Stückzahlen in Zukunft allerdings nivellieren. Hyundai will bis in die 2030er Jahre Stückzahlen von 100.000 erreichen. Dr. Ludwig Jörissen vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg rechnet damit, dass die Marktpreise von Wasserstoffautos spätestens dann auch ein wettbewerbsfähiges Niveau erreichen werden.
E-Autos: Das sind die wichtigsten Absatzmärkte
Die weltweite Nachfrage nach E-Autos ist 2018 um 2,1 Millionen Einheiten gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland bleibt die Nachfrage jedoch weiterhin unterdurchschnittlich. Welche Absatzmärkte am wichtigsten sind zeigt dieses Ranking.
Wie wird der Brennstoff hergestellt?
Ein weiteres Problem gegen das der Wasserstoffantrieb zu kämpfen hat, sind vergleichsweise hohe Energie-Verluste „well-to-wheel“ – das heißt in der gesamten Wirkungskette von der Energiequelle bis zur Umwandlung in kinetische Energie. Bei batteriegetriebenen Fahrzeugen liegen wir hier – abhängig von der Außentemperatur – bei Wirkungsgraden von 40 bis 70 Prozent. Wasserstoff-Autos bringen temperaturunabhängig nur etwa halb so viel auf die Straße.
Das liegt schon in der Natur der Sache: Während sich ein Akku direkt mit – möglichst grünem – Strom aufladen lässt, muss der Wasserstoff für die Brennstoffzelle erst in einem aufwendigen Verfahren hergestellt werden. Der Großteil des Brennstoffs wird derzeit über die Reformierung von Erdgas, also fossil produziert.
Wenn es darum geht, zukünftig große Mengen an „grünem“ Wasserstoff zu herzustellen, setzt beispielsweise der Gaskonzern Linde sowohl auf die Reformierung von Biogas, als auch auf die Wasserelektrolyse – also die Spaltung von Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff. Diese Technologie hat nach Einschätzung der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie inzwischen einen „hohen technologischen Reifegrad“, ein Markthochlauf wird bis spätestens 2030 erwartet.
Welche Wirkungsgrade bieten Brennstoffzellen-Autos?
Der Wirkungsgrad der Wasserstoff-Herstellung durch Elektrolyse liegt je nach Verfahren im realen Betrieb bei etwa 65 bis 75 Prozent. Für die Verdichtung, um das Gas zu transportieren und in den Tanks speichern zu können, müssen nochmal etwa 10 Prozent aufgewendet werden.
Eine Alternative stellt hier die Verflüssigung dar, der Energieeinsatz beträgt hier etwa 30 Prozent. Dafür bietet flüssiger Wasserstoff wiederum Vorteile beim Transport und bei der Betankung des Fahrzeuges. Weitere Wirkungsgradverluste in der Wasserstoff-Kette entstehen schließlich auch in der Brennstoffzelle im Auto bei der Umwandlung von Wasserstoff in Reaktion mit Sauerstoff zu Strom lassen sich im Fahrzeug Wirkungsgrade bis maximal 60 Prozent erreichen.
Man mag einwenden: Niedrige Wirkungsgrade verlieren an Bedeutung, wenn sich der Strommix in nicht allzu ferner Zukunft ohnehin ganz überwiegend aus erneuerbaren Quellen speist. Wenn man jedoch vom etwa doppelten Energiebedarf von Brennstoffzellen-Autos im Vergleich zum batteriebetriebenen Pendant ausgeht, stellt sich doch die Frage: Wo und wie lässt sich der benötigte grüne Strom produzieren – vor allem kurzfristig?
Welchem Antrieb gehört die Zukunft der Elektromobilität?
Die Wasserstoff-Technik wird also kaum wie von Philosoph Precht dargestellt als ultimativer Schlüssel für die Mobilität der Zukunft herhalten können. Genau so wenig sinnvoll ist es jedoch, die Technologie abzuqualifizieren und den batterie-elektrischen Antrieb als alleinigen Heilsbringer darzustellen.
So bezeichnet E-Auto-Pionier und Tesla-Chef Elon Musk die Brennstoffzelle ("fuel cell") gerne als "fool's cell" ("Trottelzelle"). Stattdessen wird es für eine erfolgreiche Mobilitätswende die Kombination verschiedener Techniken brauchen – neben den Elektroantrieben kommen vor allem im Schiffs- und Luftverkehr auch synthetische "grüne" Kraftstoffe für den Verbrenner ins Spiel.
Jörg Starr, der neue Vorsitzende der Wasserstoff-Initiative Clean Energy Partnership, geht davon aus, dass Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Zukunft etwa 30 Prozent des emissionsfreien Portfolios abbilden könnten. Ihre Vorteile spielt die Technologie vor allem im Bereich des Schwerlast-, Bus- und Schienenverkehrs aus, da die benötigten Batterien hier unverhältnismäßig groß und schwer ausfallen.
Auch auf langen Strecken im Pkw ab 200 bis 250 Kilomertern könnte die Wasserstoff-Technik mit der entsprechenden Infrastruktur in etwa 20 Jahren Batteriefahrzeugen überlegen sein. Auf der Kurzstrecke dagegen wird an effizienten Batteriefahrzeugen kein Weg vorbeiführen. Scheuklappen-Denken à la Precht hat also in der Diskussion um die Mobilität der Zukunft nichts zu suchen.
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