Cobots in der Automation: Wo steht die deutsche Industrie?
Cobots sind vielseitig und flexibel einsetzbar. Wie sieht der Einsatz der kollaborierenden Roboter in der deutschen Industrie und im Mittelstand aus? Tobias Wölk, Produktmanager Automatisierungstechnik bei Reichelt Elektronik, sieht darin ein wichtiges Trendthema.
Lilli BährLilliBähr
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Derzeit sind Cobots in Deutschland hauptsächlich in der Produktion und Fertigung zu finden. Wohin geht der Trend?(Bild: stock.adobe.com/gumpapa)
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Tobias Wölk, Produktmanager für Automatisierungstechnik bei Reichelt Elektronik, hebt die Bedeutung von Cobots als Top-Trend hervor.(Bild: Reichelt Elektronik)
Cobots gelten als das führende Automatisierungswerkzeug. Sie haben das Potenzial, den Arbeitsalltag in deutschen Unternehmen jeder Größe zu revolutionieren. Waren der Anschaffungspreis und die Hürden bei der Implementierung bislang noch Stolpersteine, relativieren sich diese nach und nach. Tobias Wölk, Produktmanagement Automatisierungstechnik bei Reichelt Elektronik, sieht darin ein wichtiges Trendthema für das Unternehmen: „Unsere Umfrage zum Thema Robotik und Cobots Ende letzten Jahres hat gezeigt, dass bereits die Hälfte der befragten Industrieunternehmen mit Cobots arbeitet und gut ein Viertel bis 2023 eine Anschaffung plant.“ kommentiert er. Als Reaktion auf diesen Trend bietet das Unternehmen nun erschwinglichere Cobot-Modelle in ihrem Portfolio an.
Sechs Cobots, die in der Industrie zum Einsatz kommen
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Mit Traglasten von 7 kg bis 11 kg und Reichweiten von 0,9 m bis 1,4 m erweitert der CRB 1300 die Möglichkeiten an kollaborativen Anwendungen. Der Cobot kann bei Palettier-, Maschinenbeschickungs- und Schraubaufgaben eingesetzt werden.(Bild: ABB)
Die CRX-Cobots von Fanuc eignen sich für eine breite Palette von Anwendungen, einschließlich Inspektion, Be- und Entladen von Maschinen, Verpacken, Palettieren, Schleifen, Schweißen und mehr. Sie sind mit Sensoren ausgestattet und halten an, wenn sie mit einer Person oder einem Objekt in Kontakt kommen.(Bild: Fanuc)
Im weltweit ersten pneumatischen Cobot vereinen sich Pneumatik- und Handhabungskompetenz, Inspiration aus der Bionik und technisches Know-how. Dank der Nachgiebigkeit der pneumatischen Antriebe agiert der Cobot feinfühlig – mit situativ angemessener Geschwindigkeit, in flüssigen, harmonischen Bewegungen.(Bild: Festo)
Der erste Cobot von Schneider Electric ist in insgesamt fünf Ausführungen erhältlich. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, ihrer Traglast (3 bis zu 18 kg) sowie ihres Arbeitsradius. Alle Modelle der Reihe verfügen über eine Drehmomentüberwachung, mit denen sie eine Kollision erkennen. Eine Besonderheit des neuen kollaborativen Roboters ist die grafische Programmierung.(Bild: Schneider Electric)
Der UR3e ist ein ultraleichter, kompakter, kollaborierender Roboter mit einer Reichweite von 500 mm und einer Nutzlast von 3 kg Er eignet sich für den Einbau in Anlagen oder enge Arbeitsumgebungen und kann hochpräzise Montage- und Schraubarbeiten durchführen.(Bild: Universal Robots)
Der kollaborative Roboter LBR iisy eignet sich für Aufgaben, in denen Präzision, Geschwindigkeit und Fingerspitzengefühl besonders wichtig sind. Er wird für das Maschinenbe- und -entladen, für Pick-and-Place-Aufgaben und beim Handling, aber auch im Bereich Verpacken und Testen eingesetzt.(Bild: Kuka)
Cobots in Deutschland: Von der Produktion bis zur Medizin
Kollaborierende Roboter (Cobots) übernehmen repetitive, zeitaufwändige sowie monotone Aufgaben und behalten auch nach Stunden ihre Aufmerksamkeit und Präzision. Allerdings müssen Cobots für jedes neue Projekt neu programmiert werden und können daher den Menschen nie vollständig ersetzen.
Derzeit sind sie in Deutschland hauptsächlich in Produktions- und Fertigungspositionen zu finden, wo sie schwere und kleinere Arbeiten ausführen oder auch nachts Aufträge bearbeiten können. Die IG Metall kämpft derzeit für eine verkürzte Arbeitswoche bei vollständiger Lohnauszahlung, während Unternehmen gleichzeitig über den Fachkräftemangel bei Schweißern klagen. Cobots könnten hier eine gute Lösung für beide Seiten bieten, indem Schweißprozesse automatisiert werden.
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Auch andere Branchen setzen vermehrt auf kollaborative Roboter: Im medizinischen Sektor finden sie Verwendung bei Laborarbeiten, sterilen Prozessen und auch in der Rehabilitation von Patienten. Ebenso sind sie in der Pharma- und Chemiebranche als Labormitarbeiter mit besonderem Feingefühl im Einsatz. Darüber hinaus gewinnen sie in der Kunststoffindustrie sowie in der Kleinteilmontage bei Uhren- und Spielzeugherstellern an Bedeutung.
Exoskelette: Die Zukunft der Arbeitsentlastung und Rehabilitation
Roboter können die körperliche Belastung, beispielsweise für Angestellte im Bereich der Lagerlogistik, erheblich reduzieren. Speziell dafür wurde eine Variation entwickelt, die direkt am Menschen Hilfe leistet: das Exoskelett. Exoskelette entlasten, unterstützen und tragen dazu bei, die Kraft zu steigern.
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Passive Exoskelette ermöglichen eine Kraftersparnis, indem sie bei gleichmäßigen Bewegungen Stabilität bieten und die Belastung auf das gesamte menschliche Skelett verteilen. Im Gegensatz dazu sind aktive Exoskelette energiebetrieben, dynamischer und vielseitiger einsetzbar. Aufgrund ihrer externen Antriebskraft sind sie besser in der Lage, schwere Lasten zu transportieren.
Exoskelette verbessern den Arbeitsschutz in verschiedenen Arbeitsbedingungen und insbesondere bei schweren körperlichen Tätigkeiten wie dem Manövrieren von Bauteilen oder dem Arbeiten in unangenehmen Positionen. Für handwerkliche Berufe, wie z. B. Gerüstbauer und Maler, ist diese Technologie besonders interessant, da sie die Möglichkeit bietet, bisherige Einschränkungen zu überwinden.
Exoskelette haben das Potenzial, die medizinische Rehabilitation zu revolutionieren und Menschen mit körperlichen Einschränkungen mehr Bewegungsfreiheit zu geben. In der Raumfahrt könnten sie auch helfen, Muskelatrophien bei Astronauten zu vermeiden. In Deutschland steckt die praktische Anwendung jedoch noch in den Kinderschuhen, da die ersten Langzeitstudien gerade erst durchgeführt werden.
Derzeit wird an neuralen Exoskeletten geforscht, die mit Quantensensoren funktionieren, um Lähmungen zu heilen. Exoskelette sind bislang ein Hilfsmittel der Zukunft, dessen Vorteile jedoch bereits heute erkannt werden.
Die Fortschritte in der Demokratisierung der Robotik-Industrie und damit auch der Cobots schreiten voran. Hersteller bieten mittlerweile ihre Cobots als Komplettlösungen an, die sowohl Hard- als auch Software umfassen. Dadurch soll die Implementierung autonomer Roboter-Setups deutlich erleichtert werden. Auch andere große Unternehmen erkennen das Marktpotential der All-In-One-Pakete. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist das Mietmodell, welches es kleinen und mittelständischen Unternehmen ermöglicht, Cobots für kurzfristige Projekte zu mieten und potenzielle zukünftige Investitionen zu testen.
Auch technologisch geht es in Deutschland voran. Das Startup Neura Robotics hat einen Cobot entwickelt, welcher KI-Auswertungen komplett in der Maschine berechnet. KI und maschinelles Lernen ermöglichen dem Cobot, seine durch Sensoren erfassten Sinnesinformationen (Sehen, Hören und Tasten) zu verarbeiten und in eigenständiges Handeln umzusetzen. Der Roboter erkennt mit einer intelligenten Objekterkennung Menschen und reagiert sogar auf Sprachbefehle. Dieser sogenannte kognitive Cobot könnte die Vorstufe zum ersten humanoiden Allzweckroboter sein.
Cobots als Schlüssel zur Vereinfachung und Innovation
Die Entwicklung hin zu einfacheren Robotiklösungen treibt den Robotikmarkt an. Cobots bieten KMUs zahlreiche Vorteile gegenüber den Industrierobotern, da sie in der Anschaffung günstiger sind und weniger Raumaufwand benötigen.
Da der Aufwand für die Implementierung sinkt, werden Cobots auch für Branchen interessant, in denen sie bisher noch nicht zum Einsatz gekommen sind.
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Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie dem aktuellen Fachkräftemangel, bieten Cobots eine Lösung. Sie können unbeliebte Tätigkeiten übernehmen und Menschen für kreativere und gewinnbringendere Aufgaben freisetzen.