Mensch und Roboter

Wenn es darum geht, nach neuen Lösungen zu suchen, um menschliche Arbeitskräfte zu ergänzen und die Abläufe flexibel und flüssig zu halten, bleiben KMU beim Thema Automatisierung weit hinter den größeren Unternehmen zurück. (Bild: Kathrin Primak-stock.adobe.com (mit KI))

Auch wenn in den KMU Roboter eher seltener eingesetzt werden - insgesamt steht Deutschland, was die Roboterdichte angeht, im weltweiten Vergleich dennoch nicht allzu schlecht dar. Das zeigt der World Robotics Bericht 2023 der 'International Federation of Robotics'. Die deutsche Wirtschaft rangiert auf Platz drei hinter Südkorea (1.012 Einheiten) und Singapur (730 Einheiten). Die Roboterdichte im verarbeitenden Gewerbe stieg hierzulande auf 415 installierte Industrie-Roboter pro 10.000 Arbeitnehmer.

Rückstand der KMU in der Automatisierung

Laut Unchained Robotics Gründer Mladen Milicevic liegt das Problem mit der fehlenden Automatisierung eher bei den kleineren und mittelständischen Betrieben (KMU). Hier haben laut Milicevic bis heute rund 80 Prozent keinen einzigen Roboter im Betrieb. „Zum einen sind einfache Robotikanwendungen seit Jahrzehnten fest in der Industrie etabliert, zum anderen klingt es nach wie vor für viele Mittelständler nach Science-Fiction mit unklarem Anwendungspotenzial“, so der Experte. Dies ist beunruhigend, denn wenn diese Unternehmen im kommenden Jahrzehnt wettbewerbsfähig bleiben wollen, führt kaum ein Weg daran vorbei.

Die Automatisierung ist eine Notwendigkeit, insbesondere für kleinere Hersteller. Sie ist für diese nicht mehr optional. Bisher mangelt es noch am Mindset in der Führungsebene vieler Betriebe. Robotik als Teil eines Change-Managements ist noch Mangelware, zu groß sind die Berührungsängste und die Angst vor einem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. Gleichzeitig ist die Amortisation oft unklar. Roboter sind in der Regel im Kaufpreis teuer, amortisieren sich aber nach einer gewissen Zeit. Beispielsweise durch Produktivitätssteigerung, Qualitätsverbesserung, Flexibilität und Skalierbarkeit. Dieser Horizont ist den meisten KMU noch nicht geläufig. Auch die Robotik selbst trägt zum langsamen Fortschritt der Automatisierung bei, da es bisher keine einheitliche Software für Roboter gibt.

Wer zum Beispiel ein Greifwerkzeug installieren will, muss über elektrische Signale alles selbst programmieren. Plug-and-Play Lösungen, vergleichbar mit der Einrichtung von Hardware an Computern des täglichen Gebrauchs, gibt es bisher nur eine – die Applikationssoftware Luna. Sie kann ohne Programmierkenntnisse an Robotern eingerichtet werden, so soll sie dem Mittelstand die Implementierung von Automatisierungslösungen im Betrieb erleichtern. Von Unchained Robotics entwickelt, erleichtert die Software KMU zumindest die Nutzung von Robotern im Betrieb, sofern sie sich für die Automatisierung entscheiden. Diese Technologien können die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeiter steigern, indem sie ihren Arbeitsalltag erleichtern. Dafür braucht es jedoch das Bewusstsein für die wirtschaftlichen Vorteile durch Prozessvereinfachung.

Synergie von Mensch und Maschine: Orchestrierung als Schlüssel zum Erfolg

Automatisierte Systeme steigern zwar die Effizienz, können jedoch nicht alle menschlichen Fähigkeiten ersetzen. Kreativität bei der Problemlösung, emotionales Verständnis und die Fähigkeit, sich flexibel an neue Situationen anzupassen, bleiben Domänen des menschlichen Intellekts. Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in der synergetischen Verbindung menschlicher Expertise mit den analytischen Stärken der Automatisierung. Diese Verbindung lässt sich am treffendsten als 'Orchestrierung' bezeichnen. Ein Konzept, das die harmonische Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in den Vordergrund stellt.

Dabei werden verschiedene Aufgaben zu einem kohärenten Gesamtprozess verwoben, wobei die strategische Kontrolle stets in menschlicher Hand bleibt. Die Maschinen übernehmen datenintensive und repetitive Aufgaben, während die Menschen ihre einzigartigen kognitiven Fähigkeiten einbringen. Diese Orchestrierung ermöglicht es Unternehmen, die Vorteile der Automatisierung zu nutzen, ohne dabei auf die unverzichtbaren menschlichen Qualitäten zu verzichten. Milicevic ist es wichtig, mit dem Mittelstand in den Dialog zu treten, um jeweils die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Betriebs zu erfassen. Bisher konzentriert sich Unchained Robotics auf die Branche Werkzeugbau und vertreibt auf ihrer Plattform Roboter aller Hersteller weltweit, wie Kuka oder Universal Robots.

Mithilfe von Unchained Robotics hat das ELHA-Maschinenbau zusammen eine Anlage entwickelt, die es nun ermöglicht, die Hauptmenge der Dosensenker komplett im eigenen Hause zu produzieren. (Bild: Unchained Robotics)

Best Practices: Erfolgsbeispiel ELHA-Maschinenbau

Ein Beispiel, wie die Implementierung von Maschinen und die Automatisierung erfolgreich erfolgt ist, ist ELHA-Maschinenbau im ostwestfälischen Hövelhof. Das Unternehmen stellt Werkzeugmaschinen für die spanabhebende Metallbearbeitung her. Das familiengeführte Unternehmen stellt sowohl Automobilbauteile in Massenproduktion als auch sehr große Komponenten wie Kugellager für Windkraftanlagen her. Corona und der damit einhergehende Fachkräftemangel haben gezeigt, dass eine Automatisierung hermusste: Mit Unchained Robotics zusammen wurde eine Anlage entwickelt, sodass die Hauptmenge der Dosensenker komplett im eigenen Hause hergestellt werden kann.

 

„Unser Ziel in dieser Zusammenarbeit war es, eine weitestgehend mannlose Fertigung aufzubauen. Die Pandemie hat auch uns gezeigt, dass der Mensch ausfallen kann. Dadurch stieg der Druck auf die Automatisierung“, sagt Manfred Klösener, seit über dreißig Jahren im Unternehmen und zuständig für die Bereiche Entwicklung und Projektmanagement.

 

Früher standen die Kosten im Vordergrund der Entscheidungen. Heutzutage drängt der Fachkräftemangel nach sinnvollen Lösungen. Mit Unchained Robotics hat das Unternehmen zusammen eine Anlage entwickelt, die es nun ermöglicht, die Hauptmenge der Dosensenker komplett im eigenen Hause zu produzieren. Durch die implementierte Automatisierung kann nun viel schneller auf Teile und Mengen reagiert werden und es müssen keine Menschen mehr an der Maschine stehen. Diese stehen jetzt für andere wichtige Aufgaben zur Verfügung. Der Vorteil der Zusammenarbeit liegt auch in der räumlichen Nähe zwischen dem Start-up Unchained Robotics und ELHA. „Weitere gemeinsame Projekte sind daher auch in Zukunft denkbar, auch für ganz andere Anwendungsfälle“, so der Projektleiter.

Der Weg zur intelligenten Automatisierung

Die Implementierung intelligenter Automatisierung ist ein vielschichtiger Prozess, der strategisches Vorgehen erfordert. Der erste Schritt ist eine detaillierte Untersuchung der vorhandenen Abläufe. Darauf aufbauend wird eine maßgeschneiderte Einführungsstrategie entwickelt. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist die Vorbereitung der Belegschaft. Umfassende Schulungsprogramme, auch bezüglich Datensicherheit, gehören dazu. Die Einführung intelligenter Automatisierung ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Regelmäßige Anpassungen und Verbesserungen sind auch hier notwendig, um die Automatisierungsprozesse stetig zu optimieren und auf dem neuesten Stand zu halten.

Hier wird das modulare Konzept des MalocherBots. Mit Unchained Robotics kann man Automatisierung von S bis XL umsetzen und wie Bausteine auswählen, zusammensetzen und tauschen. (Bild: Unchained Robotics)

Best Practices: Erfolgsbeispiel Baum-Zerspanungstechnik aus der Industrie

Auch das mittelständische Unternehmen Baum Zerspanungstechnik und Werkzeugbau in Büren-Brenken musste aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels über Produktionsveränderungen nachdenken. „Zum einen war die Überlegung, alte Maschinen gegen neue zu ersetzen, zum anderen war es uns wichtig, Einzelteile, aber auch Automation, je nach Bedarf, bedienen zu können“, so der kaufmännische Geschäftsführer Thomas Baum. Dadurch, dass das Unternehmen als Zerspaner nicht weiß, was für zukünftige Aufträge an sie herangetragen werden, die neue Herausforderungen bedeuten, war es wichtig für sie nach einer multifunktionalen Lösung zu suchen. Nach einer umfangreichen Teilespektrum-Analyse wussten sie, was sie brauchen. Nun läuft der MalocherBot des Start-ups Unchained Robotics, so der Name der Maschine, im Dreischichtbetrieb, wobei die Nachtschicht komplett mannlos läuft. Der MalocherBot kann entsprechend den Bedürfnissen programmiert werden und schafft so dem Unternehmen eine neue Flexibilität. Auch hier können die raren Fachkräfte auf diese Weise entlastet und für andere Aufgaben eingesetzt werden.

Der Autor Mladen Milicevic ist Co-Founder von Unchained Robotics. (Bild: Unchained Robotics)

Über den Autor:

  • Mladen Milicevic gründete 2019 noch als Student zusammen mit Co-Founder Kevin Freise Unchained Robotics.
  • Das Paderborner Start-up bietet eine unabhängige und transparente Plattform für Automatisierungstechnik an. Die Vision: Industrieautomatisierung zu vereinfachen und zu beschleunigen, um gerade dem breiten Mittelstand einen leichten Zugang zu eröffnen.

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