Hier schlägt das Herz: Im Norden der südchinesischen 13-Millionen-Stadt Shenzhen befindet sich in einer zwei Quadratkilometer großen subtropischen Parkanlage die Unternehmenszentrale von Huawei. Schon von Weitem sieht man das gläsern-stählerne Hochhaus mit der Huawei Industrial Base. -

Hier schlägt das Herz: Im Norden der südchinesischen 13-Millionen-Stadt Shenzhen befindet sich in einer zwei Quadratkilometer großen subtropischen Parkanlage die Unternehmenszentrale von Huawei. Schon von Weitem sieht man das gläsern-stählerne Hochhaus mit der Huawei Industrial Base. - (Bild: Huawei)

Durch einen riesigen Saal mit über hundert Arbeitsplätzen, an denen zum Cloud Computing geforscht wird, geht der Weg zum Wireless X Lab. Die Mitarbeiter sind fast alle sehr jung, Kuscheltiere und einige Grünpflanzen beleben das Großraumbüro. Unter vielen Schreibtischen stehen Campingliegen.

„Unser X Lab ist nicht so groß, wie man sich das vielleicht vorstellt. Weniger als hundert Spezialisten arbeiten schätzungsweise hier. Aber wir können nicht nur auf unser weltweites Forschungsnetzwerk zurückgreifen, sondern projektbezogen auch auf tausende von Fachkräften, die bei uns arbeiten“, begrüßt uns Alex Wang Yufeng, der junge, dynamische Präsident des Wireless X Lab.

Im vergangenen Jahr war Huawei mit 2.398 Patentanmeldungen in Europa noch vor Siemens die Nr. 1. In der Huawei-Zentrale in Shenzhen ist das X Lab quasi das Herz dieser enormen Innovationen. Zwar möchte sich kaum ein Hightech-Unternehmen in seine Grundlagenforschung blicken lassen, aber der chinesische Telekommunikationsriese zeigt sich erstaunlich offen.

Wir arbeiten mit vielen Konzernen zusammen, um marktreife Anwendungen zu entwickeln. Und unsere Kunden müssen wissen, dass wir mit ihren Daten und ihrem Wissen sorgfältig umgehen, dass diese sicher sind“, erklärt Alex Wang diese Transparenz.

Die Huawei Grundlagenforschung

„Hier im X Lab machen wir die Grundlagenforschung. Dabei denken wir zunächst nicht an konkrete Anwendungen. Das X steht dafür, dass hier alle Bereiche zusammenlaufen. Die Forschungsergebnisse sollten jedoch später in möglichst allen Bereichen, in der Industrie, bei Smart Citys, beim Verkehr oder bei Privatkunden, zur Anwendung kommen. Grundlage ist die mobile Datenübertragung, die Cloud. Darin sind wir weltweit führend“, so Alex Wang.

Alex Wang, President Wireless X Lab bei Huawei
Alex Wang, President Wireless X Lab bei Huawei: „Mit diesen Systemen sind völlig neue Fabriken möglich. Es genügt eine leere Halle. Die benötigten Roboter können dann gemietet werden.“ - (Bild: Thomas Kiefer)

Bei Gesprächen in lockerer Runde führen die für Chinesen technologisch rückständigen Bedingungen in Europa immer wieder zu Erheiterung. „In London gibt es in den U-Bahnen Hinweisschilder, dass es auf bestimmten Strecken kein Internet gibt. Wirklich kein Internetempfang mitten in London! Dort sitzen dann die Leute in der Bahn und lesen Bücher und Zeitungen. In China können wir uns fast überall einloggen. Selbst die unzähligen Aufzüge werden dafür eingerichtet“, berichtet Alex Wang.

"Eine verlässliche und gute Internetverbindung ist die Grundlage für die private Nutzung, für Smart City, für vernetzte Autos und auch für industrielle Anwendungen. Oder auch für Bezahlsysteme. Seit Wochen habe ich nicht mit Geld bezahlt. Wozu auch? Zahlen mit dem Smartphone ist viel bequemer, sicherer und übersichtlicher“, so Alex Wang.

Mindestlöhne in der EU: So groß sind die Unterschiede

100 Euro Scheine

Ein Unterschied wie Tag und Nacht: Die gesetzlichen Brutto-Mindestlöhne pro Monat in diesen 22 EU-Ländern variieren enorm. Zwischen dem Gehalt des letzten und des ersten Platzes liegen Welten. Oder um es in Zahlen auszudrücken: 1.738 Euro. Zum Ländervergleich!

Labor für Zukunftstrends

Beim Aufbau des neuen ultraschnellen Mobilfunknetzes 5G liegt China an der Spitze. Danach folgen Südkorea und die USA, wie das US-Marktforschungsunternehmen Analysys Mason feststellt. Deutschland und Europa müssen sich anstrengen, um bei den Zukunftstechniken nicht den Anschluss zu verlieren.

Bereits heute dürfte Shenzhen das größte Forschungslabor für Zukunftstechnik sein. Dort treffen die IT und neue Antriebskonzepte auf die Industrie, was die praktische Umsetzung der neuen Techniken enorm beschleunigt. In Südchina forschen und produzieren nicht nur die großen chinesischen Hightech-Konzerne, sondern auch viele internationale Unternehmen wie Daimler, Siemens oder Bosch.

Immer mehr Dinge sind mit dem Internet verbunden, und die erhobenen Datenmengen zeigen gewaltige Wachstumsraten. „Wir müssen die Cloud vom Ausgangspunkt, von den Daten her denken, um die Datenflut in den Griff zu bekommen. Nur so können wir eine Cloud mit der bestmöglichen Performance und gleichzeitig den niedrigsten Kosten entwickeln“, erklärt David Wang, Huaweis Präsident Product Service, auf dem Global Analyst Summit in Shenzhen. Bei der Weiterentwicklung der Cloud gehe es Huawei als Service Provider zunächst um neue Geschäftsmodelle für die Industrie, so David Wang.

Für die Industrie möchte Hua­wei einen einfachen, sicheren und kostengünstigen Zugang zur Cloud bereitstellen. „Dabei arbeiten wir mit vielen internationalen Partnern zusammen. Mit unserem Cloudsystem für Künstliche Intelligenz (AI, Artificial Intelligence) haben wir dafür eine Basisstation entwickelt. Bislang mussten Informatiker solche Basissysteme einige Tage konfigurieren. Jetzt können unsere Kunden diese aufstellen, einschalten, und sie laufen sofort“, stellte David Wang ein selbst steuerndes Cloudsystem vor, das beispielsweise der Autokonzern PSA nutzt.

Die Cloudsysteme für die Industrie erreichen jetzt ihre Markt­reife. „Wir stehen erst am Beginn eines explosionsartigen Wachstums“, prognostiziert Eric Xu, Rotating Chairman Huawei. Bislang benutzen erst fünf Prozent der Unternehmen die Cloud, in sieben Jahren dürften dies nach den vorliegenden Prognosen 86 Prozent sein.

Huawei
Ein zweites Zuhause: Mitarbeiter bei Huawei bringen sogar Klappbetten mit ins Büro, um für die vielen Überstunden besser gerüstet zu sein. Nicht selten verbringen sie dann die Nacht im Büro. - (Bild: Thomas Kiefer)

Die Cloudsysteme für die Industrie erreichen jetzt ihre Markt­reife. „Wir stehen erst am Beginn eines explosionsartigen Wachstums“, prognostiziert Eric Xu, Rotating Chairman Huawei. Bislang benutzen erst fünf Prozent der Unternehmen die Cloud, in sieben Jahren dürften dies nach den vorliegenden Prognosen 86 Prozent sein.

Der Anfang einer neuen intelligenten Welt

Doch die neuen Systeme sollten mit Bedacht eingesetzt werden, da sie weite Teile der Arbeitsabläufe und der Unternehmensstruktur verändern. William Yu, Chefstratege von Huawei, rät Unternehmen zu einer langfristig angelegten Strategie, um die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung zu meistern.

„Wir stehen erst am Beginn einer auf Daten basierenden intelligenten Welt. Wie diese im Einzelnen aussieht, ist zwar unklar, die Richtung dagegen zeichnet sich deutlich ab. Die Richtung ist ein Konzept, eine Cloud, in der bisher unterschiedliche Bereiche wie Beschaffung, Finanzen, Personal, Produktion, Verkauf und Service in einem System verschmelzen.“

Huawei Servicecenter
Im Mitarbeiter-Servicecenter hat man viel zu tun: Allein im vergangenen Jahr gab es 35.000 Neueinstellungen. Gleichzeitig verließen jedoch 18 000 Beschäftigte den Konzern. - (Bild: Thomas Kiefer)

Das Konzept ‚China 2025‘ der chinesischen Regierung wird oft als Pendant des Konzepts der Industrie 4.0 gesehen. China 2025 ist jedoch breiter angelegt und soll alle Bereiche, soll Gesellschaft, Städte, Industrie und den einzelnen Menschen vernetzen. Dies spiegelt sich auch in der Grundlagenforschung von Huawei wider.

„Unsere Forschung im X Lab kann in sehr unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Aber auch für Anwender ist die Grundlagenforschung sehr wichtig, da von dieser Basis aus das gesamte zukünftige IT-System aufgebaut wird“, erklärt Alex Wang. „Das ist wie der Bau eines Hochhauses, man beginnt mit dem Fundament. Wenn dieses nichts taugt, kann später das ganze Haus einstürzen. Wir sind erst am Beginn unserer Arbeit. Um das Bild des Hochhauses zu nehmen: In unserem Forschungshochhaus haben wir vieleicht erst zwei Meter gebaut. Ziel ist, dass unsere Roboter zukünftig alle vernetzt und autonom arbeiten können. Das dient der Sicherheit, der Kontrolle, der Effizienz.“

Selbststeuernde Systeme sind möglich

„Drohnen beispielsweise sind aus unserer Sicht bislang keineswegs autonome Flugobjekte. Auf der Erde ist immer ein Mensch, der sie steuert und die Verantwortung übernimmt. Optimale Technik sollte das besser und sicherer machen können. Dies könnte unsere Logistik grundlegend umkrempeln. Drohnen könnten Teil einer selbst steuernden Robotereinheit sein, die von diesem Roboter-Fertigungsverbund selbstständig Anweisungen zur Lieferung von Teilen bekommt.

Ähnliche selbst steuernde Systeme sind auch bei Autos, Bussen und Flugzeugen möglich. In der Zukunft sind solche Systeme so weit ausgereift, dass wir diesen voll vertrauen können. Sie müssen daher auch sicherer werden, als die von Menschen gesteuerten Systeme. Warum muss in jedem Bus ein Fahrer sein, wenn dies die Technik besser und sicherer machen kann? Die Busse könnten mit Kameras und Sensoren ausgestattet werden, sie müssen über die Cloud mit der Zentrale verbunden sein. In den weniger als ein Prozent unerwarteter Situationen kann dann ein Mitarbeiter in die Steuerung eingreifen. Busfahrer sitzen zukünftig nicht im Bus, sondern in der Zentrale des Verkehrsbetriebs. Dafür ist aber ein absolut zuverlässiger, sicherer und leistungsfähiger Netzbetrieb, eine sichere Cloud, notwendig.“

Roboterarbeitsplätze in Wabenform

In der Industrie werden Roboter durch Künstliche Intelligenz vernetzt und können dadurch autonom arbeiten. „Als Grundstein unserer Software Demand Factory haben wir Roboterarbeitsplätze in der Form von Bienenwaben konstruiert. Dieser hier besteht aus sechs unterschiedlichen Robotern, die zusammen eine Arbeitseinheit bilden. Die Roboter könnten sich zukünftig autonom zu Werksgruppen formieren und sind durch Software selbstständig gesteuert. Je nach Arbeitsaufgabe bilden sie unterschiedliche Arbeitsplätze. Auch bei diesem System arbeiten wir mit vielen Partnern zusammen. Etwa 90 Prozent dieses selbst steuernden Systems stehen bereits, und nur 10 Prozent fehlen noch“, erklärt Alex Wang.

Huawei Mitarbeiterrestaurant
Huawei lässt sich einiges einfallen, um den Mitarbeitern das Arbeitsleben angenehmer zu gestalten: Hier ein Mitarbeiterrestaurant in einer umgebauten Eisenbahn im idyllischen Grünen auf dem Werksgelände. - (Bild: Thomas Kiefer)

„Mit diesen neuen Systemen sind völlig neue Fabriken möglich. Es genügt eine leere Halle. Die für die Fertigung benötigten Roboter können dann bei Bedarf gemietet werden. Wenn man Milch trinken möchte, braucht man keine Kuh zu kaufen, sagt man. Wenn man produzieren möchte, braucht man auch keine Maschinen und Roboter zu kaufen. Es entstehen durch diese Flexibilität völlig neue industrielle Ökosysteme, völlig neue Märkte“, so Alex Wang.

Alle 16.300 Busse in Shenzhen elektrisch

In Shenzhen fahren alle der insgesamt 16.300 Stadtbusse elektrisch. Auch die meisten Taxen haben Elektroantrieb, und für nichtelektrische Autos ist kaum noch eine Zulassung zu bekommen. „Durch den Erfolg der Elektromobilität könnte 2030 in China das Stromnetz völlig zusammenbrechen“, mahnt Alex Wang.

„Wenn alle Autofahrer abends zu einer ähnlichen Zeit zurückkommen und ihre Autos gleichzeitig aufladen möchten, sind gewaltige Energiemengen notwendig. Abgesehen davon, dass solche Mengen nicht zur Verfügung stehen, ist das bestehende Stromnetz damit überfordert. Wir müssen für die elektrische Energie völlig neue Ökosysteme schaffen, um diese Herausforderung in den Griff zu bekommen. Damit entstehen völlig neue Märkte für Energiespeicherung oder Energieübertragung. Ich schätze, dass wir in China in zehn Jahren solche Energiesysteme haben.“

"Wir sind auf einer neuen Reise"

Die größten Hindernisse bei der Umsetzung dieser neuen technologischen Verfahren sind jedoch nicht technischer Natur. „Vieles geht bereits heute, aber die Unternehmen setzten diese Neuerungen nur zögerlich um. Besonders groß sind die Widerstände in den Führungsebenen des Managements. Wer in einer Führungsposition ist, möchte dies ewig bleiben und greift daher auf die Erfolge der Vergangenheit zurück. Daher arbeiten wir gern mit Start-ups zusammen“, erklärt Alex Wang.

„Wir sind auf einer neuen Reise“, sagte Ken Hu, Huaweis Rotating Chairman. „Chancen und Herausforderungen tauchen schneller auf als je zuvor. Nur durch ständige Innovation und Offenheit können wir dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus sein. In den nächsten zehn Jahren wird Huawei die Investitionen in technologische Innovationen weiter erhöhen und jedes Jahr mehr als zehn Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investieren. Wir werden aktiv eine offene Zusammenarbeit verfolgen, Spitzenkräfte gewinnen und fördern und die Forschung intensivieren. Wir wollen alle Branchen besser in die Lage versetzen, digital und intelligent zu werden.“

Unternehmen gehört den Angestellten

„Viele Beschäftigte von Huawei haben Klappliegen an ihren Arbeitsplätzen. Das kommt daher, dass sie manchmal abends lange arbeiten und morgens früh weiterarbeiten wollen und daher am Arbeitsplatz schlafen. Der Erfolg des Unternehmens basiert darauf, dass die Beschäftigten hart arbeiten, sich mit dem Unternehmenserfolg verbunden fühlen, nicht auf Kopieren oder Billigproduktion“, so Wang Weidong, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung Botschaft der VR China, Berlin.

Woher kommt dieses enorme Engagement für das eigene Unternehmen? „Dieser Einsatz lässt sich nicht erzwingen. Wir setzen uns deshalb so für die Zukunft und den Erfolg von Huawei ein, da der Konzern uns selbst gehört und wir vom langfristigen Erfolg des Konzerns direkt profitieren“, erklärt eine Mitarbeiterin des Personal-Servicecenters in Shen­zhen. Firmengründer Ren Zhengfei überschrieb 98,6 Prozent der Unternehmensanteile an die Beschäftigten, von denen jetzt die meisten Anteilseigner an Huawei sind. „Auch der Aufsichtsrat wird von uns gewählt, dieser wählt unseren Konzernvorsitzenden, der jedoch nur eine beschränkte Zeit dieses Amt ausüben darf. Wir sind sozusagen ein demokratisches Privatunternehmen in der Hand der Beschäftigten“, ergänzt die Huawei-Mitarbeiterin sichtlich stolz.

Das Servicecenter hat viel zu tun. „Allein vergangenes Jahr hatten wir 35.000 Neueinstellungen; etwa 18.000 Beschäftigte verließen jedoch auch unseren Konzern. Die Fluktuationsrate ist aber hier in China normal, da viele Konzerne gewaltige Forschungskapazitäten aus dem Boden stampfen und um Fachkräfte buhlen.“

Daher baute der Konzern für Neueinsteiger auch moderne Wohnanlagen in gepflegten Parkanlagen, gibt es zahllose Restaurants auf dem Firmengelände und viele Freizeitangebote für die Mitarbeiter.

„China 2025 oder Industrie 4.0 macht den Menschen nicht überflüssig. Im Gegenteil: Er wird noch wichtiger, und es dürfte zukünftig noch schwerer werden, gute Fachkräfte zu bekommen“, ist die Mitarbeiterin der Personalstelle überzeugt.

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