Konzeptfahrzeug für E-Mobilität auf der IAA

Konzeptfahrzeug für E-Mobilität auf der IAA. - (Bild: IAA)

Es gibt wohl kaum ein aktuelles Konsum­gut, über das so viel Unklarheit herrscht wie das Elektroauto. Neben der Reichweitenangst ist die Unsicherheit in der Bevölkerung auch bei anderen Fragestellungen groß: Reicht unsere Stromproduktion überhaupt für den benötigten Fahrstrom? Bricht unsere Energieversorgung ab einem bestimmten Anteil von Stromautos sogar aufgrund von Überlastung zusammen? Und wie steht es um das Recycling? Doch besonders mystisch wird es bei Diskussionen rund um die Klimabilanz der Stromantriebe. Dazu tragen auch Diskussionen und Aussagen in der Fachöffentlichkeit bei, die eigentlich für Klarheit sorgen sollten.

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Stromer versus Diesel - Wer hat die bessere Bilanz?

Kürzlich sagte der neue VW-Chef Herbert Diess in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Wenn es um die CO2-Bilanz geht, wird das E-Auto mit dem Diesel in Deutschland auf absehbare Zeit nicht mithalten können. Denn die Wahrheit ist: Sie stellen nicht auf Elektro um, sondern auf Kohlebetrieb. Das liegt am Strommix.“

Doch dies ist zumindest nur teilweise zutreffend. Denn zu einem anderen Ergebnis kommt eine Studie des Bundesumweltministeriums aus diesem Som­­mer. Diese geht der Frage der Um­weltbilanz eines Elektroautos nach, wenn man nicht nur am Auspuff misst, sondern auch die Strom­bereitstellung und die Her­stel­­­lung des Autos inklusive An­triebs­batterie und Elektromotor berücksichtigt.

Das Ergebnis: Ein heute gekauftes Elektroauto schneidet im Vergleich mit verbrennungsmotorischen Fahrzeugen unter Klimagesichtspunkten besser ab – auch beim aktuellen deutschen Strommix. Gegenüber einem besonders sparsamen Dieselfahrzeug liegt der CO2-Vorteil bei 16 Prozent, bei einem modernen Benziner sind es 27 Prozent. Dieser Effekt wird sich aufgrund der Energiewende weiter verstärken. Ein Elektrofahrzeug, das 2025 neu zugelassen wird, stößt auf seinem Lebensweg 32 Prozent weniger CO2 aus als ein moderner Diesel, beim Benziner liegt die Differenz nach den Berechnungen des Ministeriums dann sogar bei 40 Prozent.

Ziel 2030: Zwei Drittel Ökostrom

Im Hintergrund steht die Entwicklung der erneuerbaren Energien. Zum Jahreswechsel werden Wind, Sonne und Co. aller Voraussicht nach einen Anteil von knapp 40 Prozent am deutschen Strommix auf sich vereinen. Für das Jahr 2030 hat die Bundesregierung die ambitionierte Zielmarke von 65 Prozent Ökostrom ausgegeben.

Grafik Energiebilanz
Lebenszyklus-Emissionen (> 150 000 km) elektrischer und konventioneller Fahrzeuge in ­Europa (2015). An diesen Stellen entstehen die Emissionen. - (Bild: e-mobil BW)

Klar ist aber auch, dass sich Elektroautos mit einer Klimabürde auf die Straßen begeben. Dies liegt am hohen Energie- und Ressourcenaufwand bei der Batterieproduktion. Markus Wolandt vom Beratungsunternehmen P3 Group bezeichnet dies als „Rucksack der Gesamtenergiebilanz“. Treiber sei dabei insbesondere die Aufbereitung von Kobalt.

Mit jedem gefahrenen Kilometer holen die Fahrzeuge mit Ladestecker dieses Starthemmnis jedoch sukzessive wieder auf. Hier kommt unter anderem die höhere Effizienz des Elektromotors ins Spiel. Während ein Fahrzeug der Kompaktklasse mit Verbrennungsmotor etwa 6 l Benzin auf 100 km verfährt, was einem Energiegehalt von etwa 65 bis 70 kWh entspricht, benötigt ein adäquates Elektroauto für die gleiche Strecke nur etwa 15 kWh in Form von elektrischem Strom.

Well-to-Wheel-Analyse betrachtet Lebenszyklus

Bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, der sogenannten Well-to-Wheel-Analyse, zeigt sich, dass Batterie-elektrische Fahrzeuge bei Verwendung des deutschen oder EU-Strommixes die Nachteile bei der Batterieherstellung im Durchschnitt nach etwa 60.000 km ausgeglichen haben. Die Zeit ist vor allem von der Größe der Batterie und damit der Menge der verwendeten Materialien wie Nickel, Graphit, Kupfer, Kobalt oder Lithium abhängig.

Ein Nissan Leaf mit einer Batteriekapazität von 40 kWh könne den CO2-Vorsprung der Verbrenner schon nach etwa 30.000 km selbst unter ungünstigen Bedingungen eingeholt haben, weiß Volker Quaschning. Dagegen kann es der Fall sein, dass ein Fahrer eines Tesla Model S, der mit einer Akku-Kapazität von 100 kWh und damit mit einer größeren Reichweite unterwegs ist, dafür schon je nach Fahrstil etwa 80.000 km hinter sich bringen muss, erläutert der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.

Klar ist jedoch, dass die Batterien den Startnachteil bei den CO2-Emissionen innerhalb ihrer Lebensdauer, die Experte Quaschning auf mindestens 160.000 km taxiert, ausgeglichen haben. Wird reiner Ökostrom verwendet, ist der benötigte Zeitraum natürlich noch einmal deutlich kürzer. Nach Angaben der dem Bundesverkehrsministerium unterstellten NOW GmbH reichen hier Jahresfahrleistungen von 1.250 km für eine positive Klimabilanz ge­genüber herkömmlichen Fahr­­zeu­­gen. Deshalb empfiehlt die ­Na­tio­nale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, die auch die Förderrichtlinien Elektromobilität sowie La­­dein­frastruktur steuert: „Erneuerbarer Strom sollte in jedem Fall die bevorzugte Ladeoption sein.“

Doch nicht nur die Klimarelevanz, sondern auch andere Umweltfaktoren müssen bei der Gegenüberstellung von Verbrennern und E-Autos differenziert betrachtet werden. Dazu zählen die Emissionen gesundheitsgefährdender Schadstoffe wie Stickoxide oder Feinstaub. Auch hier gilt es, einen Blick auf den gesamten Lebenszyklus zu werfen.

Grundsätzlich haben Elektrofahrzeuge den Vorteil des lokal abgasfreien Fahrens, was insbesondere in von Fahrverboten bedrohten Innenstädten ein Vorteil ist. Ebenso sind bei der Stromproduktion diese Schadstoffemissionen wenig relevant, da selbst Kohlekraftwerke über entsprechende Abgasreinigungsanlagen verfügen. Wie steht es aber um die Emissionsquelle Fahrzeug­herstellung? Laut der Studie des ­Umweltministeriums schneiden beim Feinstaub hier die E-Autos schlechter ab als die Verbrenner, bei den Stickoxiden liegen sie jedoch vorne.

Problemzone: Der kumulierte Rohstoffaufwand

Im Betrieb besitzt die Stromvariante neben der lokalen Emissionsfreiheit weitere Vorteile. So reduziert die Rekuperation den Abrieb der Bremse während des Bremsvorgangs und damit die Freisetzung von Feinstaub. Die Nationale Plattform für Elektromobilität (NPE) hat diesen Effekt in ihrem aktuellen Fortschrittsbericht grob abgeschätzt: Bei einer Million Elektrofahrzeugen werden demnach Feinstaubemissionen in der Größenordnung von über 30 t/Jahr eingespart.

Ein weiterer zu betrachtender Faktor ist der kumulierte Rohstoffaufwand – eine Problemzone der Elektrofahrzeuge. Für die Herstellung der Fahrzeugkomponenten werden mehr Rohstoffe gebraucht als für Benziner und Selbstzünder, so lautet zumindest das Fazit der Studie des Umweltministeriums. Produktionsfortschritte, eine höhere Materialeffizienz, der Einsatz von mehr ­erneuerbaren Energien in der Produktion und auch Recycling könnten jedoch die Rohstoff­bedarfe senken.
Bei den Antriebsbatterien sei ein solcher Trend bereits zu beobachten, so das Ministerium. Dies bestätigt auch Markus Wolandt vom Beratungsunternehmen P3: „Für E-Autos spielt vor allem das Recycling der Batterie eine entscheidende Rolle.“ Wenn dies funktioniere, seien die Umweltvorteile des E-Autos gegenüber herkömmlichen Verbrennern noch deutlich steigerbar.

Schwieriger Recycling-Prozess

Ob neue Batterie-Generationen, wie die derzeit noch im Entwicklungsstadium befindliche Fest­körperzelle, hier für eine Verbesserung sorgen, ist laut Wolandt derzeit noch schwer abschätzbar. Entscheidend werde sein, ob es möglich ist, Festkörperbatterien mit deutlich erhöhter Energiedichte im Vergleich zu heutigen Batteriezellen zu produzieren. Eine höhere Energiedichte bedeutet kleinere Batterievolumina ohne Verringerung der Reichweite des Elektroautos, was wiederum die Energiebilanz verbessert.

Doch zunächst geht es um das Recycling der aktuellen Batteriegenerationen auf Lithium-Ionen-Basis. Hier stehen Rohstoffe wie Nickel, Kupfer, Graphit, Kobalt oder Lithium im Vordergrund. Die Landesagentur e-mobil BW verweist hier darauf, dass eine Trennung der „vielen und wertvollen Metalle teilweise sehr schwierig“ ist. Ein Recycling würde heute jedoch häufig, auch aufgrund des mangelnden Kostendrucks, unterbleiben, obwohl es wie beim Lithium technisch machbar sei. Bei der NPE geht man davon aus, dass das Recycling von Traktionsbatterien zwar „perspektivisch einen Beitrag zur Rohstoffsicherung leisten kann“. Allerdings würden dem Markt erst in circa zehn Jahren größere Mengen an sekundären Rohstoffen aus dem Batterierecycling zur Verfügung stehen. „Erst dann werden höhere Stückzahlen von Altbatterien aus der Nutzungsphase zurückkommen“, heißt es im aktuellen Fortschrittsbericht der Plattform.

Doch die ersten Recyclingschritte geben durchaus Anlass zur Hoffnung. Wie die NPE berichtet, haben zahlreiche Forschungsprojekte den Hinweis erbracht, dass technisch eine Recyclingeffizienz bei den Batterien von immerhin 80 Prozent erreichbar ist. Untersucht wurde auch der Einfluss auf die Klima-Effekte. So haben eine Reihe von Forschungsaktivitäten gezeigt, wie der Lithorec-II-Prozess, dass sich die CO2-Emissionen bei der Herstellung einer Batterie aus Sekundärrohstoffen gegenüber der aus Primärrohstoffen etwa halbieren lassen.

Für ein Gesamtfazit lässt die Lebenszyklus-Analyse erkennen, wie komplex die Thematik der Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe tatsächlich ist. Professor Volker Quaschning hat jedoch für sich eine Antwort bereits gefunden: „Auch heute schon spricht die Umweltbilanz für das Elektro­auto. Lassen Sie sich nicht von den Negativmeldungen aus den Medien oder von Energiekonzernen verunsichern.“

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