Der nächste Maschinenbau-Gipfel Salon am 26. Ma 2025 beschäftigt sich mit dem Thema "Innovation im Fokus - Virtuelle Zwillinge, Kreislaufwirtschaft und die Rolle der KI"

Der nächste Maschinenbau-Gipfel Salon am 26. Ma 2025 beschäftigt sich mit dem Thema "Innovation im Fokus - Virtuelle Zwillinge, Kreislaufwirtschaft und die Rolle der KI". (Bild: MangKangMangMee - stock.adobe.com)

SEW-Eurodrive bietet den „Digital Twin as a Service“ an. Was steckt an Vorarbeiten dahinter, digitale Zwillinge in die Praxis zu bringen?

Heiko H. Füller: Der Digitale Zwilling ist ein sehr spannendes Thema bei uns. Die erste Stufe ist dabei das Building Information Modeling (BIM). Wir stellen dazu CAD-Daten für alle Produkte als Basis für den Digitalen Zwilling bereit, die dann um Echtzeitdaten aus der Produktion ergänzt werden. Hier arbeiten wir aktuell an Piloten. Bezüglich digitalen Services bieten wir beispielsweise mit DriveRadar Predictive Maintenance auf Basis der Antriebsdaten an. Der Service erfasst die Daten am Edge und verarbeitet sie in der SEW-Cloud, um Aussagen über den Zustand der Antriebskomponenten zu machen.

Die dafür notwendige Infrastruktur haben wir bei uns aufgebaut. Die Lösung ist unter anderem in der Automobilindustrie im Einsatz. Die Ergebnisse aus den Echtzeitdaten werden bei uns in der Cloud berechnet und an die Kunden zurückgespielt. Gerade bei den großen Industriegetrieben bringt der Service vor allem bei denjenigen Kunden einen sehr hohen Nutzen, bei denen markante Kosten entstehen, sollte das Produkt ausfallen.

Das gilt zum Beispiel bei großen Kränen, Rührwerken oder Brechern. Diese Getriebe bedingen häufig einen hohen Invest und werden  oft individuell für den Kunden produziert. Dementsprechend gibt es bei einem Ausfall nicht direkt einen Ersatz. Hier kann sich eine hohe Analysequalität also schnell rentieren.

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(Bild: mi-connect)

Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel Salon!

Der Maschinenbau-Gipfel ist richtungsweisend und impulsgebend für die gesamte Branche. Damit Sie nicht ein ganzes Jahr auf spannende Diskussionen verzichten müssen, laden wir Sie zu unserem Networking-Format "Maschinenbau-Gipfel Salon" mit anschließendem Catering ein – live vor Ort oder digital.

 

Der nächste Maschinenbau-Gipfel Salon findet am 26. Mai 2025 in Graben-Neudorf (Bruchsal) bei SEW-Eurodrive und via Livestream statt.

 

Das Thema: "Innovation im Fokus: Virtuelle Zwillinge, Kreislaufwirtschaft und die Rolle der KI"

 

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Heiko H. Füller, Head of Market & Analytics bei SEW-Eurodrive, ist einer der Sprecher auf dem nächsten Maschinenbau-Gipfel Salon am 26. Mai.
Heiko H. Füller, Head of Market & Analytics bei SEW-Eurodrive, ist einer der Sprecher auf dem nächsten Maschinenbau-Gipfel Salon am 26. Mai. (Bild: SEW Eurodrive.)

Welchen Nutzen können die Kunden mit dem Digitalen Zwilling erzielen? Nutzen Sie diese Datenmodelle auch selbst?

Füller: Unser Ziel ist es, den Digitalen Zwilling beispielsweise für die Optimierung und Auslegung von Getriebemotoren einzusetzen. Anhand der Applikationsdaten prüfen wir, welche Baugröße optimal zu den Anforderungen passt. Beim digitalen Zwilling geht es primär darum, dass der Kunde eine Simulation fahren kann, um vorab auszutesten, ob alles funktioniert – bevor er etwas bestellt oder wir etwas für ihn produzieren und ausliefern. Auch im Bereich AGVs (autonome Transportsysteme) für die Fabrikautomation ist es sinnvoll, Prozesse und Flüsse in der Fabrik zu simulieren. Mit Blick auf die Kunden haben wir unterschiedliche Zielgruppen.

Wir beliefern als Komponentenhersteller auch viele Maschinenbauer. Für sie ist es wichtig, den Digitalen Zwilling zum Beispiel für einen Getriebemotor zu bekommen. Allerdings wird der Maschinenbauer seinen Kunden in der Regel ein eigenes Gesamtkonzept anbieten, in dem die digitalen Modelle der unterschiedlichen verbauten Komponenten zusammengefasst werden.

Wie ist es um das Interesse und das Monetarisierungspotenzial bestellt?

Füller: Sowohl beim Digitalen Zwilling als auch bei digitalen Services wie Predictive Maintenance sollte auf jeden Fall immer eine ROI-Betrachtung für den spezifischen Anwendungsfall erfolgen. In den Bereichen, in denen der Nutzen hoch ist, lässt sich auch eine schnelle Rentabilität erreichen. Daneben zeigt unsere Erfahrung aber: Oft wird das einfach als zusätzlicher Service erwartet. Es wird schon genau gerechnet und kritisch hinterfragt.

Wir leisten ein nennenswertes Investment in das Erarbeiten der Algorithmen und den Betrieb der Infrastruktur. Wie andere Unternehmen auch, sehen wir, dass es auf Kundenseite schwierig ist und man sich sicherlich von dem Hype um datenbasierte Services wie Predictive Maintenance mehr versprochen hatte. Dennoch spielt es im Wettbewerb eine wichtige Rolle, diese Analysefähigkeiten anbieten zu können.

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Wie integriert Ihr Unternehmen KI sowohl in Produkte als auch Services und was sind die Herausforderungen?

Füller: Hier müssen wir zuerst einmal klären, was mit KI (Künstlicher Intelligenz) eigentlich konkret gemeint ist. Aktuell lassen sich die gängigen KI-Lösungen von Methoden des Machine Learning bis hin zur GenAI (generative KI)  nach wie vor primär der sogenannten schwachen KI zurechnen. Auch wenn die Large Language Models – wie etwa ChatGPT, die dem Thema KI erst die breite Aufmerksamkeit gebracht haben – den Eindruck von Intelligenz vermitteln, handelt es sich letztendlich immer noch um statistische Auswertungen und Mustererkennungen ohne kreative Problemlösungskompetenz auf menschlichem Niveau.

Die Künstliche Intelligenz nähert sich aktuell einer Umbruchphase. Aus meiner Sicht gibt es hier nach wie vor einen Hype, der aber immer mehr in pragmatische Lösungen überführt wird. Trotzdem sollte man mit Bedacht an die Umsetzung gehen. Ich nehme in der Industrie an einigen Stellen „blindes“ KI-Labeling wahr: Da sind eigentliche Automatisierungstechnologien oder intelligente Algorithmen plötzlich „KI-Integrationen“.

Eine KI ist prinzipiell ein Modell zur Lösung einer speziellen Aufgabe und hat dort ihre Berechtigung. Man kann nicht alles mit KI versuchen zu lösen, nicht zuletzt, da man sonst in eine Überautomatisierung hineinlaufen kann: Eine Herausforderung, der  wir uns in der Industrie immer wieder stellen müssen. Stattdessen sollte genau überlegt werden: Wo sind KI-Lösungen sinnvoll, wo klassische Automatisierung – und wo wird es einfach zu teuer oder zu komplex?

In Gesprächen mit Kunden stelle ich viel Euphorie fest. Aber am Ende des Tages muss der kommerzielle Nutzen erkennbar sein. Die ROI-Rechnung von KI-Projekten sollte man sich daher immer im Vorfeld anschauen. Bei SEW nutzen wir KI-Lösungen neben dem Bereich Predictive Maintenance auch für die Organisation selbst, beispielsweise für Prozessoptimierungen oder für Marktanalysen.

Wo sehen Sie denn größten Hebel für die Nutzung von generativer KI?

Füller: Wir testen etwa gerade einen Chatbot, den wir für Kundenfragen bereitgestellt haben. Zudem laufen derzeit Piloten rund um unsere Produkte. Dabei prüfen wir, wie sich zum Beispiel durch GenAI die Inbetriebnahme vereinfachen lässt. Wie kann die Übernahme von Parametern oder die Softwareoptimierung damit einfacher gestaltet werden? Wie können wir Vorschläge für andere Prozesseinstellungen als die bisher üblicherweise genutzten Settings machen? Das schnelle Durchsuchen von Dokumentationen nach gezielten Informationen ist ebenfalls ein wichtiges Thema.

Large Language Models haben ihren großen Vorteil in der menschlichen Sprachinteraktion. Das bringt uns beispielsweise bei Code-Analysen oder Code-Generierung, aber auch bei Übersetzungen eine deutliche Zeiteinsparung. Uns ist dabei wichtig, bodenständig zu bleiben. Diese Technologie ist ein Werkzeug und wir wollen sie da einsetzen, wo sie unseren Kunden und uns selbst wirklich weiterbringt –mit Sinn, Verstand und dem Fokus auf den kommerziellen Nutzen. Vorteile sehe ich auch in Hinblick auf den Fachkräftemangel. Hier bietet KI großes Potenzial: Nicht um Fachkräfte zu ersetzen, sondern um die Arbeitszeit der verbleibenden Experten effektiver und effizienter einzusetzen.

Welche Maßnahmen wurden bisher umgesetzt, um die Produkte fit für die Kreislaufwirtschaft zu machen? In welchen Bereichen sehen Sie weitere Möglichkeiten, perspektivisch die die Nachhaltigkeit der Produkte zu erhöhen?

Füller: Wir bieten beispielsweise lackfreie Aluminium-Getriebemotoren standardmäßig an, um den Materialeinsatz zu reduzieren und damit den CO2-Austoß zu verringern sowie das Recycling zu vereinfachen. Die Dokumentation gibt es digital, nicht mehr auf Papier. Beim Thema Verpackung versuchen wir, so weit wie möglich zu reduzieren. Auch biologisch abbaubare Schmierstoffe und Öle stehen im Fokus. Ebenso wird das Thema „Lebensdauerverlängerung“ bei uns diskutiert.

Unsere Motoren sind ja bereits sehr langlebig, und mit Predictive Maintenance gibt es hier sicher noch weitere Potenziale. Teilweise geben Kunden Getriebe zur Reparatur, die bis zu 50 Jahre alt sind. Es bleibt aber die Frage, wann es aus Nachhaltigkeitssicht eigentlich sinnvoller ist, ein neues Produkt zu kaufen – um beispielsweise von der Energieeinsparung bei neuen Motoren zu profitieren oder um neuen Regularien zu genügen. Wir versuchen auch, Rückführsysteme anzubieten, um durch unsere modulare Bauweise Teile wiederzuverwenden.

Wie reagieren die Kunden auf nachhaltigere Produktdesigns und was könnten die Kunden selbst zur Kreislaufwirtschaft beitragen?

Füller: Wir sehen, dass es trotz allem schwierig ist, solche Ideen in die Breite zu bringen. Zuerst besteht großes Interesse, aber wenn es konkret wird, wird doch genauer hingeschaut. So haben wir bereits 2016 einen Award für einen Einfachumrichter mit wiederverwertbarem Aluminium-Gehäuse erhalten. Trotz viel Lobes waren die Kunden sehr zurückhaltend. Wiederverwertete Gehäuseteile werden da teilweise als Qualitätsmangel empfunden. Bei den lackfreien Getriebemotoren wiederum spielt eine einheitliche Optik eine Rolle, gerade wenn sie in Anlagen verbaut sind und optisch „herausstechen“.

Das Akzeptanzproblem gibt es somit schon. Zugleich haben wir jetzt die Gesetzgebung, die uns anhält, CO2-neutraler zu arbeiten und das auch zu dokumentieren. Wir stehen da im Wettbewerb mit Ländern, die dies nicht tun. Das ist eine Herausforderung für unsere Wirtschaft: Wie können wir Umweltschutz betreiben und gleichzeitig erreichen, dass sich das auch rechnet und wir im weltweiten Wettbewerb bestehen?

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