Diskutierten zum Thema Datenräume (von links): 'Produktion'-Chefredakteur Claus Wilk, Sebastian Betzin (Generic.de Software Technologies), Moritz Pastow (Lewa) und Claus Oetter (VDMA).

Diskutierten zum Thema Datenräume (von links): 'Produktion'-Chefredakteur Claus Wilk, Sebastian Betzin (Generic.de Software Technologies), Moritz Pastow (Lewa) und Claus Oetter (VDMA). (Bild: Tobias Tschepe)

Im sturmumtosten Hochhaus München ging es im Maschinenbau-Gipfel Salon-Gespräch diesmal um Datenräume als Schlüsselkomponente der digitalen Transformation und digitaler Geschäftsmodelle. Gaia-X liegt als Blueprint weiteren Initiativen zugrunde, wie Catena-X in der Autoindustrie und Manufacturing-X für die Daten entlang der Fertigungs- und Lieferkette. Als sichere digitale Plattform ermöglichen Datenräume den kontrollierten Austausch und die vertrauensvolle gemeinsame Nutzung von Daten zwischen Unternehmen.

Moritz Pastow, Project Manager, bei Lewa, einem Hersteller für industrielle Pumpen, Systemen und Dosieranlagen zur Flüssigkeitsdosierung, betrachtet das Thema Datenökonomie aus dem Blickwinkel der Systemtheorie. Es sei zunächst wichtig zu schauen, wie ein System mit seinen Subsystemen aussieht, also beispielsweise ein Konzern mit mehreren Entitäten wie Fabriken, Produktionslinien und am Ende der Maschinenebene.

„Für uns als Pumpen- und Komponentenhersteller ist spannend, in welchem Teilsystem unser Spielfeld liegt. Das ist auf jeden Fall im Prozess an der Maschine, aber auch schon im Prozessverbund. Was passiert vor und nach der Pumpe, was passiert in der Fabrik und ist man möglicherweise noch in einer übergeordneten Instanz unterwegs, wenn es ein zentrales Monitoring gibt?“, führte Pastow aus. Für Lewa sei sehr wichtig zu entscheiden mit welcher Lösung im Rahmen der Datenökonomie auf welchem Spielfeld gespielt wird.

Vor dem Datensammeln Mehrwerte definieren

Auch nach Erfahrung von Sebastian Betzin, CTO beim Software-Entwicklungshaus Generic.de AG aus Karlsruhe, ist das mit Blick auf die Datenökonomie eine zentrale Frage. „Man muss vom Kunden, also vom Ende her denken. Viele Unternehmen haben im Rahmen von Industrie 4.0 damit angefangen, einfach Daten zu sammeln, weil es hieß, Daten sind das neue Gold. Das ist aber der falsche Ansatz: Ich muss überlegen: Was mache ich damit, in welchem Bereich will ich eine Verbesserung einführen – an der Maschine, in meinem Prozess oder im Prozess des Kunden?“, konstatierte Betzin.

Die grundsätzliche Überlegung sollte also immer darin bestehen, wie sich mit umliegenden Daten und dem Anzapfen von unterschiedlichen Datentöpfen Mehrwerte schaffen lassen könnten, die ein Player allein nicht heben kann. „Dann kann ich überlegen, welche Daten ich links und rechts noch brauche und wie ich sie verheiratet bekomme“, so Betzin.

Hinter datenbasierten Geschäftsmodellen steht immer die Frage, wie viel Wissen über die Prozesse beim Kunden vorhanden ist. Doch wie gut ist der Maschinen- und Anlagenbau in seiner Breite darin, die Probleme seiner Kunden zu verstehen?

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(Bild: mi-connect)

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Daten: Im Austausch ist noch Luft nach oben

Prof. Claus Oetter, Geschäftsführer des Fachverband Software und Digitalisierung und Leiter der Abteilung Informatik beim VDMA, sieht das optimistisch: „Wir haben sehr viele Einzelmaschinen mit Stückzahl eins: Das ist nur in enger Bindung mit meinem Kunden zu schaffen. Allerdings werden nicht immer alle Möglichkeiten integriert und Ideen ausgetauscht, um Neues zu schaffen“.

Oft fehle es an Kommunikation, weil Kunden ihre Ideen nicht äußern, da die Umsetzung unklar erscheint. Hier seien Projekte notwendig, wo Maschinenbauer, Kunden und Softwarehäuser zusammen ein gemeinsames Verständnis entwickeln. „Die Verbindung zum Kunden ist gut, aber wenn wir es uns mit der Brille der Datenökonomie anschauen, können wir noch mehr Schätze heben“, so Oetter.

Nicht ganz so rosig sieht das Sebastian Betzin. Zwar sei der deutsche Maschinenbau sehr gut darin zu verstehen, wie ein Produkt aussehen soll. Doch nach der Inbetriebnahme höre der Austausch oft auf. „Bei der Frage, was während des Lebenszyklus noch optimiert werden kann, trennt sich die Spreu vom Weizen: Es kann nicht jeder datentechnisch herausarbeiten, wie die Maschine benutzt wird. Hier kann der Maschinenbau noch besser verstehen, wo die Probleme des Kunden in seinem Prozess liegen“, ist sich Betzin sicher.Auch Moritz Pastow sieht hier eine Grauzone. Der Maschinenbau könne die Kundenprobleme lösen, doch nicht immer würden diese auch artikuliert.

Praxisbeispiel: Spezialwissen digital monetarisieren

Pumpenspezialist Lewa hat gemeinsam mit Software-Partner Generic eine Überwachungslösung für Membrandosierpumpen gebaut. Die Zusammenarbeit war über den VDMA zustande gekommen, der eine Liste potenzieller Software-Partner erstellt hat.

Die Herausforderung für Lewa: „Es reicht nicht, nur die Daten zu erfassen, weil sie dem Kunden so nichts bringen. Deshalb haben wir eine Diagnoseschicht eingezogen, die ‚on the fly‘ die Diagnostik macht“, so Pastow. Sensorwerte werden als Kennwerte live an der Pumpe berechnet und beispielsweise Prädiktionen gefahren. In den Diagnose-Algorithmen steckt das Pumpenwissen aus den letzten 70 Jahren, unter anderem komplexe mathematisch-statistische Verfahren, die bisher nur im Labor, aber nicht im Feld angewendet wurden.

Salopp gesagt: In der kleinen Box steckt praktisch ein Entwicklungsingenieur, der Feedback gibt. Für Pastow war ein wesentlicher Erfolgsaspekt die agile Herangehensweise, die man seit diesem Projekt auch breiter verwendet. Klassisch nach Lastenheft funktioniere schlicht nicht.

„Es war interessant, weil wir eine Vielzahl von Baustellen beim Projektstart gar nicht auf dem Schirm hatten“, erinnerte sich Moritz Pastow. Dazu gehörten etwa Herausforderungen bei der Hardware- und Softwareintegration und die Tatsache, dass die Lösungen überwiegend in schwer zugänglichen Umgebungen wie Ölplattformen laufen, an denen es kein Internet für IoT-Lösungen gibt.

Darüber hinaus ist das Klientel aus der Prozessindustrie nicht daran interessiert, Prozessdaten auszuleiten, denn Pumpendaten können schnell sehr viel über produzierte Mengen aussagen.

Monetarisierung braucht eine verständliche

Es sei schnell klar gewesen, dass die Cloud hier keine universelle Lösung sei, stattdessen werden Daten über unterschiedliche Protokolle und Schnittstellen ausgeleitet, auf Wunsch in eine rein lokale Storage-Lösung. Datenräume können in solchen Szenarien helfen, zum Beispiel zusätzliche Beratungsleistungen gangbar zu machen. Oft sind auch mit anonymisierten Betriebs- und Predictive-Maintenance-Daten dennoch wertvolle Erkenntnisse abzuleiten.

Besonders wichtig ist laut Pastow, eine gute „Story Line“ zu entwickeln, die der Kunde versteht. Im Fall von Lewa lautet sie: Wir können mit der Diagnostik die Pumpe zum Sensor für eine ganze Anlage machen. Tatsächlich sei die Vernetzung der Systeme im Prozessverbund noch wenig fortgeschritten. Innerhalb des Datenökosystems könne man sehen, was vor und nach der Pumpe passiert und beispielsweise Aussagen über die Rohrleitungen treffen, Stichwort Preventive Maintenance.

Man habe das Produkt als „Smart Factory ready“ positioniert, es könne im Ökosystem partizipieren, Input einbringen und auslesen. Für die Kunden ergibt sich nicht zuletzt über einen Datenraum die Möglichkeit, gerade auch Nachhaltigkeitsdaten zusammenzuführen und das Reporting zu vereinfachen.

Wem die Daten gehören

Eine typische Problemstellung in Datenprojekten ist die Frage, wem die Daten gehören. „Die Daten gehören dem Kunden, sonst kämen wir in der Prozessindustrie nicht an die Daten heran“, berichtet Pastow. Der Kunde entscheidet jeweils, ob sie nur lokal gespeichert oder weiter ausgeleitet und über einen remoten Service zum Beispiel in einen Datenraum ausgeleitet werden.

„Mit dem Data Act, der ab September 2025 in Kraft tritt, wurde beschlossen, dass die Daten dem Nutzer gehören: Das steht dem gesamten Maschinenbau bevor. Der Betrieb, dem die Daten gehören, kann sie entweder zurückleiten oder sogar einen Drittanbieter einbeziehen“, erklärte Oetter.

Könnten sich damit potenziell Intermediäre zwischen Maschinenbauer und ihre Kunden setzen, wollte Moderator und Produktion-Chefredakteur Claus Wilk wissen. Oetters Antwort: Das könne passieren, auch hier komme es sehr auf die Kundenbeziehung an. Datenräume bieten in diesem Kontext einen guten Ansatz, damit alle gemeinsam auf Augenhöhe und mit gesicherter Datensouveränität von Daten profitieren können.

Fazit: Mit Datenräumen die nächste Ebene erreichen

Im Automotive-Bereich mit seiner hierarchisch geprägten Wertschöpfungskette fällt die Transformation in Richtung Datenraum vielleicht leichter. Für Claus Oetter ist der Nutzen für den Maschinen- und Anlagenbau jedoch ebenso relevant, auch wenn die Branche deutlich kleinteiliger und komplexer aufgestellt ist. Industrie 4.0 habe die Grundlage gelegt, um heute wichtige Daten ausleiten zu können. Doch jetzt gelte es, mit Datenräumen die nächste Ebene zu erreichen.

In Manufacturing-X ist bereits eine Vielzahl von Initiativen aktiv. Es gelte nun, sich vorzubereiten, um an Datenräumen teilhaben zu können. Dazu braucht es nach Erfahrung von Pastow dringend Personen im Management, die diese Innovation vorantreiben.

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