"Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten ist eine der wichtigsten Herausforderungen", sagt Daniel Stengel.

"Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten ist eine der wichtigsten Herausforderungen", sagt Daniel Stengel. (Bild: Gorodenkoff - stock.adobe.com (Symbolbild))

Herr Stengel, das abgelaufene Jahr 2022 war geprägt von diversen Krisen, die auch Top-Fertigungsunternehmen spürten und nach wie vor spüren. Ist der jetzt 31. Durchgang der Fabrik des Jahres deswegen ein Ausnahme-Wettbewerb?

Daniel Stengel: Sicherlich waren die aktuellen Krisen eines der beherrschenden Themen beim diesjährigen Wettbewerb, wobei sich die Unternehmen in den vergangenen Jahren konstant mit Krisen auseinandersetzen mussten: angefangen mit den Covid-Shutdowns über Supply Shortages bis hin zum Krieg in der Ukraine, den daraus resultierenden Supply Chain Disruptionen und dem Energiepreisschock. Der diesjährige Wettbewerb zeigt aber auch, dass die führenden Unternehmen schon vorausschauend die richtigen Maßnahmen angegangen sind. Sie sind in der Lage, sich mit ihrer hochqualifizierten Mannschaft in Kombination mit agilen Prozessen sehr schnell auf Disruptionen einzustellen und schaffen es zum Teil sogar die Krisen als Chance zu nutzen.

Daniel Stengel ist Director bei der Unternehmensberatung Kearney und Projektleiter des "Fabrik des Jahres"-Wettbewerbs.
Daniel Stengel ist Director bei der Unternehmensberatung Kearney und Projektleiter des "Fabrik des Jahres"-Wettbewerbs. (Bild: Kearney)

Gerät das Thema Operational Excellence durch die vielen Probleme in den Hintergrund oder ist die Produktion gerade deswegen der Schlüssel zum Unternehmenserfolg?

Stengel: Die effiziente und flexible Produktion ist und bleibt einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren der Unternehmen. Die Wichtigkeit und auch die Wahrnehmung der Produktion als Erfolgsmotor hat in den letzten Jahren unserer Erfahrung nach sogar noch zugenommen. Erst wenn etwas mal nicht mehr funktioniert oder auch über längere Zeit in den Medien diskutiert wird, wird der breiten Bevölkerung die Relevanz wieder bewusst.

Operational Excellence ist gerade in Zeiten steigender Kosten für Ressourcen und Mitarbeiter der wesentliche Stellhebel, um profitabel zu bleiben. Hohe Energie- und Transportpreise erlauben nicht mehr nur einseitig mit niedrigen Faktorkosten in Low Cost Countries den Herausforderungen der Märket zu begegnen. Effiziente Prozesse gepaart mit innovativen Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen ermöglichen jetzt und in der Zukunft eine wettbewerbsfähige Produktion in der Nähe der Kunden.

Fabrik des Jahres

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(Bild: SV Veranstaltungen)

Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.

 

Nutzen Sie Ihre Chance und melden Sie sich jetzt zum Wettbewerb an! Weitere Informationen zum Wettbewerb gibt es auf der Website der Fabrik des Jahres: Hier klicken!

 

Mehr zu den diesjährigen Siegerwerken lesen Sie hier!

 

Hören Sie sich auch die Podcast-Sonderfolge zur Fabrik des Jahres an. Johann Kraus von Rohde & Schwarz erklärt darin unter anderem, wie auch Ihr Werk gewinnen kann. Hier kommen Sie zu Industry Insights!

Lassen sich aus den Bemühungen der Siegerwerke Trends ableiten?

Stengel: Aus dem diesjährigen Wettbewerb lassen sich drei Trends ableiten.

  • Erstens: Eine resiliente Supply Chain. Führende Unternehmen kennen ihre Supply Chain über mehrere Ebenen im Detail. Diese Transparenz in Kombination mit externen Informationen wie zum Beispiel Wetterdaten oder Marktprognosen erlaubt es diesen Unternehmen, unter Zuhilfenahme von Big Data Analytics, Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Schnelle interne Entscheidungsprozesse sind hierfür allerdings unumgänglich. Des Weiteren gehen diese Unternehmen verstärkt Partnerschaften mit Lieferanten auf Augenhöhe ein. Auch das Produktions- und Lieferantennetzwerk wird unter Resilienzgesichtspunkten neu bewertet und wo nötig auch angepasst. Zum Beispiel werden hier zum Teil eher regionale Versorgungsnetzwerke favorisiert.
  • Zweitens: Nachhaltigkeit. Nachdem das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren aufgrund der Herausforderungen durch die Corona Pandemie und die Supply Chain Disruptionen ein wenig an Momentum verloren hatte, nimmt es nun wieder Fahrt auf. Die Teilnehmer ziehen zum Beispiel bei Investitionen mittlerweile auch Nachhaltigkeitskriterien in Betracht.
  • Drittens: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten ist eine der wichtigsten Herausforderungen jetzt und in der absehbaren Zukunft. Hier zeigt sich, dass die führenden Unternehmen durch die Kombination einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen in der Lage sind, sich dem allgemeinen Trend entgegenzustellen. Sie bieten attraktive und zukunftssichere Arbeitsplätze, gewähren Freiheiten, zeigen sich flexibel, fördern und bieten Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten und schaffen es so, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Unternehmern und dessen Zielen identifizieren.
Bei der Fabrik des Jahres wird durch die "Startup Challenge" auch das beste Start-up prämiert. Im Bild: Daniel Stengel mit Hayri Göcke von Gestalt Robotics, dem besten Start-up 2021.
Bei der Fabrik des Jahres wird durch die "Startup Challenge" auch das beste Start-up prämiert. Im Bild: Daniel Stengel (links) mit Hayri Göcke von Gestalt Robotics, dem besten Start-up 2021. (Bild: Anna McMaster)

Rational mit seinem Landsberger Werk steht zum wiederholten Male oben auf dem Treppchen. Was ist das Geheimnis, Weltklasseleistungen auch über einen langen Zeitraum abliefern zu können?

Stengel: Das Team von Rational versteht es in besonderer Weise sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das Leitbild des Unternehmers im Unternehmen fordert alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, selbständig und eigenverantwortlich zum Unternehmenserfolg beizutragen. Auch hat sich Rational schon frühzeitig auf seine Kernkompetenzen wie zum Beispiel Laserschweißen Montage konzentriert. Bei seinen Lieferanten setzt Rational auf langfristige, partnerschaftliche Zusammenarbeit. Die Ausbildung von jungen Talenten und die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter sind das Fundament, auf dem der Unternehmenserfolg ruht und genießt dementsprechend hohe Priorität.

Wenn Sie einen Blick auf das gesamte Teilnehmerfeld werfen: Wo steht die deutsche Fertigungsindustrie im Vergleich zu anderen Industrienationen?

Stengel: Die führenden Unternehmen stehen sehr gut da. Sie haben es geschafft, die Herausforderungen der letzten Jahre zu meistern, haben ihre Prozesse angepasst und gehen jetzt gestärkt in die Zukunft. Wir sehen aber auch, dass es eine Vielzahl von Unternehmen gibt, die noch nicht auf diesem Level angekommen sind und die dringen ihre Hausaufgaben machen müssen. Das fängt bei der Digitalisierung an, geht über die Mitarbeitergewinnung und -entwicklung, Innovation, Supply Chain Resilienz, Lieferantenmanagement und hört bei dem Thema Nachhaltigkeit noch lange nicht auf.

Podcast: Lisa Reehten (Bosch Climate Solutions) über Nachhaltigkeit im Maschinenbau

Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ bestimmt oftmals die Diskussion, auch wenn das Wort selbst ja nur eine Hülle für alle möglichen Aktivitäten ist. Was bedeutet Nachhaltigkeit in Zusammenhang mit der Industrie und was zeigen unsere Siegerwerke hier?

Stengel: Das Thema Nachhaltigkeit ist in den Unternehmen angekommen. Das zeigt nicht zuletzt unsere Studie, die wir Anfang 2022 veröffentlicht haben. 100 Prozent der befragten Unternehmen haben bestätigt, dass das Thema Nachhaltigkeit bereits seinen Weg in die Produktionsstrategie der Unternehmen gefunden hat. Interessant hierbei war: Die gesetzten Ziele richten sich vor allem auf die Nachhaltigkeitsdimension „Planet“, also auf die ökonomische Verantwortung.

Wo es noch Nachholbedarf gibt, ist in der Operationalisierung der vom Management ausgegebenen Nachhaltigkeitszielen. Hier reden wir nicht nur von Energiesparen. Dies ist spätestens seit dem Energiepreisschock ein Thema, an dem auf allen Ebenen mit Hochdruck gearbeitet wird. Nachhaltigkeit ist weiter gefasst. Wie beziehe ich zum Beispiel Nachhaltigkeitskriterien in meiner Lieferantenauswahl ein, um auch meine Scope 3 Emissionen zu reduzieren und welche Kompromisse bin ich bereit gegebenenfalls einzugehen, wenn nachhaltige Rohstoffe zum Beispiel höhere Einkaufspreise zur Folge haben.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der soziale Aspekt von Nachhaltigkeit. Wie begeistere ich junge Menschen in meinen Unternehmen zu arbeiten und wie schaffe ich es Talente langfristig an mich zu binden und kontinuierlich weiterzuentwickeln, um auch in Zukunft die richtigen Mitarbeiter an Bord zu haben.

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Frau hält ein Tablet in der Hand und wählt auf dem Display Beiträge aus, die außerhalb des Tablets virtuell angezeigt werden
(Bild: mi connect)

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