Ein Mann mit Schutzmaske, davor steht "Sars CoV 2" geschrieben.

Die Auswirkungen des Coronavirus sind in China noch deutlich spürbar. - (Bild: Pixabay)

Die Mitarbeiter kennen ihre Führungskräfte nur im Anzug. Doch jetzt müssen auch sie Gabelstapler fahren und stehen mit ölverschmierten Händen im Werk. Nein, das ist keine Szene einer TV-Show, sondern Realität in einigen chinesischen Betrieben. Weil die Mitarbeiter, die sonst die Maschinen betreiben, aufgrund des Coronavirus nicht zur Arbeit reisen können, packen nun die lokalen Führungskräfte mit an.

Diese Szene sei ihm nun schon öfter berichtet worden, sagt Lutz Berners im Gespräch mit PRODUKTION. Er ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Berners Consulting, die unter anderem in China tätig ist. Berners selbst wäre momentan eigentlich auch in China. Doch die Folgen des Coronavirus hindern ihn daran.

Blick nach China: Das sind die Auswirkungen des Coronavirus

Er halte das persönliche Gesundheitsrisiko für sehr gering, aber: Der Handlungsspielraum in China sei sehr eingeschränkt. Eigentlich hätte Berners in der Volksrepublik acht Lieferanten besucht. Aber: Wenn er während der Reise sich doch mit dem Coronovirus angesteckt hätte, wären nach momentanem Stand alle acht Betriebe vorläufig geschlossen worden. Die Lieferkette seiner Kunden wäre damit unterbrochen worden. Die Konsequenz: Statt Berners reist nun eine Kollegin zu den Lieferanten. Allerdings besucht sie jeden Betrieb einzeln und mit einem Abstand von 14 Tagen.

Auch die Quarantäneregelungen sind weiter spürbar, berichtet Georg Stieler, Managing Director von Stieler Enterprise Management Consulting in Shanghai. „Je nachdem, von wo man einreist, muss man in Shanghai erstmal zwei Wochen in Quarantäne und zweimal am Tag Fieber messen“, sagt er. In Peking sei es egal, von wo man komme. Dort gelte die Regel für jeden. „Passagiere werden dort teilweise in Zweiergruppen aus dem Flugzeug begleitet“, erzählt der Managing Director.

Er ergänzt: „Angesichts der schrecklichen Filmaufnahmen und Nachrichten, die ich aus Wuhan gesehen und gehört habe, halte ich die Maßnahmen für absolut angemessen.“ Seine Mitarbeiter haben vier Wochen lang von zu Hause aus gearbeitet.

Coronavirus: Masken- statt Autoproduktion

Not macht außerdem erfinderisch: Berners sagt, dass einige Unternehmen der Automobilbranche nun auch Masken und Desinfektionsmittel herstellen. Darüber berichtet auch die Zeitung ‚China Daily‘. Nach Einschätzung des Branchenverbands China Passenger Car Association (PCA) wird sich der chinesische Automarkt in diesem Jahr aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs deutlich schwächer entwickeln, als erwartet. Das berichtet die Deutsche Presseagentur (Dpa).

Der Generalsekretär des PCA rechnet für 2020 mit einem Absatzrückgang um acht Prozent. Ende Dezember 2019 erwartete der Verband noch ein Wachstum von einem Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Automarkt in China im Februar deutlich zusammengebrochen: Laut PCA sank der Absatz gegenüber dem Vorjahresmonat um 80 Prozent.

Insgesamt verbessere sich die Lage in China aber, sagt Berners. Allerdings sei das von Region zu Region unterschiedlich. Oft sehe die Realität anders aus als auf dem Papier. Ein Beispiel: Ein chinesischer Kollege von Berners soll eigentlich in Ostchina ein Unternehmen mit aufbauen. Er sei aber weiterhin bei seinen Eltern in Westchina, berichtet Berners. Zwar seien die Reisebeschränkungen aufgehoben, der betroffene Mitarbeiter komme aber trotzdem nicht von A nach B.

Blick nach Deutschland: Maßnahmen für betroffene Unternehmen

Ein anderes Bild hat Managing Director Stieler Anfang März während einer Dienstreise in den USA festgestellt: Dort wirke die Situation entspannt. Er gehe allerdings davon aus, dass es eine enorm hohe Dunkelziffer gebe, weil bisher zu wenig getestet wurde. In Deutschland werde die Situation nicht ernst genug genommen, sagte Stieler Ende vergangener Woche gegenüber PRODUKTION.

Derzeit sind in der Bundesrepublik mehr als 1.100 Coronavirus-Fälle bestätigt, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, bei einer Pressekonferenz. Insgesamt seien 198 Landkreise und 15 Bundesländer (Stand: 9. März) betroffen.

Neben hygienischen und medizinischen Maßnahmen, wird nun auch vermehrt über Hilfen für Firmen gesprochen. Einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) geht hervor, dass jedes zweite Unternehmen in Deutschland aufgrund des Coronavirus mit einem Umsatzrückgang rechnet. Mehr als 10.000 Betriebe nahmen an der Umfrage teil. Mehr als zehn Prozent erwarten sogar einen Umsatzeinbruch von über zehn Prozent.

Hilfe für die Wirtschaft: Das fordert DIHK-Präsident Schweitzer

DIHK-Präsident Eric Schweitzer fordert nun in einer Pressemitteilung „schnell wirksame Sofortmaßnahmen“. Diese Hilfen fangen nicht nur die Betriebe auf, so Schweitzer, sondern seien auch ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft.

Sinnvolle Maßnahmen seien unter anderem Stundungen von Steuern, Sozialabgaben und einen raschen Zugang zu Überbrückungshilfen wie Kurzarbeitergeld und Liquiditätsmitteln. „Wichtig ist, dass Unternehmen zeitnah und unbürokratisch unterstützt werden“, so Schweitzer. Man rede hier eher von Tagen, als von Wochen oder Monaten. Denn: Wenn Messen und Dienstreisen zur Geschäftsanbahnung ausfallen, bremse das in der Folge auch die Auftragseingänge, erklärt der DIHK-Präsident.

Maschinenbau: Sonderregelungen in der Kurzarbeit?

Auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fordert eine temporäre Unterstützung für die Betriebe. VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann erklärt in einem Statement: „Das Corona-Virus ist ein nicht vorhersehbares Ereignis, dessen Schäden, ähnlich wie bei einer Naturkatastrophe, kaum abgeschätzt werden können.“

Der Maschinenbau benötigt Brodtmann zufolge Sonderregelungen in der Kurzarbeit, also eine sofortige Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld auf 24 Monate und eine vollständige und bedingungslose Erstattung der vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung. Schnelle und unbürokratische Überbrückungskredite schlägt Brodtmann als weitere Hilfe vor.

Coronavirus: Koalition spricht über Sofortmaßnahmen für Unternehmen

Die Koalition von Union und SPD hat bereits erste Vorschläge erörtert.  So soll zum Beispiel die Schwelle, ab wann es Kurzarbeitergeld gesenkt werden, berichtet die Dpa. Bisher gab es Kurzarbeitergeld, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaft eines Betriebs von erheblichem Arbeitsausfall betroffen ist.

Auch über Liquiditätshilfen, Bürgschaften und Steuerstundungen sei gesprochen worden, schreibt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf Twitter.

Auch Unternehmensberater Berners hält Änderungen zur Kurzarbeitsregelung für sinnvoll, da es seiner Ansicht nach in absehbarer Zeit zu größeren Problemen in der Automobilzulieferung kommen wird. Auch bei Handys sieht Berners Lieferschwierigkeiten.

Nicht die deutsche, auch die chinesische Regierung will Unternehmen helfen: Berners erklärt, dass China bereits als Folgen des Handelskriegs mit den USA Maßnahmen beschlossen hatte, die nun umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten sowie die automatische Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen.

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