Frau Ulbricht, gerade in den vergangenen Tagen, als Facebook und Twitter den Account von Donald Trump gesperrt haben, hat sich gezeigt: Die Rolle von Social Media wird immer wichtiger. Kann man deshalb sagen, der größte Fehler von Unternehmen ist es, nicht auf den Plattformen präsent zu sein?
Theresa Ulbricht: Social Media ist einfach der neue Zeitgeist. Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem neuen Kunden, der mich gefragt hat: „Frau Ulbricht, meinen Sie, dass sich das mit diesem Social Media durchsetzt?“. Ich habe ihm dann erklärt, dass die digitale Welt immer mehr voranschreitet und die sozialen Netzwerke sich vielleicht transformieren, aber auf jeden Fall weiter etablieren werden. Gerade in Corona-Zeiten hat es sich gezeigt, dass es nicht reicht, wenn eine Firma zum Beispiel nur eine kleine Facebook-Präsenz hat, das Profil aber eigentlich brachliegt. Diese Betriebe haben dann im Frühjahr während des Lockdowns auch keine neuen Kunden gewonnen.
Was sind denn für Unternehmen die Vor- und Nachteile bei einer Social-Media-Präsenz?
Ulbricht: Social Media ist eine Präsentationsfläche, bei der man im Vergleich zu einer Printanzeige mit relativ wenig Budget eine große Reichweite erzielen kann. Wenn man dann in die Tiefe der Materie geht, sieht man zwar, dass man zum Beispiel die Facebook-Reichweite gar nicht mehr organisch erhöhen kann, da die Plattform immer mehr monetarisiert wird. Um ein Budget kommt man hier nicht rum. Aber zu Beginn sind die sozialen Netzwerke relativ kostengünstig. Ein weiterer Vorteil ist der direkte Kundenkontakt. Man bekommt sofort Feedback, was funktioniert und was nicht.
Was oft unterschätzt wird, ist der hohe Zeitaufwand. Es reicht nicht, einfach nur Content auszuspielen. Unternehmen müssen auch interagieren, sei es mit Kunden oder anderen Firmen.
Wenn ein Unternehmen sich jetzt genauer mit seiner Social-Media-Strategie beschäftigen möchte, gibt es dann ein Medium, bei dem Sie sagen, da sollte man auf alle Fälle präsent sein?
Ulbricht: Auf welcher Plattform die Betriebe am besten vertreten sind, hängt davon ab, was sie mit dem Online-Auftritt erreichen wollen und wer die Zielgruppe ist. Wenn eine Firma durch Social Media zum Beispiel neue Azubis für sich begeistern möchte, dann würde ich nicht auf Facebook setzen, weil die 15- bis 18-Jährigen da nicht mehr aktiv sind, sondern eher auf Tiktok und Snapchat. Statt in dem Fall dann teuer eine Zeitungsanzeige zu schalten, die dann oft nur die Oma sieht, kann auf diesen Plattformen die Zielgruppe direkt angesprochen werden.
Raten Sie Ihren Kunden dann auf einem oder gleich mehreren Plattformen aktiv zu sein?
Ulbricht: Ich sage immer: Man kann nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man ein globales Unternehmen wie BMW ist, das mehrköpfige Teams hinter ihren verschiedenen Social Media Kanälen sitzen hat oder ob man ein kleines Unternehmen ist. Bei Mittelständlern rate ich immer dazu, lieber eine Plattform richtig zu bespielen, als alles auf einmal zu versuchen.
Das ist Expertin Theresa Ulbricht
Theresa Ulbricht ist Gründerin und Leiterin der Digitalagentur „Kulturmadame.“. Unter diesem Namen hat sie auf Instagram auch einen eigenen Kanal über Kulturthemen. Mit „Kulturmadame.Coaching“ gibt sie Social-Media-Kurse für Selbstständige und Unternehmen und übernimmt je nach Kunde auch die komplette Social-Media-Betreuung. – Bild: Theresa Ulbricht
Welche Plattform eignet sich dann für welche Zielgruppe?
Ulbricht: LinkedIn und Xing sind die klassischen Business-Netzwerke. Die Themen und der Content sind da ganz anders aufbereitet als zum Beispiel bei Instagram. Twitter unterscheidet sich schon allein von der Art des Postens von dem Bilder-Netzwerk Instagram. Die „klassischen“ sozialen Netzwerke sind in unserer Region Facebook und Instagram. Auf Tiktok und Snapchat sind eher die jüngeren ab 14 Jahren.
Bei der Zielgruppenbestimmung ist es einfach wichtig, immer wieder Rückfragen zu stellen und die Community zu fragen, was für sie interessant ist. Bei mir hier in Bayerisch Schwaben ist die Generation 45+, die eine große Kaufkraft hat, richtig aktiv auf Facebook. Und das sind die Entscheider und Firmenchefs, die ich dann dadurch erreichen kann. In anderen Regionen kann aber auch eine andere Plattform präsenter sein.
Man muss also immer abwägen und auf die Zielgruppe schauen: Wer gehört zur Zielgruppe? Wo wohnt sie? Wo ist sie aktiv? Wie alt ist sie? Das zeigt sich ja zum Beispiel schon direkt an der Kommunikationsart: Die Generation ab 45 Jahren ruft lieber an oder weiß noch, was ein Fax ist. Meine Generation schreibt eine E-Mail. Die jüngeren wollen dagegen über Whatsapp oder Messenger kommunizieren, weshalb es für sie wichtig ist, dass es auch einen Messenger-Button gibt.
Leitfragen für Zieldefinition
„Längst ist ‚Social‘ vom Hype zum Standard geworden – Unternehmen, die nicht via Facebook, Twitter, Xing oder Linkedin erreichbar sind, rufen nicht mehr nur bei Digital Natives Stirnrunzeln hervor“, schreibt Bitkom-Präsident Dieter Kempf im Vorwort des Social-Media-Leitfadens des Verbandes. Das Paper beschäftigt sich auch mit der Zieldefinition für einen Online-Auftritt.
Die Autoren raten Unternehmen, sich beim Thema Ziele der Social-Media-Präsenz mit folgenden Fragen zu beschäftigen:
- Was möchte das Unternehmen mit Sozialen Medien erreichen?
- Wer soll erreicht werden?
- Welche internen Ressourcen braucht das Unternehmen, um die Strategie umzusetzen?
- Braucht das Unternehmen externe Unterstützung?
- Welche Prozesse müssen geschaffen bzw. angepasst werden, um die Strategie umzusetzen?
- Welche Botschaften sollen vermittelt werden?
- Welche Inhalte müssen dafür erstellt werden?
- Anhand welcher Kennzahlen soll der Erfolg gemessen werden?
- Welche Technologie-Lösungen sind hilfreich, um die Ziele zu erreichen?
Daneben rät der Verband den Unternehmen, den Ist-Zustand in den Bereichen zu analysieren, die sich mit Social Media beschäftigen sollen, also zum Beispiel die Marketingabteilung. Folgende Punkte sind bei der Analyse wichtig:
- bestehende Kommunikationskanäle
- vorhandene Budgets
- personelle Ressourcen
- mögliche interne und externe Hindernisse
Wenn ein Betrieb sich jetzt mit seiner Social-Media-Strategie beschäftigt: Was sind die wichtigsten Schritte?
Ulbricht: Als erstes muss, wie schon gesagt, die Zielgruppe definiert werden. Dann ist es wichtig, auf der ausgewählten Plattform täglich zu interagieren. Das heißt jetzt nicht, dass man täglich posten muss, sondern auch andere Posts liken, teilen und kommentieren und mit anderen interagieren.
Dann sollten die Unternehmen sich jeden Monat auch die Kennzahlen ihrer Online Präsenz genauer anschauen und sich fragen: Erreichen wir unsere angestrebten Ziele, kommen wir für das Geld, das wir investieren, unserem Ziel näher. Instagram und Facebook stellen da ja schon viele Kennzahlen zur Verfügung, an denen man das sehen kann.
Was ist der größte Fehler, den ein Unternehmen am Anfang machen kann?
Ulbricht: Social Media sollte in den gesamten Marketingedanken des Unternehmens miteingebunden sein. Viele überlegen sich zu Beginn keinen roten Faden. Nutzer entscheiden aber in den ersten zwei Sekunden, ob sie einem Profil folgen oder nicht. Sie müssen deshalb auf den ersten Blick erkennen: Wer ist das Unternehmen und was machen die.
Das fängt schon bei den Basics an, wenn der Profiltext nicht auf die Firma angepasst ist und die Posts nicht in den Brandingfarben sind. Das Logo sollte aber natürlich in den gleichen Farben sein wie die Website und der Social-Media-Auftritt. Ein gut abgestimmter und aufgeräumter Feed ist die Visitenkarte des Unternehmens.
Bei Fotocontent sage ich immer, man muss keinen ausgebildeten Fotografen für Social Media haben. Handybilder können da definitiv auch genutzt werden. Ein Blick hinter die Kulissen ist authentisch, aber die Qualität darf nicht komplett verloren gehen.
So kann auch die Industrie Influencermarketing nutzen
Influencermarketing ist nur etwas für den Mode- und Lifestyle-Bereich? Nein! Industrieunternehmen können Influencer genauso nutzen, um ihre Reichweite zu erhöhen. Wie? Das erklären zwei Experten hier.
(Bild: Mirko Vitali - stock.adobe.com)
Vor allem kleinere Industrieunternehmen haben nicht immer das nötige Know-How und genügend Personal, um Social Media zu stemmen. Wer sollte in den Firmen dann diese Aufgaben übernehmen?
Ulbricht: Mir ist bewusst, dass nicht jede Firma einen Social-Media-Experten einstellen kann und dass sich alles, was im Marketing ausgegeben wird, auch lohnen muss. Wenn eine Firma für Social Media jemand Externes holt, dann müssen sich natürlich schon die Frage stellen: „Bringt der mir das zurück, was ich dafür zahle?“.
Wenn die Aufgabe inhouse an einen Mitarbeiter gegeben wird, der sich noch nicht so gut mit Social Media auskennt, dann rentiert sich oft ein Coaching oder eine Betreuung, um die nötigen Werkzeuge in die Hand zu bekommen und sich gemeinsam eine Strategie zu überlegen. Da sollte man dann nach drei bis vier Monaten auch nochmal eine Bilanz ziehen und schauen, was funktioniert hat und was noch verbessert werden muss. Im November hat Instagram zum Beispiel komplett umgestellt und neue Formate eingeführt. Solche Neuerungen muss man im Blick haben.
Es gibt aber natürlich auch Firmen, die ihren Social-Media-Auftritt komplett selbst machen. Es braucht in jedem Fall Verständnis dafür, dass man einige Zeit in Social Media investieren muss.
Sie haben schon angesprochen, dass man bei Facebook eine Anzeige schalten sollte, um die Reichweite zu steigern. Reicht es dafür, einfach die vorhandenen Posts zu nehmen?
Ulbricht: Posts als Anzeige sind oft nicht die beste Lösung. Denn was ich in den Feed poste ist ja für bereits bestehende Follower gedacht und hat deshalb einen ganz anderen Aufbau als eine Anzeige, mit der ich Neukunden gewinnen will. Bei Paid Aids ist es oft der größte Fehler zu sagen: „Das haben wir schon geschrieben, das schalten wir gleich online“. Sondern man sollte sich explizit einen Text für die Anzeige überlegen.
Mit Paid Ads kann man super Ergebnisse erzielen, weil man die Zielgruppe genau festlegen und auch überprüfen kann, wie die Anzeige ankommt und sie dann entsprechend ändern kann. Bei Unternehmen, die kein großes Werbebudget habe, rate ich immer dazu, eine Anzeige zu schalten, wenn ein großes Ereignis bevorsteht. Das kann ein Firmenjubiläum oder ein neues Produkt sein, aber auch ein Gewinnspiel.