Mit einem Angebot flexiblerer Wochenarbeitszeiten geht die IG Metall in die Tarifrunde für die deutsche Metall- und Elektroindustrie. Die Option der Arbeitszeitverkürzung auf vier Tage könnte vor allem Betrieben eröffnet werden, die in der Coronakrise ein zu niedriges Arbeitsvolumen haben und gleichzeitig ihre Belegschaft halten wollen, erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann am Montag (09.11.) in Frankfurt.
Zur Durchsetzung dieser Jobsicherungen will die Gewerkschaft ein höheres Entgeltvolumen von bis zu vier Prozent fordern, wie der Gewerkschaftsvorstand am Montag (09.11.) empfahl. Auf betrieblicher Ebene könne dann entschieden werden, ob die höheren Löhne gezahlt werden oder bei einer abgesenkten Arbeitszeit zumindest ein Teillohnausgleich für die Beschäftigten herauskommt. In der Metall- und Elektroindustrie sind rund 3,8 Millionen Menschen beschäftigt. Sie umfasst unter anderem deutsche Schlüsselbranchen wie den Fahrzeug- und Maschinenbau.
Die vier-Tage-Woche als Alternative
Als mögliche Arbeitszeitabsenkung nannte Hofmann für das Tarifgebiet West die 32-Stunden-Woche mit vier Arbeitstagen - gegenüber den tariflichen vereinbarten 35 Stunden wäre das eine Absenkung um knapp neun Prozent. In dieser Größenordnung würde ohne Ausgleich auch das Brutto-Einkommen der einzelnen Beschäftigten sinken. Im Osten mit seiner 38-Stunden-Woche verlangt die IG Metall weitere Schritte zur Beseitigung der Nachteile.
Die Arbeitgeber wiesen in einer ersten Reaktion auf die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Betriebe wegen der Coronakrise hin. "Erst dann, wenn wir den Einbruch aufgeholt haben und dort sind, wo wir schon einmal waren, kann man von Wachstum sprechen, und erst ab dann gibt es überhaupt irgendeinen Verteilungsspielraum", erklärte der scheidende Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger in Berlin. Sichere Arbeitsplätze gebe es nur mit wettbewerbsfähigen Produkten und Standortbedingungen.
Die Empfehlung des Gewerkschaftsvorstands ist noch nicht die endgültige Forderung. Diese wird am 17. November in den regionalen Tarifkommissionen und noch einmal neun Tage später (26.11.) vom Vorstand abschließend beschlossen. Erste Verhandlungen mit den Arbeitgebern soll es Mitte Dezember geben. Warnstreiks sind nach Ablauf der Friedenspflichten vom 1. März an möglich. 4,0 Prozent ist die mit Abstand niedrigste Forderung der IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Seitdem waren zwischen 5,0 und 6,5 Prozent Lohnzuwachs gefordert worden. Eine Ausnahme bildete das Frühjahr 2020, als der vorherige Tarifvertrag ohne Tabellenerhöhung um weitere neun Monate verlängert wurde.
Die Geduld für eine Aufschiebung der Verhandlungen sinkt
Auf ein weiteres Stillhalten mit Lohnverzicht zur Sicherung von Arbeitsplätzen will sich die IG Metall aber nicht mehr einlassen. Der Versuch eines Moratoriums als Reaktion auf die Pandemie sei gescheitert, meinte Hofmann. "Wir haben verzichtet und einige Arbeitgeber haben teils massiv auf Personalabbau gesetzt." Auf solche Deals, die nur in Worten endeten, werde sich die Gewerkschaft nicht mehr einlassen.
Hofmann lehnte auch den Vorschlag des designierten Gesamtmetall-Chefs Stefan Wolf ab, die Verhandlungen aus Rücksicht auf die Ausbreitung des Coronavirus zu verschieben. "Die Beschäftigungsthemen stellen sich jetzt und nicht erst in einigen Monaten", sagte der Gewerkschaftschef. Man könne auch von den Mitgliedsunternehmen lernen, wie man auch unter strengen Hygiene-Auflagen verhandeln könne. "Keiner muss Angst haben, wenn er mit der IG Metall verhandelt."
In Fragen der Mobilisierung unter den Bedingungen einer Pandemie sieht sich die IG Metall bislang nicht im Nachteil. Die größte deutsche Gewerkschaft werde nicht zu einem zahnlosen Tiger, warnte Hofmann. Man werde neue kreative Formen des öffentlichen Protestes finden. Gesamtmetall erwartet schwierige Verhandlungen. Dulger erklärte: "Dabei müssen wir auch unter Beweis stellen, dass der Flächentarif nicht nur in guten Zeiten Antworten findet, sondern auch in schwierigen Zeiten für Beschäftigte und Unternehmen einen Vorteil bietet." Am Ende werde aber auch dieses Mal eine Einigung stehen, wenn man gemeinsam anpacke.