Halbleiterkrise verschärft sich dramatisch

Nexperia: Halbleitermangel zwingt Industrie in die Krise

Ein Handelskonflikt entfacht die nächste Chipkrise: Lieferengpässe beim Halbleiterhersteller Nexperia stellen Automobilindustrie und Regierung vor enorme Herausforderungen.

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Lieferprobleme bei Halbleitern alarmieren Autohersteller und Bundesregierung.
Lieferprobleme bei Halbleitern alarmieren Autohersteller und Bundesregierung.

Was löste den aktuellen Halbleitermangel aus?

Die Ursache der jüngsten Lieferprobleme liegt beim niederländischen Halbleiterhersteller Nexperia. Nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über das Unternehmen übernommen hatte – dessen Mutterkonzern aus China stammt –, stoppte China die Ausfuhr bestimmter Nexperia-Produkte für die Autoindustrie. Dieser politische Eingriff hat weitreichende Folgen: Lieferketten geraten ins Stocken, und eine neue Chipkrise nimmt Form an.

Wie reagiert die Bundesregierung auf die Krise?

Die deutsche Bundesregierung zeigt sich alarmiert. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte, man stehe in engem Austausch mit allen Beteiligten, einschließlich der chinesischen Regierung. Noch am Abend der Veröffentlichung fand eine Schalte des Ministeriums mit Vertretern der Automobil- und Elektronikindustrie sowie Branchenverbänden statt. Ziel ist es, kurzfristig Lösungen zu erarbeiten und weitere Eskalationen zu verhindern.

Welche Rolle spielen Deutschland und die Niederlande?

Die Krise hat auch eine diplomatische Dimension. Der geschäftsführende niederländische Wirtschaftsminister Vincent Karremans telefonierte nach eigenen Angaben mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Wentao. Offiziell hieß es, der Handelsstreit zwischen den USA und China sei nicht ursächlich für die Entwicklung. Doch laut Gerichtsakten ging der Entzug der Kontrolle über Nexperia auf Druck der USA zurück.

Wie reagieren Automobilhersteller und Zulieferer?

Der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen meldete zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Produktion. Auch eine geplante Produktionsunterbrechung in Wolfsburg stehe nicht im Zusammenhang mit dem Chipmangel, sondern sei Teil einer turnusmäßigen Inventur.

Mercedes-Benz betonte, dass durch die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern sowie die Erfahrungen aus der letzten Chipkrise eine gewisse Absicherung im kurzfristigen Zeitraum bestehe. Dennoch sei die Lage schwer prognostizierbar und werde genau beobachtet.

Welche Szenarien befürchten die Branchenverbände?

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte bereits frühzeitig vor möglichen Auswirkungen. Präsidentin Hildegard Müller sprach von drohenden Produktionseinschränkungen bis hin zu kompletten Produktionsstopps. Auch der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) äußerte sich besorgt. Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, verwies auf Ersatzlösungen, an denen gearbeitet werde. Doch es fehle an der nötigen Qualifizierung der Ersatzbauteile – eine schnelle Entwarnung sei daher nicht möglich.

Warum sind diskrete Halbleiter so kritisch?

Nexperia ist spezialisiert auf sogenannte diskrete Halbleiter – einfache, aber essenzielle Bauteile. Sie übernehmen in Steuergeräten Aufgaben wie Spannungsregelung, Signalverarbeitung und Sensoranbindung. Der ZVEI betont, dass diese Komponenten trotz ihrer Schlichtheit schwer zu ersetzen seien, da sie häufig speziell angepasst werden.

Nach eigenen Angaben zählt Nexperia bei bestimmten diskreten Halbleitern zu den Weltmarktführern. Kunden sind unter anderem große Automobilhersteller wie Tesla sowie Zulieferer wie Bosch.

Welche Auswirkungen hat die Nexperia-Krise auf die Lieferketten?

Die internationale Ausrichtung von Nexperia verschärft die Komplexität. Mit Standorten in Hamburg, Manchester und Montagezentren in Asien ist das Unternehmen tief in globale Lieferketten eingebunden. Der Standort Hamburg sei derzeit voll ausgelastet und halte die Produktion aufrecht, so das Unternehmen. Der Austausch mit Kunden laufe kontinuierlich.

Doch Experten warnen: Selbst wenn alternative Lieferanten existieren, sei ein Wechsel nicht einfach. Peter Fintl von Capgemini erklärte, dass viele Bauteile stark individualisiert sind. Eine Umstellung könne daher mehrere Monate oder Quartale dauern.

Welche Unternehmen sind bereits aktiv geworden?

ZF hat bereits eine Taskforce eingerichtet, um die Lage zu analysieren und mögliche Gegenmaßnahmen zu planen. Bosch spricht von erheblichen Herausforderungen. Der mittelständische Halbleiterhersteller Diotec aus Baden-Württemberg verzeichnet erhöhte Anfragen von Kunden im In- und Ausland. Besonders gefragt seien Ersatzkomponenten für den Automobil-, Industrie- und Konsumgüterbereich.

Welche politischen Hintergründe beeinflussen die Entwicklung?

Die Entscheidung der niederländischen Regierung, dem chinesischen Eigentümer von Nexperia die Kontrolle zu entziehen, basiert auf Sicherheitsbedenken. Obwohl offiziell betont wird, dass der Schritt nichts mit dem Handelsstreit zwischen China und den USA zu tun habe, deuten Gerichtsunterlagen auf politischen Druck aus Washington hin. Damit rückt der Halbleitermarkt erneut in den geopolitischen Fokus.

Mit Material der dpa

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Halbleiterkrise

Was ist der Auslöser für die aktuellen Lieferprobleme?
Die niederländische Regierung entzog der chinesischen Muttergesellschaft von Nexperia die Kontrolle. Daraufhin stoppte China die Ausfuhr bestimmter Produkte für die Autoindustrie.

Welche Rolle spielt Nexperia im Markt?
Nexperia ist ein führender Anbieter diskreter Halbleiter, die in Steuergeräten, zur Spannungsregelung und zur Sensoranbindung eingesetzt werden.

Wie reagieren Industrie und Politik?
Es fanden Krisengespräche zwischen Bundeswirtschaftsministerium, Industrieverbänden und Unternehmen statt. Lösungen werden intensiv gesucht.

Sind Produktionsstopps zu erwarten?
Branchenverbände wie der VDA halten Produktionsunterbrechungen bis hin zu Stopps für möglich, sollten sich keine schnellen Alternativen finden.

Warum ist ein Wechsel des Lieferanten so schwierig?
Diskrete Halbleiter sind oft stark spezifiziert. Die Qualifizierung neuer Bauteile ist aufwändig und kann mehrere Monate dauern.

Welche Unternehmen sind besonders betroffen?
Automobilhersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz und Zulieferer wie Bosch und ZF beobachten die Lage genau. Auch mittelständische Hersteller wie Diotec spüren Auswirkungen.