Ein Mann trägt eine Hololens und gestikuliert mit seinen Händen in Richtung Kamera.

Damit Techniker von überall arbeiten können, testet Osram momentan Hololens. - (Bild: Osram)

Herr Hild, Sie sind Werkleiter bei Osram in Schwabmünchen. Wie groß sind die Auswirkungen des Coronavirus bei Ihnen im Werk?

Ingo Hild: Die Produktion läuft bei uns aktuell normal weiter, noch gibt es keine direkten Auswirkungen. Wir haben aber unsere Schichten angepasst und arbeiten jetzt mit zwei Mannschaften, die keinen Kontakt zueinander haben und sich gegenseitig ersetzen können. Bei den Ingenieuren gibt es zum Beispiel immer einen Teil, der im Homeoffice arbeitet und einen, der vor Ort ist. Bei der Einhaltung der Hygieneregeln hilft unser eigens hergestelltes Desinfektionsmittel.

Wie ist die Idee zum eigenen Desinfektionsmittel entstanden?

Hild: Unser Desinfektionsmittel wurde knapp. Und nachdem wir Inhaltsstoffe, wie beispielsweise Alkohol vorrätig haben (Anmerkung der Redaktion: Ethanol wird für die Produktion von Klebstoff für Lampensockel eingesetzt), und Mitarbeiter, die sich mit Chemie auskennen, haben wir die WHO-Rezeptur heruntergeladen und mit der Produktion begonnen. Inzwischen haben wir das Ganze professionalisiert und schon mehrere tausend Liter hergestellt.

Das Osram-Werk in Schwabmünchen gilt als „Zukunftsort“, weil dort viel zum Thema Industrie 4.0 gemacht wird. Können Sie kurz schildern, wie die Entwicklung angefangen hat und was bereits alles umgesetzt wurde?

Hild: Diese Reise hat vor mehreren Jahren begonnen. Wir haben zunächst die Maschinen am Standort aufgerüstet, netzfähig gemacht und alle Anlagen miteinander verbunden. Das Leitsystem konnte von da an auf alle Maschinen zugreifen. Das ist meiner Meinung nach der erste Schritt der Digitalisierung, den man machen muss.

Dann ist es wichtig, dass die Daten strukturiert abgelegt werden. So wird eine Einzelproduktnachverfolgung möglich. Das heißt, jedes einzelne Produkt hat einen Code und kann den jeweiligen Maschinen und Prozesswerten zugeordnet werden. Es werden also zu jedem einzelnen Produktionsschritt Werte gesammelt. Das ist auch entscheidend für die Rückverfolgung: Sollte zum Beispiel ein Fehler auftreten, kann man ganz genau nachvollziehen, woran es lag.

Im dritten Schritt analysieren wir dann die Daten und werten sie aus. Dabei suchen wir nach Korrelationen, die man vorher nicht gesehen hat. In Schwabmünchen ist das eine besondere Herausforderung, denn hier haben wir eine Prozessfertigungsindustrie mit unterschiedlichen Technologien und einer sehr hohen Fertigungstiefe von über 60 Produktionsschritten.

 

Ein Mann schaut auf sein Handy, auf dem der Osram-Ticket-Manager zu sehen ist.
Mit seinem Campus Netz betreibt Osram unter anderem einen Ticket-Manager. - (Bild: Osram)

Helfen Ihnen diese Arbeitsschritte denn auch in der momentanen Krise –  Stichwort Abstandsregel?

Hild: Ja, auf jeden Fall. Ein Techniker kann bei einem Problem zum Beispiel zuerst von seinem Arbeitsplatz aus einen Blick auf die Informationslage werfen und eine Ferndiagnose machen und muss nicht ins Werk gehen. Er kann also vom Homeoffice aus dem Mitarbeiter vor Ort Hilfe geben. Auch ein Prozessingenieur kann sich die Daten in der Datenbank aus der Entfernung anschauen.

Sie haben schon seit längerem in ihrem Werk ein Campus Netz auf LTE-Basis. Welche Vorteile sehen Sie darin?

Hild: Mit Hilfe des Campus Netzes können große Datenvolumen sicher übertragen und geringe Latenzzeiten gewährleistet werden. Massive Datenströme werden ressourcenschonender und schneller verarbeitet, auf der Edge gespeichert und in Echtzeit wieder verteilt. Die Daten verbleiben dabei innerhalb des Campusgeländes.

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Wir betreiben damit unter anderem unser Ticket-Manager-System. Wenn es zum Beispiel eine Störung an einer Anlage gibt, erkennt unser System selbstständig, um welche Art von Störung es sich an welcher Stelle genau handelt – beispielsweise eine elektrische an Maschine X. Es weiß außerdem, welcher – in diesem Fall – Elektriker gerade da ist und schickt die Anfrage via App direkt an ihn. Er bekommt dann eine Nachricht, zu welcher Anlage er muss, behebt die Störung und meldet dem System, dass der Fehler beseitigt ist.

Wie erhält der Mitarbeiter die Nachricht?

Hild: Unsere Mitarbeiter haben alle Handys mit einer eigenen Sim-Karte für unser LTE-Netz. Dadurch können Sie überall im Werk Nachrichten empfangen.

Im Frühjahr wollten Sie ja eigentlich auch auf eine 5-G-Infrastruktur erweitern. Steht der Zeitplan trotz Corona noch?

Hild: Die 5G-IT-Infrastruktur ist schon im Werk vorhanden, es muss quasi nur noch „der Schalter umgelegt werden“. Die Telekom ist auf alle Fälle dran. Das Ganze wird sich aber aufgrund von Corona etwas nach hinten verschieben.

Sind noch weitere Neuerungen geplant?

Hild: Momentan testen wir zum Beispiel die Hololens – also Augmented Reality mit Bildübertragung in Echtzeit. In einem Servicefall kann so der Mitarbeiter vor Ort die Mixed-Reality-Brille aufsetzen und der Techniker im Homeoffice sieht dann aus der Ferne die Anlage und kann Anweisungen geben. Gerade in Zeiten von Corona kann das sehr hilfreich sein. Osram hat ja aber auch Werke weltweit. Mit der Hololens könnten wir dann Fachexperten an jede Stelle in jedem Werk bringen, ohne dass der Mitarbeiter vor Ort sein muss.

Das Osram-Werk von Schwabmünchen von außen. Dort steht in orange "Osram".
Das Osram-Werk in Schwabmünchen gilt als Zukunftsort. - (Bild: Osram)

Was wir für den autonomen Materialtransport innerhalb der Produktionshallen bereits im Einsatz haben, sind sogenannte Automated Guided Vehicles. Den Fortschritt und die Digitalisierung, die wir hier haben, wollen wir im nächsten Schritt auch in den Außenbereich des Werksgeländes bringen.

Mitarbeiter haben oft Angst, dass sie durch die Digitalisierung ihre Arbeitsplätze verlieren. Wie ist denn die Resonanz der Beschäftigten auf die Neuerungen?

Hild: Wir haben eine intensive Kommunikation zu den Mitarbeitern. Wir wollen dabei die Angst nehmen, dass Digitalisierung Arbeitsplätze ersetzt. Sie soll vielmehr die Arbeit sicherer und schneller machen und helfen, Komplexität zu reduzieren, die ein Mitarbeiter alleine nicht bewerkstelligen kann.

Und wie reagieren die Beschäftigten darauf?

Hild: Man muss sie von Anfang an abholen. In Schwabmünchen werden die Neuerungen gut angenommen. Wir machen auch regelmäßig Schulungen. Außerdem gibt es jeden Tag Meetings (Shopfloor Management) von den jeweiligen Führungskräften mit ihren Mitarbeitern, in denen auch Probleme besprochen und wenn nötig, Hilfestellungen gegeben werden.

Digitalisierung geht immer einher mit Weiterbildung. Ein PC allein macht es nicht. Man braucht den Mitarbeiter, der ihn anwenden kann. Wir müssen dabei auch den Mut haben, dass Beschäftigte Dinge ausprobieren und dabei Fehler machen können. Denn daraus lernen wir und sehen, was geändert werden muss.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Sie haben die Digitalisierung im Schwabmünchner Werk von Anfang an mit vorangetrieben. Gibt es eine Anwendung oder einen Teil einer Smart Factory,  bei dem Sie sagen: Das ist so eine tolle Neuerung, die ist aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken?

Hild: Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich auf das Gesamtsystem stolz, das über mehrere Jahre hinweg entstanden ist. Die Architektur, die wir uns überlegt haben, kommt zum Tragen. Dabei geht es nicht um ein spezielles Element, sondern um das Zusammenspiel. Das ist wie in einem Orchester: Es macht immer etwas aus, verschiedene Technologien zusammenzubringen. Es ist nicht wichtig, Digitalisierung um jeden Preis umzusetzen, sondern sie muss dort zum Einsatz kommen, wo sie von Nutzen ist.

Genauso gibt es kein Handbuch, was eine Smart Factory ist. Je nach Produktportfolio muss man jedes einzelne Element bewerten und schauen, ob es dazu passt.

Eines meiner Highlights ist aber definitiv unsere Datenanalytik, weil ich so etwas vorher noch nicht in Deutschland gesehen habe. Wir haben damit eine Architektur geschaffen, die andere nun nachbauen.

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