Die Situation, in der sich die deutsche Automobilindustrie befindet, lässt sich gut mit einem Boxkampf vergleichen. In der einen Ecke lassen die USA gerade ihre Muskeln spielen und pochen auf ihre Strafzölle. In der anderen Ecke sitzt China. Das Reich der Mitte scheint latent aggressiv, aber nie offen feindselig. Weiß es doch um seine Stärke und wartet gern bis Runde zwölf, um zum Knock-Out auszuholen.

Und die Rolle von VW und Co.?  Die deutschen Automobilbauer sitzen zwischen zwei Stühlen und beobachten still, bloß niemanden verprellen. Allerdings wissen sie längst, auf wen sie ihr Geld setzen müssen. Hat der größte Automarkt China doch unlängst angekündigt, über kurz oder lang auf E-Autos umzusteigen - und mit ihm die globale Automobilindustrie.

Wie viele Arbeitsplätze bis 2030 verloren gehen

2019 beschäftigen Autobauer und Zulieferer hierzulande 834.000 Menschen. Durch den Wegfall des Verbrennungsmotors gehen bis 2030 schätzungsweise 233.000 Arbeitsplätze verloren. Das haben Wissenschaftler des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen ausgerechnet. In der Batterie- und Elektromotorfertigung entstehen in der gleichen Zeit nur 109.000 neue Arbeitsplätze. Somit werden insgesamt 124.000 Jobs gestrichen.

Auch die strengeren CO2-Auflagen stellen die Autobauer vor Herausforderungen. 2022 dürfen Neuwagen nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft blasen, 2030 nur noch 60 Gramm. Ansonsten drohen Strafzahlungen. Um die Auflagen zu erfüllen, so die Hochrechnungen des Car-Instituts, müssen in der EU bis 2022 2,3 Millionen Elektroautos (Plug-in-Hybride und vollelektrische Fahrzeuge) verkauft werden.

Hinzu kommt die von China selbstauferlegte Elektroautoquote. Bis 2022 macht das weitere 2,7 Millionen E-Autos. Kein leichtes Unterfangen im Hinblick auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das Bruttoinlandsprodukt (kurz: BIP) zeigt die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft an. Das BIP errechnet sich aus dem Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem bestimmten Zeitraum erbracht wurden.

Wie sich das BIP-Wachstum entwickelt

Laut OECD steigt das BIP in den 15 größten PKW-Märkten im Jahr 2020 um 2,9 Prozent. Ein Grund zur Freude? Mitnichten. Die vier größten Automärkte China (-5,7), USA (-2,0), Japan (-0,6) und Deutschland (-0,4) schwächeln. 2020 heißen die großen Gewinner Indien (+6,2), Südkorea (+2,3) und Australien (+2,3).

Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, sagt dazu: „Da die größeren Automärkte mit Rückgängen im Wirtschaftswachstum rechnen müssen und die Auswirkungen der Zollmaßnahmen […] in den nächsten Monaten nachwirken, muss insgesamt mit einem rückläufigen Pkw-Markt im Jahr 2020 gerechnet werden.“

Während 2018 noch weltweit 83 Millionen Autos verkauft wurden, sind es dieses Jahr nur noch 78,8 Millionen - ein Einbruch von 5 Prozent.

Dudenhöffer: „Selbst während der Weltfinanzkrise ist der Automarkt nicht so stark eingebrochen wie 2019.“ Auch 2020 hält der Trend an. Der weltweite Verkauf von Fahrzeugen wird mit 78 Millionen voraussichtlich seinen Tiefpunkt erreichen.

So entwickelt sich der Auto-Weltmarkt in den kommenden Jahren

Mittelfristig können Autobauer aber aufatmen. Bereits 2023 soll laut Hochrechnungen des Instituts das Verkaufsniveau von 2017 (ca. 84 Millionen) erreicht sein. 2025 soll der Verkauf von Neufahrzeugen auf 88,1 Millionen steigen. Dudenhöffer erklärt die Entwicklung unter anderem mit dem Potenzial asiatischer Märkte.

Trotz der derzeitigen Rezession im chinesischen Automarkt werde sich das Wachstum laut Dudenhöffer wieder stabilisieren. Denn: Mit einer Dichte von 100 Autos pro 1000 Einwohner (Deutschland im Vergleich: 567 Pkw pro 1000 Einwohner) sei der chinesische Markt noch lange nicht gesättigt. Der Experte erklärt weiter: „Zusätzlich entwickeln sich um China weitere asiatische Wachstumsmärkte wie etwa Vietnam.“ In Zahlen ausgedrückt: Dieses Jahr wurden dort 170.000 Neuwagen verkauft, ein Zuwachs von 80 Prozent.

Deutschland hinkt hinterher

Mit 108.000 zusätzlichen Neuwagenverkäufen, wächst der russische Automarkt 2020 am meisten. Auch wenn das Land deutlich unter seinem Potenzial von fünf Millionen Verkäufen geblieben sei, erklärt der Experte des Car-Instituts.

Und Deutschland? Da sich der Verkauf von Neuwagen maßgeblich an der Entwicklung des BIP ablesen lässt, ist in Deutschland mit einem Rückgang von Neuzulassungen zu rechnen. Im Vergleich zu 2019 ist das im kommenden Jahr ein Minus von vier Prozent, das sind 3,36 Millionen Neuzulassungen.

Der Experte des Car-Instituts macht neben dem BIP-Wachstum eine deutsche Marktbesonderheit für die Entwicklung verantwortlich: „Die große Welle der hohen Rabatte mit Dieselabwrackprämien hat in den letzten Jahren den deutschen Automarkt deutlich gepushed. Daher ist eine größere Beruhigung der Nachfrage in Deutschland zu erwarten.“

E-Autos: Das sind die wichtigsten Absatzmärkte

Tesla Model S
(Bild: Pixabay)

Die weltweite Nachfrage nach E-Autos ist 2018 um 2,1 Millionen Einheiten gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland bleibt die Nachfrage jedoch weiterhin unterdurchschnittlich. Welche Absatzmärkte am wichtigsten sind zeigt dieses Ranking.

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