Um auf steigende Strom- und Gaspreise zu reagieren, wollen derzeit viele Unternehmen ihre Energieeffizienz steigern. Sanieren sie dazu Gebäude, müssen Maßnahmen nicht nur möglichst viel Energie sparen, sondern sich auch zügig und reibungslos umsetzen lassen. Beides gelingt mit Building Information Modeling.
Unternehmen ziehen derzeit alle Register, um auf die Strom- und Gaspreiskrise zu reagieren. Dabei investieren acht von zehn Betrieben in die Steigerung ihrer Energieeffizienz. Das ergab im September eine Erhebung des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen unter 1060 Betrieben. Ein vergleichbares Bild zeichnete im gleichen Monat eine Blitzumfrage des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Danach sind für 85 Prozent der Befragten Energieeinsparungen derzeit das Mittel der Wahl, um den Verbrauch im eigenen Unternehmen zu senken, erläutert VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers die Ergebnisse der Umfrage.
Durch mehr Energieeffizienz von Gebäuden lassen sich Betriebskosten massiv senken
Die Unternehmen treffen damit eine weise Entscheidung. Denn vor allem im Gebäudebereich können sie viel Energie und kosten sparen. So lässt sich die für die Beleuchtung eines Bürogebäudes benötigte Energie um bis zu 80 Prozent senken, wenn Architekten Fensterflächen so anordnen, dass Tageslicht optimal ausgenutzt wird und Betriebe zusätzlich stromsparende LED-Lampen installieren. Auch lassen sich bis zu 90 Prozent der Abwärme von Hochtemperaturprozessen oder Kühlanlagen nutzen, um Bürogebäude oder Lage zu heizen, hat die Deutsche Energieagentur berechnet.
Doch wer in der aktuellen Krise in die energetische Sanierung seiner Gebäude investieren oder sogar neu bauen will, muss sichergehen können, dass seine Immobilien später wirklich weniger Heizenergie und Strom benötigen und die Arbeiten zügig und termingetreu umgesetzt werden. Ob dies gelingt, hängt vor allem davon ab, wie der Neubau oder die Sanierung geplant werden.
Was ist BIM?
Der englische Begriff Building Information Modeling oder kurz BIM bedeutet Bauwerksdatenmodellierung. Damit wird eine Methode beschrieben, wie die Planung, die Errichtung und der Betrieb eines Gebäudes mit der Hilfe von Software vernetzt werden. Im Prozess werden alle Daten des Gebäudes, die von Bedeutung sind, digital modelliert, kombiniert und erfasst. So ist das komplette Gebäude inklusive aller Leitungen und Schaltungen digital erfasst, abrufbar und für die Optimierung des Betriebs nutzbar.
Building Information Modeling sorgt für mehr Effizienz bei Planung und Bauausführung
Idealerweise fordern Unternehmen von ihren Architekten und Fachplanern, daher den Einsatz von Building Information Modeling (BIM). Bei dieser Methode planen die Fachleute ein Gebäude oder eine Sanierungsmaßnahme nicht am Zeichenbrett, sondern entwickeln zunächst ein digitales Modell des Bauwerks. Bestandsgebäude vermessen sie dazu mit Laserscans oder bei der Befliegung mit einer Drohne. In dem Modell hinterlegen die Planer dann alle Bauteile mit einer Fülle von Informationen etwa zum Material, aus dem Wände und Decken bestehen, dem Wärmedurchgangskoeffizient oder der Schallabsorptionsfähigkeit von Fenstern und Türen.
Das Modell schafft zudem Transparenz darüber, welche Arbeiten in welchem Umfang ausgeführt werden müssen, so dass schon in der Planungsphase ein zuverlässiger Zeitplan für den Bauablauf erstellt werden kann. Konflikte zwischen einzelnen Gewerken lassen sich dabei vermeiden. Denn alle an dem Projekt Beteiligten tragen ihre Planungen in dasselbe digitale Modell ein. Mit einer speziellen Software kann der Architekt oder Bauleiter daher automatisch prüfen, ob Gas-, Wasser- und elektrische Leitungen so verlaufen können, wie von den Fachbetrieben geplant, oder ob etwa der Sanitärplaner eine Wasserleitung dort verlegen will, wo der Statiker einen Stahlträger vorgesehen hat.
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Durch weniger Nacharbeiten bleiben Baumaßnahmen im Zeit- und Kostenplan
Dies reduziert den Aufwand für Nacharbeiten erheblich, berichteten drei von vier befragten Anlagenbauern, Bauunternehmern und Fachplanern in einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers zur Digitalisierung in der Baubranche. Denn wenn kollidierende Planungen einzelner Gewerke erst auf der Baustelle entdeckt werden, müssen Arbeiter bereits errichtete Gebäudeteile oft wieder abreißen. Das führt zu hohen Mehrkosten und Zeitverzug. Mit BIM bleiben Projekte dagegen im geplanten Terminplan und Kostenrahmen.
Modellbasierte Zusammenarbeit führt zu reibungslosen Abläufen auf der Baustelle
Für die generic.de Software Technologie AG war dies der Grund, weshalb sie das neue Bürogebäude für ihre 90 Mitarbeiter im Karlsruher Stadtteil Neureut 2021 und 2022 von der Vollack Gruppe mit BIM planen und errichten ließ. Das Bauunternehmen plante dabei auch den Bauablauf sowie die komplette Logistik der Baustelle mit dem Modell des Bürogebäudes. Dieses lieferte dazu zuverlässige Daten und machte die Abläufe für alle Beteiligten so transparent, dass sie Arbeiten und Termine flexibel und für alle nachvollziehbar anpassen konnten, wenn Problemen auftraten.
Außerdem ermöglichte es die modellbasierte Planung, Deckenelemente mit allen für die Haustechnik erforderlichen Leitungsrohren vorzufertigen. Dadurch entfielen auf der Baustelle zeitaufwändige Arbeiten wie das Einbringen von Schlitzen und Durchbrüchen.
„Als Bauherr hatten wir so die Gewähr, dass unser Gebäude in Time und Budget zum Erfolg geführt wurde“, erklärt generic.de-Vorstand Michael Speer. Die Planer und Architekten von Vollack zeichnete der BIM-Branchenverband buildingSMART zudem mit dem Preis „BIM Champion 2022“ in der Kategorie „Bauausführung“ aus.
Video: BIM Champions 2022 - Vollack Gruppe und generic.de mit Next Level BIM und Lean
Digitales Bauwerksmodell ist Grundlage für energetische und thermische Simulationen
Neben der schnellen und termingetreuen Umsetzung des neuen Bürobaus, betont generic.de-Vorstand Michael Speer noch einen weiteren Vorteil der modellbasierten Planung. „Für mich als Bauherr ist es entscheidend, mit einer vernünftigen Datengrundlage Dinge planen und erproben zu können, noch bevor der Bau abgeschlossen ist“, erklärt Speer. Deshalb nutzten er und die Fachplaner bei Vollack das digitale Modell auch für eine thermische Gebäude- und Energiesimulation des neuen Firmensitzes.
„Damit lässt sich schon im Entwurfsprozess einschätzen, wie ein Gebäude gestaltet werden muss, um die Prozesse, die darin ablaufen, optimal zu unterstützen“, erklärt der Geschäftsführer der „Allianz Bau“ der Fraunhofer-Institute und Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Planen und Bauen, Thomas Kirmayr. Wer etwa bei der Fassadenplanung an den richtigen Stellen ausreichend große Fensterflächen vorsehe, könne dafür sorgen, dass Arbeitsplätze möglichst viele Stunden ausreichend mit Tageslicht versorgt werden. Ein digitaler Zwilling des Gebäudes zeige aber auch, wann es durch große Glasflächen im Sommer zu thermischen Problemen kommt und wie sich in der Abwägung die jeweils optimale Lösung finden lasse. „Auch an Stellen, an denen in einer Werkshalle viele Maschinen Abwärme erzeugen oder temperaturintensive Prozesse ablaufen, muss Wärme eher abfließen und eventuell die Dämmung der Gebäudehülle angepasst werden“, so Kirmayr. „Noch besser wäre es, den Überschuss für andere Gebäudebereiche als Abwärme nutzbar zu machen. Sonst braucht es Energie für die Kühlung des Raums.“
Energetische Zusammenhänge sind in Industriegebäuden besonders komplex
Bei Nichtwohngebäuden in der Industrie sind solche energetischen Zusammenhänge meist besonders komplex. Ihr Energiebedarf lässt sich daher nur durch eine ganzheitliche Betrachtung des Bauwerks und der darin ablaufenden Prozesse optimieren. Dies gelingt mit energetischen und thermischen Simulationen auf Basis eines digitalen Gebäudemodells.
Da dieses sowohl die Architektur wie die Tragwerkskonstruktion und die in einem Gebäude verbaute technische Ausrüstung abbildet, ist es auch die optimale digitale Grundlage für eine automatisierte Ökobilanz des Bauwerks. Diese brauchen Unternehmen zur Erstellung ihres Umweltberichts. Sie ist ebenso wie eine energetische Simulation außerdem die Grundlage, um alle ökologischen Optimierungspotenziale eines Gebäudes zu ermitteln und nutzen zu können. Auch das spart Energie.
„Lange war die Erstellung einer Gebäudeökobilanz zwar sehr aufwändig. BIM bietet nun aber die Chance, das zu ändern“, berichtet Jannick Höper. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter des Spezialisten für die Entwicklung nachhaltiger Gebäude, LIST Eco und hat für seine Masterarbeit an der Technischen Hochschule Köln eine „Methode zur Automatisierung der Gebäudeökobilanz unter Anwendung von Open BIM“ entwickelt. Für diese zeichnete ihn buildingSMART mit dem Preis „BIM Champion 2022“ in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ aus.
Relevante Informationen verknüpfen
Höper verknüpft bei der Ökobilanzierung eines Bauwerks in dessen digitalem Modell alle Bauteile mit für den Klimaschutz relevanten Informationen. Das kann sich auf Angaben zum Material beschränken, aus dem sie bestehen, aber auch Daten zu der Energie und den Treibhausgasemissionen umfassen, die bei ihrer Herstellung anfielen. Da Höper mit offenen Datenstandards arbeitet, kann er das Gebäudemodell auch mit externen Ökodatenbanken verknüpfen. Die Informationen stehen so für Simulationen, Vergleiche oder eben eine automatische Erstellung der Ökobilanz zur Verfügung.
Das ist auch wirtschaftlich sinnvoll, so der Bauingenieur. „Etwa ein Drittel der Umweltauswirkungen eines Gebäudes verursacht die in ihm verbaute technische Ausrüstung“, erklärt Höper. Dieser CO2-Footprint entsteht nicht nur bei der Herstellung von Klimaanlagen, Heizkesseln, Pumpen oder Steuereinheiten für die Haustechnik. Auch ihr Transport auf die Baustelle sowie ihr Einbau im Gebäude erfordert „graue Energie“, stellt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum - Planen und Bauen in einem Technischen Bericht fest. Diese lasse sich ebenso wie die Kosten für die Haustechnik einsparen, wenn Bauherrn und Planer statt auf „Over Engineering bei der energetischen Gestaltung eines Gebäudes auf Low Tech setzen“, so die Autoren des Berichts.
Seit Jahrhunderten gebe es passive Strategien, um Häuser zu heizen oder zu kühlen, betonen sie. So lasse sich Sonnenenergie und –wärme durch entsprechend große Fensterflächen in ein Gebäude holen und dort mit bewusst platzierten Speichermassen längere Zeit halten. Im Sommer könne dieses dagegen durch eine Querlüftung gekühlt werden. Wer in der aktuellen Krise Gebäude sanieren oder neu bauen will, kann nicht darauf verzichten, bei deren Planung auch solche Register zu ziehen. Nur so steigert er sowohl die Energieeffizienz und spart Kosten für im Grunde nicht benötigte Technik.
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