Herr Brumby, die Instandhaltung läuft oft unter dem Radar und bekommt daher manchmal nicht die Wertschätzung, die ihr zusteht. Heute dürfen Sie Werbung für diesen Bereich machen: Warum ist Instandhaltung denn so wichtig?
Lennart Brumby: Ohne Instandhaltung funktioniert es nicht. Es ist ein absolutes Muss, dass wir die Dinge am Laufen halten. Und jetzt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, wir wollen die Dinge länger am Leben halten, geht es nicht ohne Instandhaltung. Also es ist ganz wichtig, dass wir mehr in Stand halten, als wir die letzten Jahre gemacht haben.
Das heißt, momentan wird noch zu wenig gemacht. Woran macht sich das bemerkbar?
Brumby: In der Industrie ist natürlich das Instandhalten von Maschinen auch weit verbreitet. Aber immer wieder unter dem Fokus: Es darf nichts kosten, es muss möglichst günstig sein. Was dazu führt, dass wir dann doch eher schnelle Mängelbeseitigungen gemacht haben, die dann schnell wieder auftreten, aber die Lebensdauer der Maschine eigentlich dadurch mehr und mehr verkürzt wird.
Im großen Volkswirtschaftlichen gesehen, unser Verkehrsstraßennetz, unser Schienennetz, was wir die letzten Jahre vernachlässigt haben - die Folgen dieser mangelnden Instandhaltung fallen uns mehr und mehr auf die Füße.
Wie sollte es stattdessen aussehen? Mit welcher Strategie gelingt Instandhaltung?
Brumby: Auf jeden Fall wegkommen von dem reaktiven Geschäft. Wenn ich planbarer bin, wenn ich agiere, kann ich mich vorbereiten auf die Tätigkeiten. Ich kann das sehr viel smarter gestalten. Und noch planbarer ist es, wenn ich über eine lange Sicht die Dinge einplanen kann, also prädiktiv agieren kann. Wenn ich gar schon vorhersehen kann, wie lang die Restlebensdauer meiner Maschine ist. Ähnlich wie ich ja bei meinem Auto sehe, ich kann jetzt noch irgendwie 100 Kilometer weit fahren. Also ich muss jetzt nicht zur nächsten Tankstelle raus, sondern ich kann genau einplanen, wann ich tanken muss.
Und so möchte ich das ganz gerne auch, dass wir bei unseren Anlagen/Maschinen vorhersagen können, wie lang die Restlebensdauer von Anlagen/Maschinen ist. Und dazu muss ich eben Werte aufnehmen. Ich muss Werte kombinieren. Ich muss Prädiktionen machen. Dann kommt auch das Wunderwerk der KI zum Vorschein. Also die Dinge prognostizieren zu können, das ist so das Idealbild der Instandhaltung, zu dem wir uns hinbewegen sollen.
Sie haben die künstliche Intelligenz jetzt schon angesprochen. Was ist denn Ihre Meinung zu KI in der Instandhaltung?
Brumby: Ich habe da selbst so einen Lernprozess. Ich hatte anfangs auch gedacht, ach komm, KI gibt es ja eigentlich auch schon länger. Jetzt treiben sie die neue Sau durchs Dorf. Aber mehr und mehr erkenne auch ich, dass die Potenziale von KI hervorragend passen zu den Nöten, die wir in der Instandhaltung sehen.
Das fängt schon damit an, dass wir ja, wie gesagt, viele, viele Daten haben und wir müssen die irgendwie einmal zusammenführen. Da haben wir beispielsweise ein riesen Anwendungsfeld für KI. Auch das Thema Predictive Maintenance wird, glaube ich, ohne KI nicht funktionieren. Also eine Prognose aus den Dingen zu ziehen. Aber das ist nur ein Anwendungsfeld von KI.
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Welche weiteren gibt es denn beispielsweise?
Brumby: Es fängt schon im operativen Bereich an. Ich habe ja das Problem, dass ich viel zu wenig Personal mittlerweile habe in der Instandhaltung. Ich muss also sehr effizient arbeiten und KI kann uns da unglaublich viel Unterstützungsleistung liefern. Wir sehen beispielsweise, dass wir gar nicht mehr die Zeit haben, alle Menschen auszubilden. Dass eben die Experten vielleicht nur noch irgendwo im Backoffice sitzen und wir es uns nicht erlauben können, sie durch die Halle, übers Werksgelände oder gar durch die Republik zu schicken. Sondern die müssen vielleicht zentral sitzen und leiten dann über moderne, KI-gestützte Technologie ungelerntes Personal an - über Augmented Reality und über verschiedene andere Technologien.
KI kann uns im simpelsten Fall beispielsweise auch in der Sprache helfen. Wie können wir beispielsweise diese ungelernten Kräfte, die wir haben, zu Fachkräften entwickeln? Da kann KI einen guten Schritt weiterhelfen. Wenn jetzt eben ein ukrainischer Fachmann da ankommt, können wir mit KI dafür sorgen, dass er in unserem deutschen Betriebsumfeld zurechtkommt.
Wenn man das mal weiterdenkt, kommt man auf ganz, ganz viele Anwendungsfelder von KI. Manche davon sind instandhaltungsspezifisch: das Thema Predictive Maintenance, da brauchen wir Instandhaltungs-Knowhow. Manche sind aber vielleicht ganz normale Themen: Spracherkennung, Sprachauswertung, Bildauswertung. Auch das ist ein riesen Potenzial am Ende für das Anwendungsfeld Instandhaltung. Also unglaublich viel.
Jetzt haben Sie das Thema Fachkräfte auch schon angesprochen. Um all diese Themen der Instandhaltung voranzutreiben, braucht es natürlich auch Nachwuchs. Hat die Instandhaltung denn ein Nachwuchsproblem?
Brumby: Ja, ja, ja. Egal mit wem man sich unterhält, ich kenne wenige Unternehmen, die relativ entspannt bei dem Thema sind. Viele sagen, das ist das Zukunftsthema. Ich war gerade gestern wieder bei einem großen Chemieunternehmen, die einen unglaublichen Aufwand betreiben, die Attraktivität der Instandhaltung auch zu fördern.
Und ich sehe es in meinem Studiengang selber, ich habe auch zu wenig Studierende in meinem Studiengang. Das Thema Instandhaltung konkurriert halt mit vielen, vielen anderen Themen. Und wenn junge Menschen sich für einen Ausbildungsplatz entscheiden oder Studienplatz oder Arbeitsplatz, dann haben sie halt die Wahl, irgendwas mit International Business zu machen, mit digitalen Medien, Cybersecurity oder Event-Management. Service Engineering, wie mein Studiengang heißt, der heißt schon gar nicht Instandhaltung, ist da leider nicht ganz oben in der Beliebtheitsskala.
Was kann die Industrie denn tun, dass sich mehr junge Menschen für das Thema Instandhaltung begeistern?
Brumby: Also es gibt schon tolle Beispiele mittlerweile, wie Unternehmen versuchen, auch für ihren Bereich des Anlagenmanagements/der Instandhaltung junge Menschen zu gewinnen. Und die zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie wirklich in ihrer ganzen Praxis viel moderne Technologie anwenden. Also kein Klemmbrett mehr, sondern Tablets. Und dass hier der Druck innerhalb der Instandhaltung auch ein anderer ist, weil man proaktiver unterwegs ist und nicht dieses Feuerwehrgeschäft hat, wo man ständig natürlich gepeitscht wird.
Bis hin, dass man auch so in klassischer Weise Marketing betreibt. Also wie stelle ich mich eigentlich nach außen hin dar? Habe ich vielleicht für meinen Bereich, ganz platt gesprochen, vielleicht auch so eine eigene Marke? Wir tollen Maintainer und so weiter. Und über dieses klassische Marketing, bezogen auf das Thema Anlagenmanagement/Instandhaltung, glaube ich, kann es schon gelingen, junge Menschen auch auf diesen Bereich eben aufmerksam zu machen.
Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über die Bedeutung der Instandhaltung, die wichtigsten Zukunftstechnologien für die Branche und darüber, wie man junge Leute für Instandhaltung begeistert, hören Sie hier:
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