Nirgendwo investierten ausländische Unternehmen bislang mehr als in Frankreich.

Nirgendwo investierten ausländische Unternehmen bislang mehr als in Frankreich. (Bild: KI)

Jede Gesellschaft hat die Politiker, die sie verdient, heißt es. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat das verstanden und den Franzosen die Wahl-Stimme erteilt, nachdem sein Parteienbündnis „Ensemble“ bei den Europawahlen Anfang Juni massiv verloren hatte. Frankreichs Bürger entschieden sich für den „Nouveau Front Populaire“- das von linken Parteien mit den französischen Grünen gebildete Wahlbündnis.

Dieses gewann 182 der 577 Mandate. Macrons „Ensemble“ entsendet 168 Abgeordnete. Der rechtsradikale „Rassemblement National“ (RN) von Marine Le Pen landete mit 143 Sitzen auf dem dritten Platz. Mit diesem Ergebnis hat sich die französische Gesellschaft erfolgreich gegen die Rechtsextremen verteidigt. Mit ihm stellt die Mehrheit der Franzosen aber auch die Erfolge von Macrons Industrie- und Wirtschaftspolitik zur Disposition.

Viele gerade junge Franzosen haben davon nicht profitiert. Sie haben daher nicht nur deshalb „links“ gewählt, um eine Mehrheit des RN zu verhindern. Sie wollen auch, dass die von den Parteien des „Nouveau Front Populaire“ zu bildende neue Regierung die Reformen Macrons in der Arbeitsmarkt-, Renten- und Sozialpolitik zurücknimmt.

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Ausländische Firmen investieren vor allem in Frankreich

Darunter droht die bislang extrem große Attraktivität Frankreichs als Investitionsstandort und seine Bedeutung als Exportmarkt für den deutschen Maschinenbau zu leiden. In keinem anderen europäischen Land haben seit 2020 mehr ausländische Unternehmen investiert als in der Grande Nation, berichtet die Unternehmensberatung EY. Insgesamt stieg die Zahl der Vorhaben 2022 - neuere Zahlen liegen nicht vor - um sieben Prozent.

Im Maschinenbau folgte die Investitionstätigkeit dem allgemeinen Trend. In der Industrie ging sie zwar um ein Prozent auf 457 Vorhaben zurück. Durch diese entstanden aber trotzdem 13 Prozent mehr Arbeitsplätze. Die Zahl der Projekte, mit denen Unternehmen Forschungstätigkeiten in Frankreich ansiedelten, stieg gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent. Investitionsvorhaben im Bereich der Konstruktion und Entwicklung legten sogar um 47 Prozent zu, berichtet Frankreichs Außenwirtschaftsagentur 'Business France'.

Mit den Investitionen stieg die Nachfrage französischer Unternehmen nach Gebäuden, Anlagen und Maschinen um 2,7 Prozent, meldet die französische Zentralbank. „Diejenigen Firmen, die finanziellen Spielraum haben, investieren verstärkt in Energieeffizienz, Digitalisierung und in die Dekarbonisierung der Produktion“, erläutert Frauke Schmitz-Bauerdick von Germany Trade and Invest.

Davon profitierte auch der deutsche Maschinenbau. „Der französische Exportmarkt ist für Deutschland wichtiger als der chinesische“, erklärt Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Paris.

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Frankreichs Maschinenbau ist klein aber oho

Die Nachfrage nach Maschinen kommt vor allem aus Frankreichs starken Industrieclustern in der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt sowie der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie. Außerdem unterhalten US-amerikanische Maschinenbauer wie John Deere, AGCO, Manitou und General Electric in der Grande Nation Werke, von denen aus sie ihre Fabriken an anderen europäischen Standorten beliefern.

Insgesamt ist Frankreich mit einem Umsatz von 38,6 Milliarden Euro daher der drittwichtigste Markt europäischer Maschinenbauer nach Deutschland selbst und den USA. Dort werden 58 Milliarden Euro erlöst, in China 33,6 Milliarden Euro, berichtet VDMA.

„Deutschland ist auch der größte europäische Direktinvestor in Frankreich“, ergänzt AHK-Chef Brandmaier. Unter den zehn größten Maschinenbauunternehmen Frankreichs finden sich deutsche Firmen wie der Landmaschinenhersteller Claas aus Harsewinkel und der Baumaschinenkonzern Liebherr aus Kirchdorf an der Iller.

Warum hat Frankreich geschafft, woran Deutschland scheitert?

Wieso gelingt es Frankreich besser als Deutschland, solche Investoren von sich zu überzeugen? Die Frage ist berechtigt. Denn in vielen Bereichen steht die Grande Nation keineswegs besser da als die Bundesrepublik. In der Industrie fehlen jenseits wie diesseits des Rheins Facharbeiter. Auch die Bürokratie bereitet Betrieben auf beiden Seiten des Flusses erhebliche Probleme.

Energie ist in Frankreich trotz des weltweit zweitgrößten Bestands an Atomkraftwerken deutlich teurer als in Polen oder Skandinavien. Zudem streiken französische Gewerkschaften gerne und haben einen mit 11,65 Euro pro Stunde hohen Mindestlohn durchgesetzt.

Allerdings erlaubte es das Präsidialsystem der 5. Republik Präsident Macron bislang auch, „klare Prioritäten zu setzen und neue Maßnahmen schnell umzusetzen“, erklärt Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Für Macron hieß dies vor allem, gezielt Technologien wie Blockchain, Cloud, KI, Mikro-und Nanoelektronik sowie Quantencomputer zu fördern.

Denn der Hausherr des Élysée Palastes ist überzeugt, dass politische Souveränität und geopolitischer Einfluss mit den technologischen Fähigkeiten eines Staates verbunden sind, erläutert Sophie-Charlotte Fischer, Senior Researcher am Center for Security Studies der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.

Quantentechnologie erklärt

Was ist Quantentechnologie eigentlich? Warum sind Quantentechnologien so relevant? Antworten auf all diese Fragen lesen Sie in unserem großen Überblick: "Das müssen Sie über Quantentechnologie wissen".

Warum die Technologie für Deutschland so relevant ist und was Forschung, Politik und Unternehmen planen, erfahren Sie hier: "Quantentechnologie: Warum Deutschland jetzt handeln muss".

 

Hier finden Sie alle unsere Artikel zur Quantentechnologie.

Technologie: Reformeifer statt Stillstand

Deutschland scheint dieses Verständnis für die weltpolitische Bedeutung von Technologien dagegen abhandengekommen. Nach 16 Merkel- und zweieinhalb Jahren Streit in der Ampelkoalition, herrsche Stillstand, stellt DIW-Chef Marcel Fratzscher fest.

Anders in Frankreich. Dort hat Emmanuel Macron nicht nur Schlüsseltechnologien gefördert. Er hat von Beginn seiner Präsidentschaft an auch tiefgreifende Reformen umgesetzt. So hat er kurz nach seinem Amtsantritt 2017 den einst strengen Kündigungsschutz im französischen Arbeitsrecht gelockert und Ausnahmen von der gesetzlichen 35-Stunden-Woche eingeführt. Bis dahin hielt das strikte Arbeitsrecht viele Betriebe davon ab, Personal einzustellen. Das bremste ihr Wachstum. Heute ist die Arbeitslosigkeit in der Grande Nation dagegen mit 7,5 Prozent so niedrig wie seit 1982 nicht mehr.

Um die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu fördern, führte Macrons Regierung zudem die Programme „Talent-" und „French Tech-Visa“ ein. Durch sie bekommen Arbeitnehmer und ihre Ehepartner unbürokratisch für vier Jahre eine erneuerbare Aufenthaltsgenehmigung. Sie erlaubt beiden Partnern, in Frankreich zu arbeiten.

Macrons unternehmerfreundliche Steuerpolitik und die Folgen

Ebenfalls bereits 2017 beschloss Macron, den Spitzensteuersatz für Unternehmen bis 2022 auf 25 Prozent zu senken. Schon seit 1983 können Unternehmen zudem 30 Prozent ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) direkt von der Steuer abziehen. Das ist zwar bei 100 Millionen Euro gedeckelt. Als FuE-Aufwand gelten aber auch die Löhne und Gehälter der in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter.

Für ihre unternehmerfreundliche Politik hat Macrons Regierung allerdings einen hohen Preis bezahlt. Frankreich ist heute mit 3.100 Milliarden Euro oder 110 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet. Bei Macrons Amtsantritt lag die Staatsverschuldung bei 98 Prozent des BIP. In Deutschland sind es aktuell 64 Prozent. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Kreditwürdigkeit der 5. Republik daher Anfang Juni herabgestuft. Fitch, eine weitere Ratingagentur, hat das schon 2023 getan. Ebenfalls im Juni 2024 hat die Europäische Kommission zudem ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet.

Finanziell steht Frankreich mit dem Rücken zur Wand

Das finanzielle Missmanagement könnte der unter Führung des „Nouveau Front Populaire“ neu zu bildenden Regierung auf die Füße fallen. Denn wenn Frankreich die Kriterien der EU für die finanzielle Stabilität ihrer Mitgliedsstaaten 2027 wieder erfüllen will, muss es bis dahin jedes Jahr 20 Milliarden Euro einsparen.

Frankreichs linke Wahlgewinner haben allerdings genau das Gegenteil vor. Sie wollen staatlich subventioniert die Energie- und Lebensmittelpreise einfrieren und das von Macron auf 64 Jahre angehobene Renteneintrittsalter wieder auf 60 Jahre senken. Das belastet entweder die Rentenkassen oder den Staatshaushalt, wenn Zuschüsse aus diesem nötig werden. Schätzungen zufolge kosten alle Wahlversprechen zusammen die französische Staatsschatulle mehr als 100 Milliarden Euro.

Deutsche Maschinenbauer könnten dafür mit Umsatzverlusten auf ihrem wichtigsten Auslandsmarkt zahlen, sollte die französische Wirtschaft die Politik der künftigen Regierung nicht vertragen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe könnte unter dem Wahlausgang in Frankreich leiden.

Denn wenn die französische Regierung ebenso wie jene Italiens, Griechenlands, Belgiens, der Slowakei oder Maltas nicht spart, könnten internationale Investoren den Euro nicht mehr für ausreichend stabil halten, um ihn als Anlagewährung zu nutzen. Die internationale Finanzindustrie diskutierte schon vor den Wahlen zur Assemblée Nationale über die Wahrscheinlichkeit einer neuen Eurokrise.

Somit haben die Franzosen zwar am 7. Juli die Stimme ergriffe und die Politiker gewählt, die sie für die richtigen halten. Die Demokratie hat damit in der Grande Nation über den Rechtsextremismus gesiegt. Welche Folgen der Wahlausgang für Europa hat, wird sich noch zeigen.

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