Grüner Strahl schießt aus einer Box in den Himmel neben einem Sendemasten

Mithilfe eines sehr speziellen Lasers wird der im Bild zu sehende grüne Plasmakanal erzeugt, der Blitze ableiten kann. (Bild: Trumpf / Martin Stollberg)

Stellen Sie sich vor sie sind auf einem Festival, stehen mit anderen inmitten eines großen Felds und plötzlich ziehen Gewitterwolken auf aus denen viele Blitze schlagen. Eine beängstigende Situation, und das zurecht. Gerade an solch exponierten Stellen können Blitze besonders gefährlich werden.

Aber auch für die gasverarbeitende Industrie oder Raffinerien sind Blitzeinschläge ein großes Problem. Dort kann es durch Blitzeinschläge schnell zu Bränden oder gar Explosionen kommen.

In all diesen Situationen könnte ein neuartiger Blitzableiter helfen, der mit einem Laser arbeitet. Wie ein solcher Laser-Blitzableiter in Zukunft funktionieren könnte, hat Trumpf in einem imposanten Forschungsprojekt gezeigt.

Im Rahmen des EU-Projekts ‚Laser Lightning Rod‘ von Trumpf und der Uni Genf wurden auf dem Gipfel des Schweizer Berg Säntis Experimente für einen laserbasierten Blitzableiter gemacht. Mehr zu dem Projekt selbst lesen Sie in jenem Beitrag:

Warum ein Laser als Blitzableiter?

Das Hauptargument für einen Laser als Blitzableiter ist, dass er sich dort einsetzen lässt, wo konventionelle Blitzableiter scheitern. „Der Laser wird niemals den konventionellen Blitzableiter auf dem Gebäudedach ersetzen, sondern er wird immer nur für spezielle Orte eingesetzt werden“, erläutert Thomas Metzger, Managing Director Trumpf Scientific Lasers. Dabei ginge es beispielsweise um Flughäfen oder Fußballplätze. Auch mobile Einsätze wie beispielsweise bei Festivals seien denkbar.

Gerade dieser mobile Einsatz für eine beschränkte Zeit zeigt die Vorteile des Laser-Blitzableiters gegenüber den konventionellen. „Es geht einfach schneller den Laser zu platzieren, als eine mechanische Konstruktion zu installieren“, so Metzger. „Sie können den Laser einfach auf einen Lkw stellen und dann beispielsweise neben einem Festival auf die Wiese fahren.“

Außerdem kann ein solcher Laser einen größeren Bereich schützen, wie Metzger erklärt. Ein mechanischer Blitzableiter auf dem Dach decke immer nur einen gewissen Bereich darunter ab, aber eben nicht das Nebengebäude oder das Feld hinterm Haus. „Wenn ich jetzt aber einen Laser habe, der weit in den Himmel schießt, dann wird ein wesentlich größerer Bereich darunter geschützt“, so der Laserexperte. „Wenn ich jetzt an ein Festival denke oder ein Fußballfeld, dann ist das natürlich ein größerer Bereich, der geschützt werden muss und das könnte man dann mit ein oder zwei Lasern abdecken.“

Wo kann ein Laser-Blitzableiter genutzt werden?

Die kurze Antwort: überall dort, wo es mit einem einfachen Draht nicht getan ist.

 

Dazu gehören beispielsweise Flughäfen, Wälder, Fußballfelder und Festivalgelände.

 

Aber auch große Industrie-Anlagen können mit Lasern vor Blitzeinschlägen geschützt werden, beispielsweise Raffinerien oder Chemieanlagen.

Wie funktioniert der Laser-Blitzableiter?

Die Funktionsweise des Laser-Blitzableiters ist sehr ähnlich zu dem eines konventionellen Blitzableiters. Blitze suchen sich immer den für sie einfachsten Weg, sprich den mit der besten Leitfähigkeit. Daher sind konventionelle Blitzableiter Metallstäbe oder Drähte, die aufgrund der freien Elektronen im Leitungsband des Metalls eine hohe Leitfähigkeit haben.

Mit dem Laser wird dem Blitz auf ähnliche Weise ein für ihn günstiger Weg angeboten. „Im Prinzip ist es als ob Sie einen über hundert Meter langen Draht in den Himmel halten“, witzelt Metzger. Etwas komplizierter ist es allerdings doch und auch nicht jeder Laser ist dafür geeignet.

Grüner Lichtstrahl leuchtet neben Funkmast in den Himmel mit Wolken und Sternen. Im Hintergrund sieht man das erleuchtete Tal.
Das grün leuchtende Filament gibt möglichen Blitzen den Weg vor. Der Funkmast dient beim Experiment auf dem Schweizer Berg Säntis als konventioneller Blitzableiter, in den der Laser die Blitze führt. (Bild: Trumpf / Martin Stollberg)

Der eingesetzte Laser erzeugt in der Luft einen Plasmakanal mit freien Elektronen (wie im Metall), die dann den Strom ableiten können. „Dieses Filament ist einfach ionisierte Luft. Dieses Filament ist in unserem Fall ungefähr 100 bis 150 Meter lang, so dünn wie ein Spaghetti“, erklärt Metzger. „Und dieses leitfähige Spaghetti ist dann natürlich sehr attraktiv für einen Blitz.“

Damit der Blitz dann aber nicht in die Laserquelle einschlägt, kommt am Ende des Filaments wieder ein konventioneller Blitzableiter zum Einsatz. So könnte zum Beispiel eine Chemieanlage geschützt werden, indem der Laser über ihr im Himmel ein Filament erzeugt, das Blitze in einen ein Stück entfernten geerdeten Metallstab leitet.

Doch wie wird dieses Filament genau erzeugt? Der Clou ist eine besonders hohe Pulsspitzenleistung des Lasers und die Effekte der nichtlinearen Optik, insbesondere, dass der Brechungsindex vieler transparenter Medien bei sehr hohen Energien eine intensitätsabhängige Komponente hat.

Der Laserpuls wird also in den Himmel geschossen und seine Intensität sorgt dafür, dass sich der Brechungsindex verändert und der Strahl immer weiter fokussiert wird. „Irgendwann erreicht der Laserstrahl dann die Schwelle, ab der er die Luft ionisiert“, erklärt der Trumpf-Laserexperte. „Und dieses Plasma, das dann entsteht, defokussiert den Laserstrahl dann wieder. Doch durch die Nichtlinearität der Luft wird er wieder fokussiert und diese beiden Effekte heben sich gegenseitig auf.“ Dies führe dann dazu, dass sich besagtes Filament bilde, das über eine lange Strecke erhalten bleibt.

Berggipfel auf mit Bergstation, Hütte, Funkmast und in den Himmel strahlendem grünen Lichtstrahl
Der laserbasierte Blitzableiter wurde von Trumpf und der Universität Genf auf dem über 2500 Meter hohen Berg Säntis in der Schweiz getestet. (Bild: Trumpf / Martin Stollberg)

Der Leuchteffekt des Plasmakanals, der auf den Bildern zu sehen ist, entsteht übrigens durch die Rekombination der freien Elektronen. Die sind nämlich nicht so gerne frei und suchen sich wieder Atome, an die sie andocken können. Dabei geben sie ihre Bewegungsenergie als Licht ab.

Der Plasmakanal, der von einem einzelnen Laserpuls erzeugt wird, bleibt allerdings nur kurze Zeit erhalten. Das reicht natürlich nicht aus, um Blitze abzuleiten, da diese eine gewisse Zeit brauchen, um einen Weg zur Entladung zu finden. Deswegen wird zusätzlich mit einer sehr hohen Pulswiederholrate in die Luft gefeuert und so wird das Filament aufrechterhalten.

Redakteurin Julia Dusold mit additiver Greiferlösung
  (Bild: PRODUKTION)

Die Autorin Julia Dusold ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights.

Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten.

Was ist also das Besondere an dem eingesetzten Laser?

„Das Geheimnis unseres Lasers ist die Kombination aus einer sehr hohen Pulsenergie, sehr kurzen Pulsen und einer hohen Pulswiederholrate“, erläutert Metzger stolz. „Das sind die Schlüsselelemente für dieses Experiment, denn nur so schaffen wir es, diesen Plasmakanal permanent offen zu halten und Blitze ableiten zu können.“

Der ‚Blitzlaser‘ von Trumpf hat eine Pulsenergie von ungefähr einem Joule. Das mag zunächst nicht nach allzu viel klingen – ein Joule ist die Energie, die man benötigt, um eine typische Tafel Schokolade (100 Gramm) einen Meter hochzuheben – aber konzentriert in einem kurzen Puls ergibt sich die für die Ionisierung der Luft benötigte hohe Pulsspitzenleistung. In diesem Fall beträgt diese zirka ein Terrawatt.

Die Pulse des Lasers haben eine Dauer von weniger als einer Pikosekunde, sprich sie sind kürzer als eine Billionstel Sekunde. „Das sind nicht die kürzesten Laserpulse der Welt, aber für einen Laser mit einer so hohen Energie und Wiederholrate ist das schon etwas Besonderes“, kommentiert Metzger. Die Wiederholrate beträgt 1000 Pulse pro Sekunde.

Aus diesen Eigenschaften ergibt sich eine sehr hohe Leistung, was für Ultrakurzpulslaser ungewöhnlich ist. „Bei unserem Laser liegt die mittlere Leistung bei bis zu einem Kilowatt“, führt der Trumpf-Mann aus. „Das ist für einen Ultrakurzpulslaser mit einem Joule Energie schon eine Menge Holz, also wahrscheinlich in dem Wiederholraten-Bereich sogar die höchste mittlere Leistung überhaupt.“ Ein echter Superlaser also.

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  (Bild: rul8let – stock.adobe.com)

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Wofür kann ein solcher Laser noch eingesetzt werden?

Wo dieser Superlaser als Blitzableiter in Zukunft eingesetzt werden könnte, haben wir bereits weiter oben aufgezählt. Doch es gibt auch noch weitere Einsatzbereiche für Laser mit diesen speziellen Eigenschaften.

Dazu gehört beispielsweise die Satellitenkommunikation. Hier könnte der Laser für eine stabilere und schnellere Datenübertragung sorgen, selbst bei wolkigem Himmel. Dazu schießt man mit dem Superlaser in die Wolken und der entstehende Plasmakanal sorgt für freie Sicht auf den Satelliten. „Zumindest für einen kleinen anderen Laserstrahl, der dann die Daten übertragen kann“, so Metzger. „Im Prinzip wäre das dann eine Art Glasfaserkabel zwischen Erde und Satellit.“

Aber nicht nur für die Kommunikation ist die Manipulation von Wolken nützlich, sondern auch zum Schutz vor Schäden durch Extremwetterlagen. Dabei dient das mithilfe des Lasers erzeugte Filament als Kondensationskeim für Wolken. So kann man die Wolken dazu bringen, bereits früher abzuregnen, sodass es nicht zu Schäden durch Hagel oder Starkregen kommt.

Dies wird bereits mit sogenannten Wolkenimpfungen gemacht, bei denen Hagelflugzeuge Chemikalien wie Silberiodid-Aceton in Wolken einbringen, um sie abregnen zu lassen. Doch der Laser könnte aus mehreren Gründen eine gute Alternative sein. „Der Laser hat hier den Vorteil, dass er das ganze ohne Chemie schafft“, kommentiert der Laser-Experte. „Außerdem wäre es deutlich günstiger und es muss sich kein Pilot in Gefahr begeben.“

Blick in den Laser: viele optische Bauteile aneinandergereiht in einem Gehäuse mit durchsichtigem Deckel
Blick ins Innere des Lasersystems, das von der Universität Genf und Trumpf im Rahmen des Projekts 'Laser Lightning Rod' entwickelt wurde. Die Kosten: rund zwei Millionen Euro. (Bild: UNIGE)

Doch auch Dinge, die nichts mit dem Wetter zu tun haben, sind denkbar. „Zum Beispiel können wir mit dem Laser Neutronen beschleunigen oder Röntgenstrahlen erzeugen“, berichtet Metzger. Die Röntgenstrahlen könnten dann im medizinischen Umfeld genutzt werden. Und mit den beschleunigten Neutronen ließe sich beispielsweise Betonkrebs untersuchen.

Die vielen Einsatzmöglichkeiten zeigen: Die Entwicklung des Blitzableiter-Lasers hat sich für die Forscher auf jeden Fall gelohnt. „Selbst, wenn das mit dem Blitz jetzt nicht funktionieren sollte, dann haben wir trotzdem eine fortschrittliche Technologie entwickelt und können die dann auch woanders einsetzen.“

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