Weltkarte mit Binärzahlen als Zeichen der Digitalisierung

Um Krisen besser zu bewältigen und die Unternehmen resilienter aufzustellen gilt die Digitalisierung als Lösung. - (Bild: adobe.stock.com - yongheng19962008)

Durch die Corona-Pandemie kollabierten globale Logistiknetzwerke und damit große Teile der Wirtschaft. Inwieweit die Digitalisierung die Supply Chain resilienter macht, beschreibt die Studie Supply Chain Risk Management.

Digitalisierung unterstützt Schnelligkeit und Transparenz als wesentliche Erfolgsfaktoren. Die Studie zeigt, dass die meisten Unternehmen das als wichtiges Handlungsfeld erkannt haben. Sie zeigt aber auch, dass viele noch am Beginn des Weges stehen,“ erläutert Hans Christoph Dönges, Vorstand von Salt Solutions.

Die Studienaufgabe

Die Forschungsfrage der Studie war einfach: Sind digitale Unternehmen resilienter? Also war zu klären, wie digital und wie resilient sie sind. Zur Beurteilung der Resilienz wurde Covid-19 zum Anlass genommen und untersucht, wie der Grad der Betroffenheit der Unternehmen mit der Fähigkeit zum Gegensteuern korreliert. Außerdem wurde nach Strategien zur Krisenbewältigung gefragt. "Wir haben mehr als 500 Teilnehmer aus den Netzwerken der Studienpartner gefragt und wir haben hier eine sehr gute Mischung an Repräsentanten aus Industrie, Logistikdienstleitung und Handel gefunden und auch unterschiedliche Unternehmensgrößen sind sehr gut vertreten", beschreibt Dönges.

Kernergebnisse zur Widerstandskraft

Die befragten Unternehmen sehen sich laut Studie im Grundsatz als Krisenbewältiger, denn die eigene Anpassungsfähigkeit wird im Durchschnitt höher bewertet als die Auswirkungen. "Am schwerwiegendsten wurden jedoch Probleme bei der Beschaffung identifiziert und die damit einhergehenden Kosten. Probleme bei Produktion und Distribution waren auch erkennbar, aber die waren weniger schwerwiegend", erläutert Dönges.

Ganz erfreulich war, dass Sicherheits- und Hygienethemen überwiegend gut kompensiert werden konnten und deswegen, als die Produktion wieder losging, auch die Unternehmen wieder ans Arbeiten gekommen sind, so Dönges.

Hans Dönges, Vorstand von Salt Solutions
Hans Christoph Dönges, Vorstand von Salt Solutions.

"Es zeigt sich tatsächlich, dass digitalisierte Unternehmen besser mit Krisen zurechtkommen und digitale Prozesse, Monitoring und Planung dabei das Rückgrat sind", sagt Hans Christoph Dönges, Vorstand von Salt Solutions. - Bild: Salt Solutions

Fähigkeit zur Resilienz lernen, um die Wirtschaft zu stärken

In der Lager- und Transportlogistik, die sich grundsätzlich als sehr flexibel erwiesen haben, wurde fehlende Planungssicherheit sehr stark bemängelt, heißt es in der Studie.

"Gerade auf diese fehlende Planungssicherheit konnte auch am wenigsten gut reagiert werden. Bei der Frage, welche Abläufe und Prozesse bereits digitalisiert sind, rangieren wenig überraschend Videokonferenzen, Informations- und Wissensaustausch ganz weit vorne, aber dicht gefolgt von Prozessen zur Anbindung von Geschäftspartnern", beschreibt Dönges die unterschiedliche Entwicklungen der digitalen Revolution.

Etwas abgeschlagen fänden sich die digitalen Planungsprozesse, Echtzeitmonitoring und Analytics. "Da kann man sich schon die Frage stellen, ob das im Zusammenhang mit der schwachen Reaktionsfähigkeit und Planungssicherheit steht. Es zeigt sich tatsächlich, dass digitalisierte Unternehmen besser mit Krisen zurechtkommen und digitale Prozesse, Monitoring und Planung dabei das Rückgrat sind", unterstreicht Dönges.

"Mehr Informationen durch Digitalisierung"

Robert Blackburn, Stanley Black & Decker. -
Robert Blackburn, Senior Vice President of Global Operations Stanley Black & Decker. - (Bild: Stanley Black & Decker)

Robert Blackburn, Stanley Black & Decker, Senior Vice President of Global Operations:

"Wir hatten glücklicherweise bereits im Jahr 2019 ein sogenanntes NOC – Network Operation Center eingeführt. Wir haben es mit Daten untermauert und neue Software eingeführt, so dass ich weltweit ein Bild von Kunden, Orten, Lieferantenorten und natürlich über die Lage unserer großen Verteilungszentren und eigenen Produktionsstätten hatte. Als Covid-19 in China eingeschlagen ist, hatte ich schon ein extrem gutes Bild davon, wo was war und wie ich redundante Knoten in unserer Kette verwenden konnte - beispielsweise wie ich die Produktion umshiften konnte. Das lief alles über die Software. Mittlerweile sind wir auch in Industrie 4.0 weit fortgeschritten, sodass ich innerhalb des NOC weiß, was in einer Fabrik läuft und ich kann anhand des NOC entscheiden, Aufgaben an eine andere Anlage weiterzugeben. Das ist dann sehr gut gelungen, denn letztendlich hatten wir überhaupt keinen Bedarf verpasst."

Aus der Vergangenheit lernen und digitale Technologien stärken

Er verweist allerdings auch darauf, dass die Unternehmen bei dieser Entwicklung erst am Anfang stehen, denn nur etwa ein Drittel der befragten Unternehmen plant oder setzt bereits Supply Chain Risk Managementsysteme ein. Allerdings wird die Pandemie hier einhellig als Weckruf gesehen.

Resilienz verbinde zweierlei: nämlich vorbereitet sein sowie Reaktionsvermögen. "Wenn Sie ein Hochhaus in Erdbebengebiete bauen, dann investieren Sie in Struktur und Redundanz. Das ist proaktiv. Zusätzlich wird häufig in Frühwarnsysteme investiert, nicht um das Erdbeben zu vermeiden, sondern um schneller und rechtzeitig zu reagieren. Das ist der reaktive Abprall", zeigt Dönges ein Beispiel von Resilienz auf.

In der Studie wird am häufigsten zur Stärkung der Redundanz Multi-Sourcing genannt. "Für mich wird erstaunlicherweise jedoch deutlich, dass Covid-19 zu keinen strukturellen Veränderungen von Wertschöpfungsketten, wie etwa Regionalisierung oder ähnliches führen wird. Ich denke, wir werden das trotzdem erleben, aber aufgrund von anderen Megatrends, wie zum Beispiel Fertigung in Losgröße 1 oder Amazonisierung von Einkaufs- und Distributionsprozessen. Wenn man da umstrukturiert, dann sollte man Resilienz mitdenken", verdeutlicht Dönges.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie

  • Gerade die Beschaffungslogistik hatte im vergangenen Jahr die größten Probleme zu bewältigen
  • Produzierende Unternehmen waren unter anderem aufgrund von Versorgungsengpässen stark betroffen
  • Digitalisierte Unternehmen sind besser in der Lage, Krisen zu überwinden.

"Fähigkeit zur Verzahnung von Business-Prozessen"

Franz Hero, Head of Development Digital Supply Chain, SAP
Franz Hero, Head of Development Digital Supply Chain, SAP. - (Bild: SAP)

Franz Hero, Head of Development Digital Supply Chain, SAP:

"Die größte Hürde beim Aufbau digitaler Supply Chains liegt in der Verzahnung der Business-Prozesse – innerhalb eines Unternehmens, aber auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Gerade das hat die Krise hervorgebracht, dass man schnell auf sich verändernde Bedarfs- und Supply-Situationen reagieren muss. Das startet mit Berechnungsplanung, denn Sales und Operations soll zusammenkommen, dann folgt die Planung der Bedarfsvorausschau des Supplies. Im Anschluss auch die Verzahnung in die Fabriken und mit den Logistik-Service-Providern. Und ebenfalls mit den Lieferanten, um die Informationen schnell auszutauschen und gemeinsam reagieren zu können.

Was dabei hilft? Unser Projekt 'Synchronized Planning'  - angefangen von Sales Operations Planning über Demand Planning und Supply Planning sowie Response Planning – das zu integrieren mit unseren Manufacturing-Modulen sowie den Transportation-Planning-Modulen und dann natürlich auch über unser Einkaufsmodul. Diese Verzahnung über unser digitales Supply-Chain-Collaboration-Tool hinzubekommen in einem integrierten Prozess – daran arbeiten wir."

Frühwarnsystem für mehr Resilienz der Wirtschaft via Internet möglich

Betrachtet man das Thema Planungsunsicherheit, dann ist klar, dass man sich umso besser auf etwas einstellen kann, desto eher man etwas mitbekommt. "So gibt es mittlerweile auch Frühwarnsysteme für Krisen und Störungen in der Logistik. Wenn man diese zum Beispiel mit Planungssystemen in Unternehmen koppelt - bis hin zur automatischen Priorisierung von Kunden- und Fertigungsaufträgen oder zur automatischen Neudispositionen von Transportressourcen - kann man hier zu einem ganz anderen Grad von Agilität kommen", unterstreicht Dönges.

"Im Grunde reden wir hier über die Automatisierung von Denkprozessen", so Dönges weiter. Laut ihm werden Menschen unterstützt oder durch viel schnellere Maschinen, die treffsicherer Entscheidungen aufgrund von sehr vielen Daten treffen können, auch ersetzt.

"Dabei wird bislang der Informationsgehalt der sozialen Medien am meisten unterschätzt. Social Media Crawling und Analytics wird von den wenigsten Studienteilnehmern eingesetzt oder geplant. Aus meiner Sicht schlummert hier ein riesiges Potenzial, denn dort sind die Informationen kostenlos, reichhaltig, allgemein verfügbar und verbreiten sich rasend schnell", prognostiziert Dönges.

Er richtet auch noch einen Apell an die Unternehmen: "Digitalisierung macht Ihre Supply Chain bewusst. Fangen Sie also bitte mit der Digitalisierung an. Und wenn Sie noch nicht wissen, wo Sie anfangen können, dann denken Sie vielleicht einmal von hinten. Wo können Denkprozesse automatisiert werden? Welche Informationen aus welchen Systemen braucht man dafür?"

Letztlich lässt sich auch sagen, dass die Unternehmen ihre Fähigkeit zur Resilienz durch die fortlaufende digitale Revolution und dem damit verbundenen Lernen durch Künstliche Intelligenz sowie den vermehrten Einsatz von Internet-Technologien stärken.

"Digitalisierung ist der Schlüsselfaktor"

Berit Börke, Chief Sales Officer, TX Logistik
Berit Börke, Chief Sales Officer, TX Logistik (bis 31.10.20, nun Senior Advisor). - (Bild: TX Logistik)

Berit Börke, Chief Sales Officer, TX Logistik (bis 31.10.20, nun Senior Advisor):

"Zuerst haben die Entwicklungen durch die Pandemie in China unsere Seehafenhinterlandtransporte beeinflusst. Dann kam der Lockdown in Italien, der sich auf unsere kontinentalen Verkehrsvolumina ausgewirkt hat. Schließlich waren alle Bereiche von Rückgängen betroffen.

Einen generellen Trend zur Regionalisierung sehe ich nicht. Für einige Industrien mag das passend sein. Aus meiner Sicht ist aber die Kernfrage: Wie schaffen wir es, Supply Chains resilienter zu gestalten? Sind die Leadtimes so richtig, wo brauchen wir mehr Puffer? Es wird weiter intensiv daran gearbeitet werden, die Transparenz und Steuerungsfähigkeit in arbeitsteiligen Netzen zu erhöhen.

Meine Einschätzung zur Digitalisierung ist, dass viele Unternehmen sagen, Covid-19 hat ihrer digitalen Transformation zusätzliche Impulse gegeben. Denn auch vermeintlich gut aufgestellte Unternehmen sind durch die anhaltende Phase der Pandemie aus ihrer Komfortzone katapultiert worden. Deshalb ist der Druck deutlich gestiegen, insbesondere in anlagenintensiven Bereichen Effizienzen zu heben. Die Digitalisierung ist hierbei ein Schlüsselfaktor."

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Fazit der Studie

  • Für Industrieunternehmen zeigen sich die stärksten Auswirkungen in Beschaffungskosten, Materialverfügbarkeit und Überkapazitäten in der Produktion
  • Im Bereich Logistik haben die schwankende Nachfrage und eine verzögerte Abfertigung die Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt
  • Gleichwohl haben die Industrieunternehmen im Durchschnitt die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geringer bewertet als die Anpassungsfähigkeit ihres Unternehmens
  • Der Wirtschaftsbereich Logistik befindet sich mitten im digitalen Transformationsprozess und die Corona-Pandemie wird als Beschleuniger dieses Prozesses wahrgenommen
  • Supply Chain Risk Management-Systeme sind erst bei einem Drittel der Unternehmen im Einsatz, sie werden in der Bedeutung auch ERP, MES und Logistik-Software untergeordnet
  • Jedes dritte Unternehmen plant jedoch die Technologie Real-Time-Tracking innerhalb der nächsten zwölf beziehungsweise 36 Monate einzuführen
  • Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Resilienz
  • Die digitale Transformation und die Verbesserung des Planungsprozesses mit den Partnern der Supply Chain ist der wichtigste strategische Stellhebel für die Unternehmen
  • Veränderungen in der Wertschöpfungskette, zum Beispiel Regionalisierung, haben eine deutlich geringere Bedeutung
  • Rund ein Viertel der Industrie-und Handelsunternehmen planen für die kommenden zwölf Monate das Auflegen von Restrukturierungs-und Kostensenkungsprogrammen
  • Für die produzierenden Unternehmen in Europa wird erwartet, dass sie 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen werden
  • Ebenfalls wird eingeschätzt, dass Deutschland schneller die Krise bewältigt als vergleichbare EU-Länder

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