Reinhold Groß ist seit September 2023 CEO der Kuka Robotics Division.

Reinhold Groß ist seit September 2023 CEO der Kuka Robotics Division. (Bild: Kuka)

China ist für die Robotik der wichtigste Markt. Ist das auch für die Robotiksparte von Kuka der Fall?

Reinhold Groß: Der chinesische Markt ist in der Tat der größte für die Robotikbranche und das wird auch so bleiben. 2022 lag der Anteil bei 53 Prozent. Die Zahlen für 2023 stehen noch nicht zur Verfügung. Da wird der Anteil vermutlich etwas kleiner sein, aber der Abstand zur Nummer zwei, Japan mit rund elf Prozent Anteil, ist sehr groß.

Die Message ist: China wird den Robotermarkt auf Sicht weiter dominieren. Man muss aber ein wenig differenzieren: Wir verkaufen 50 Prozent unserer Roboter in China, machen aber in der Robotiksparte nur ein Drittel des Umsatzes in China.

Daran sieht man: das Preisniveau dort ist ein anderes, aber auch das Portfolio unterscheidet sich. Branchenweit werden in China mehr mittlere und kleine Industrieroboter verkauft. Im Rest der Welt liegen wir da in höheren Lastbereichen.

Sie haben sehr starke Wachstumsziele – auch für die Robotik. Wie wollen Sie diese erreichen?

Groß: Um stärker als der Markt zu wachsen, müssen wir uns breit aufstellen. Das ist auch der Grund, warum wir in verschiedenen Gebieten aktiv sind. Unser Portfolio umfasst daher auch Delta- und Scara-Roboter. Nun gehen wir zusätzlich noch stärker in den AMR-Bereich.

Hier waren wir bisher auch schon aktiv, aber das waren bislang eher spezialisierte mobile Roboter, ohne in diesen großen Flächenmarkt umfassend einzudringen. Das soll sich nun ändern. Unser Ziel ist es, bis 2025 zu den Top-5-AMR-Herstellern weltweit zu gehörten.

Podcast: Kukas Chief Innovation Manager über Innovationsmanagement

Welche Rolle spielen beim Thema Wachstum ihre zwei Produktionsstandorte in Deutschland und China?

Groß: Wir sind deshalb wettbewerbsfähig, weil wir den Nutzen der zwei Standorte wirklich heben. Wir entscheiden uns sehr konkret, wo wir welchen Roboter entwickeln und produzieren. Wir haben ja keine expliziten China-Modelle. Dabei gehen wir stark auf die lokalen Märkte ein, haben dabei aber immer den globalen Markt im Blick.

Die Edition-Line-Roboter haben wir zum Beispiel in China gestartet. Wir stellen aber immer einen globalen Software- und Safety-Standard sicher. So können wir unsere Robotermodelle innerhalb weniger Monate auch global anbieten. Aktuell haben wir bereits vier Edition-Line-Typen, die ursprünglich in China für Asien entwickelt wurden und nun in Augsburg für den Rest der Welt montiert werden. Es gibt also eine starke Verzahnung.

Wie wichtig oder weniger wichtig ist denn der deutsche Markt inzwischen für Sie?

Groß: Der deutsche Markt ist wichtig, weil es unser Heimatmarkt ist. Das wird auch immer so bleiben. Wir haben in Deutschland auch den höchsten Marktanteil. Auch in Europa haben wir einen Marktanteil, der uns auch weltweit gefallen würde. Hier sind wir deshalb eher in einer Verteidigungsposition und wollen diese Position halten. Deutlich über dem Marktwachstum zu wachsen, wird schwierig. Dazu müssten wir in neue Industrien und Bereiche gehen.

In welchen Ländern sehen Sie noch Wachstumspotenzial?

Groß: Die Hauptwachstumsmärkte sind Nordamerika, aber auch Südostasien. In der Region in Summe sehen wir wirklich sehr gutes Wachstum. Hier haben wir die Tigerstaaten wie Malaysia, Thailand oder Südkorea. Aber auch in Indien setzt die Industrie viel Hoffnung, was ich spannend finde. Ich bin ja schon ein paar Jahre in der Industrie und habe früher immer gesagt, das ist für mich das Land der ewigen Hoffnung. Jetzt merkt man, es findet wirklich Wachstum statt.

Sie haben schon gesagt, in Deutschland gibt es nicht so starke Wachstumsraten wie in anderen Ländern. Mit welchen Themen wollen Sie denn auf dem deutschen Markt punkten?

Groß: Im deutschen Markt sind es tatsächlich immer noch die traditionellen Sechs-Achs-Roboter. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht zu abgedroschene Begriffe nutzt, aber Ease of Use und Ease of Integration sind weiterhin absolut vorherrschende Themen. Wahrscheinlich auch, weil sie jahrelang gepredigt, aber noch nie so richtig gut gelöst wurden.

Es steht daher in unserer Strategie weiterhin auch ganz oben. Alles, was den Kundinnen und Kunden die Benutzung und vor allem die Integration von Robotern erleichtert, erweitert uns den Zugang im General-Industries-Bereich.

Im Automotive-Bereich mit seinen großen Anwendungen sind die Prozesse schon etabliert. Dort kennen alle die Programmiersprachen, die Integrationsstrukturen und was sonst noch dazugehört. Dort ist es eher wichtig, permanent in den Innovationszyklen drinzubleiben. Wir müssen die Kosten optimieren und am Ball bleiben.

Man muss beim deutschen Markt auch sehen, dass wir einen sehr hohen Marktanteil im Automotive-Bereich haben. Da wird es irgendwann schwierig bis unmöglich, noch viel mehr Anteil zu gewinnen. Hier setzen wir deshalb auf Verteidigung und auf mehr Bandbreite, wie autonome mobile Roboter, oder auf neue Bereiche wie die Lebensmittelindustrie.

Sie haben die Automobilbranche schon angesprochen. Dort stagniert das Wachstum ja derzeit. Machen Sie sich als Zulieferer Sorgen?

Groß: Wir sehen schon, dass es in dem Automotive-Feld aktuell nicht das stärkste Wachstum gibt. Peter Mohnen hat in der Pressekonferenz gesagt, wir wachsen mit dem Erfolg unserer Kunden. Das gilt auch umgekehrt.

Deswegen ist es für uns sehr wichtig, dass sich die deutschen Automobilhersteller wieder berappeln. Ich bin da vorsichtig optimistisch, weil die Branche schon viele Schwenks hingekriegt hat. Ich glaube, es werden viele Firmen in der ganzen Neuausrichtung auf der Strecke bleiben, aber vermutlich nicht die großen Player. In den nächsten paar Jahren werden wir wahrscheinlich dort nicht das große Wachstum sehen. Aber wir sind ja nicht nur auf die deutsche Automobilindustrie fokussiert. Wir sind auch mit vielen internationalen Herstellern im engen Austausch.

Und wir setzen ja nicht nur auf Automotive. Wenn unser Anteil dort kleiner wird und dafür die General Industry viel mehr wächst, haben wir kein Problem damit.

In der ganzen Industrie wird viel über Fachkräftemangel gesprochen. Spüren Sie deshalb aus dem Mittelstand eine verstärkte Nachfrage nach Roboterlösungen?

Groß: Vor 15 Jahren war jedes Argument für Automatisierung ein Business Case. Man hat nur gerechnet. Es ging nur um Effizienz. Vor fünf Jahren kam ein Umbruch: immer mehr haben gesagt, man muss nicht mehr rechnen, weil man keine Leute mehr findet. Innerhalb dieses Zeitraums ist das Hauptargument also komplett gekippt. Plötzlich stand der Arbeitskräftemangel im Vordergrund.

Das ist interessanterweise ein Thema, das schon immer global war: In China gab es die gleiche Entwicklung. Ich kenne kein Land, in dem das kein Thema ist.

Die Unternehmen müssen sich unabhängiger machen von Beschäftigten, die sie eigentlich nicht mehr kriegen werden. Und das Problem verschärft sich weiter. Deshalb glaube ich daran, dass Robotik und Automatisierung noch stärker wachsen werden langfristig.

Das bedeutet auch, dass jede unserer Weiterentwicklungen auch darauf einzahlen wird, dass sich der adressierbare Markt vergrößert. Denn viele Kunden im Mittelstand automatisieren heute nicht, weil sie es als schwierig und komplex empfinden und Sorge vor fehlender Flexibilität haben.

Finden Sie denn selbst genügend Arbeitskräfte, um Ihr Robotikgeschäft weiter vorantreiben zu können?

Groß: Wir haben zumindest kein elementares Problem. Ich würde sagen, wir spüren den Fachkräftemangel in den typischen Brennpunktfunktionen, die viele Branchen kennen. Auch wir haben in der Entwicklung Softwareentwickler-Stellen, die nicht besetzt sind. Ich würde es aber jetzt nicht als kritisches Thema bezeichnen. Wir können damit umgehen.

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

Mehr Artikel von Anja Ringel finden Sie hier.

Sie möchten gerne weiterlesen?