
Christian Voigt, Roboyo: "Wenn das Thema Robotic Process Automation für ein Unternehmen neu ist, empfiehlt sich ein Pilotprojekt. Man wählt ein paar Projekte aus, die Leuchtturmcharakter haben und mit denen man Vorteile wie Zeitersparnis realisieren kann. Man nimmt zum Beispiel einen Prozess, der einen Schmerzpunkt in der Firma darstellte. Dadurch bekommt man einen Einblick in die Technologie und geht erste Schritte. Wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen ist, kann man damit intern für RPA bei den Stakeholdern werben und zeigen, dass es in wenigen Wochen realisiert wurde. Damit lässt sich eine Dynamik aufbauen und auch die Unterstützung der Unternehmensleitung sichern. Denn nicht alle sind sofort Freunde dieser Technologie. Es gibt auch widerstrebende Interessen innerhalb von Unternehmen.“ - Bild: P&G

Aufbau einer Prozess-Pipeline: „Nach einem Pilotprojekt kommt man dann relativ schnell zu drei Kernthemen: Dabei geht es erstens um das Prozess-Management. Das heißt, man baut kontinuierlich eine Prozess-Pipeline auf, um zu schauen, welche Prozesse sich aktuell für Robotic Process Automation eignen. Dann wird untersucht, ob sich diese Prozesse automatisieren und optimieren lassen. Schließlich wird eine Prioritätenliste erstellt, weil bestimmte Prozesse sich derzeit noch nicht für die Automatisierung eignen, da sie zu instabil oder sehr kritisch sind. Dann erstellen die Verantwortlichen einen Plan für die Prozesse, die sie automatisieren können.“ - Bild: Fotolia, strichfiguren.de

Klarheit über die Verantwortlichkeit schaffen: „Der zweite Teil ist der Bereich Governance und Management. Man muss eine organisatorische Struktur aufbauen und sich überlegen, welchem Bereich das Thema Robotic Process Automation zugeordnet ist. Es wird nicht nur ein Sponsor benötigt, der das Thema unterstützt und die Mittel bereitstellt, sondern man muss auch vieles abklären mit der IT zu den Themen Architektur, Sicherheit und technische Probleme. Auch geht es um das Thema Compliance. Dabei stellt sich die Frage, wer für die einzelnen Prozesse zuständig ist. Das heißt, es wird auch ein Change-Management benötigt. Diese Fragen müssen beantwortet werden, damit Klarheit in den Prozessen besteht.“ - Bild: Fotolia, auremar

Technisches Know-how zu RPA aufbauen: „Das dritte Thema ist das Delivery Management. Dabei geht es um die technische Umsetzung von RPA. Ist das technische Know-how vorhanden, das RPA-Tool zu bedienen, Automatisierungs-Artefakte zu erstellen und die Infrastruktur zu betreuen? Bei den meisten Software-Lösungen gibt es Kontroll-Zen- tren, die anzeigen, welcher Software-Roboter welchen Prozess steuert. Interessant ist natürlich auch, wie sich zukünftige Veränderungen der IT-Landschaft auf die RPA auswirken. Zu guter Letzt wird häufig Training mit einem Wissenstransfer benötigt: Dabei stellt sich die Frage, ob man das Know-how selbst im Unternehmen aufbauen will oder mit einem Partner zusammenarbeiten möchte.“ - Bild: Fotolia, Sentavio

Definition von Robotic Process Automation (RPA): RPA ist eine neue Technologie für die Automatisierung von Geschäftsprozessen. So definiert das Beratungs- und Implementierungsunternehmen Roboyo aus Nürnberg diese Lösung. RPA könne als virtueller Mitarbeiter gesehen werden, der automatisch bestehende Geschäftsanwendungen wie zum Beispiel ERP-, CRM- oder Office-Anwendungen wie ein normaler Mitarbeiter nutzt. RPA greift dabei auf das User-Interface von bestehenden Applikationen zu und führt so strukturierte Prozesse automatisch aus. Laut Roboyo arbeitet RPA rund um die Uhr, ist schneller, macht keine Fehler, reduziert die Kosten und dokumentiert alle Arbeiten kostenlos. Da die ‚Software-Roboter‘ auf der Benutzeroberfläche arbeiten, könne man ganz einfach Medienbrüche überwinden, ohne dass man in langwieriger Arbeit und zu hohen Kosten Schnittstellen erstellen muss. RPA könne ein Vielzahl von Prozessen automatisieren wie beispielsweise Rechnungslegung, Report-Erstellung oder Mitarbeiter-Onboarding. Bis ein Prozess von der Planung bis zum Start des regulären Einsatzes automatisiert sei, könne es zwei Wochen dauern, hat das Beratungsunternehmen in seiner Praxis festgestellt. - Bild: Fotolia, iQoncept
Durch Robotic Process Automation (RPA) lässt sich die Zahl der für einen Prozess benötigten Mitarbeiter reduzieren und die Prozessqualität erhöhen. Das zeigt auch das Beispiel eines großen Automobilzulieferers, dessen Bestellanforderungs-Prozess im Einkauf mit RPA automatisiert wurde.
Zuvor erfassten zwei Mitarbeiter des Unternehmens die benötigten Daten manuell in Excel. Dann validierte der Einkauf diese Informationen und hängte drei Angebote an. Anschließend wurden die Daten manuell in das SAP-System übertragen.
Der Automobilzulieferer führte eine Lösung für diesen Prozess ein, die RPA mit anderen Ansätzen verknüpft. Dabei werden die Daten über eine Web-Maske erfasst: Ein Mitarbeiter loggt sich ein, gibt die Bestellung auf und hängt die Offerten an. Das System validiert die Daten dann bis zu einem gewissen Grad und beim Absenden werden diese an den Software-Roboter übergeben, der sie in das SAP- und weitere Systeme überträgt.
„Der Prozess war zuvor ineffizient aufseiten des Kunden“, sagte Christian Voigt, Managing Director von Roboyo, gegenüber ‚Produktion‘. Nun sei auch massiv die Qualität gesteigert worden, weil der Prozess schlanker und systematisch abgebildet wurde.
Auch die zwei Vollzeitmitarbeiter, die sich bisher um den Prozess kümmerten, konnten sich danach anderen Tätigkeiten zuwenden. Allerdings gab es auch Fälle, bei denen bestimmte Daten nicht zu 100 Prozent erfasst wurden. Dies teilte der Roboter mit und ein Mitarbeiter musste die Daten per Hand nachbearbeiten. Dieser Fall trat bei 15 Prozent der Vorgänge auf.
Angewendet wird RPA in verschiedenen Branchen wie zum Beispiel von Automobilherstellern, Automobilzulieferern, Chemie-Unternehmen, Industrie-Unternehmen sowie im verarbeitenden Gewerbe. Besonders ausgeprägt ist der Einsatz der Software-Roboter in den Bereichen Finanzen und Buchhaltung. Zu wirtschaftlichen Vorteilen führt die Technologie aber auch in der IT, im Personalwesen und im Einkauf.
Eingehende Rechnungen werden durch einen Software-Roboter geprüft
„Wir sind stark bei Finanz- und Buchhaltungsprojekten engagiert: beispielsweise bei Order-to-Cash und Purchase-to-Pay“, sagte Voigt. Es geht vom Rechnungseingang bis zum Rechnungsausgang. Sein Beratungs- und Implementierungsunternehmen hat beispielsweise bei einem Industrieunternehmen ein sogenanntes 3-Wege-Matching erstellt. Dabei wird die Rechnung, die der Zulieferer schickt, durch einen Software-Roboter geprüft und mit der initialen Purchase-Order sowie dem Wareneingang verglichen.
Damit die Buchungslogik bei dem Prozess berücksichtigt wird, ist ein Mitarbeiter eingebunden, der das richtige Sachkonto, den Buchungskreis und die Kostenstelle festlegt; aber auch dies soll im nächsten Schritt automatisiert werden.

39 Prozent der Unternehmen, die an einer großen internationalen Studie der Unternehmensberatung Cap Gemini teilnahmen, geben an, bereits heute Robotic Process Automation zu nutzen. Der Prozentsatz der Unternehmen, die in den kommenden drei bis fünf Jahren diese Technologie einsetzen wollen, soll sogar bei 77 Prozent liegen.
„Dabei schaffen es nur 10 Prozent der Unternehmen, die aktuell Robotic Process Automation einsetzen, die Vorteile und Fähigkeiten der Technologie maximal auszuschöpfen“, sagte Roberto Busin, der Leiter Manufacturing Europa, Asien und Lateinamerika bei Infosys Consulting, gegenüber ‚Produktion‘. „Einer der wichtigsten Gründe für diese geringe Nutzung der Chancen ist im Fehlen einer klaren strategischen Vision für RPA und im mangelnden Verständnis für die Anforderungen an eine effektive Einführung zu finden.“
Für sich wiederholende und regelbasierte Arbeiten geeignet
Zwar freuten sich manche Chefs darüber, dass Robotic Process Automation Mitarbeiter ersetzen kann, sie hätten jedoch nicht das wirkliche Wesen und den Wert, den die Technologie bietet, verstanden. Software-Roboter eigneten sich vor allem für sich wiederholende, manuelle, zeitraubende und regelbasierte Arbeiten; Unternehmen, die denken, dass sie mit der Technologie ihre erfahrene, gut ausgebildete Mannschaft ersetzen könnten, würden ein böses Erwachen haben.
Obwohl Roboter bei bestimmten Prozessen drei Mal effizienter als menschliche Mitarbeiter sind, sollten Firmen laut Busin nicht versuchen, jeweils einen Mitarbeiter durch eine RPA-Anwendung zu ersetzen. „Stattdessen sollte sorgsam geplant werden, wie sich Fachkräfte und Robot bei ihrer Arbeit gegenseitig ergänzen können“, meinte der Fachmann. Und die Kosten für Umschulung, Neueinsatz und organisatorische Veränderungen müssten einberechnet werden.
Busin wies auch auf die Risiken hin, die durch eine Unterbrechung des Geschäftsprozesses entstehen könnten: „Wenn Unternehmen zu viel Verantwortung an die Automation abgeben, kann das schlimme Folgen haben.“ Das werde zum Beispiel bei einem Störfall sichtbar, wenn die Firma Mitarbeiter benötigt, die sich im Detail mit dem Geschäftsvorgängen und dem dahinter liegenden Prozess auskennen. Deshalb müsse eine RPA-Strategie auch die Sicherstellung des Geschäfts bei Störungen umfassen.
Zudem müsse man sich mit Sicherheitsfragen beschäftigen. Während Mitarbeiter sich häufig mit biometrischen Daten und 2-Stufen-Authentifizierung registrieren müssen, ist dies logischerweise bei RPA nicht möglich.
Da die Sicherheitsanforderungen jedoch nicht gesenkt werden dürften, müsste der Einsatz der Bots laut Busin in die Sicherheitsstrategie integriert werden. Zudem sollten Firmen bei der RPA-Einführung im Auge behalten, dass sie die Agilität der Organsiation nicht über Gebühr reduzieren.

Durch den Einsatz virtueller Roboter gelingt es, anfallende Routineaktivitäten zu automatisieren, Mitarbeiter zu entlasten, den manuellen Aufwand zu reduzieren und Kosten zu senken, ist sich der Gründer von Celonis, Bastian Nominacher, sicher. Seiner Meinung nach hängen diese positiven Effekte jedoch von einer gründlichen Vorarbeit ab. Andernfalls könne es passieren, dass Automatisierungspotenziale nicht richtig erkannt werden oder fehlerhafte Prozesse mit Robotic Process Automation zwar schneller, aber nicht effizienter ablaufen.
Dabei könne die Big-Data-Technologie Process Mining helfen: Sie nutzt die riesigen Datenmengen in Organisationen, um die Abläufe in Echtzeit zu rekonstruieren und Schwachstellen sowie Optimierungspotenziale zu identifizieren. Firmen erfahren, welche Geschäftsprozesse von der Automatisierung profitieren und wie die Umsetzung gelingt.
„Durch aktuelle Benchmarks wird es möglich, die Kosten- und Zeitersparnis der einzelnen RPA-Initiativen zu prognostizieren“, sagte Nominacher. Zudem könne durch das Monitoring der virtuellen Roboter der nachhaltige Nutzen von RPA-Projekten sichergestellt werden.
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