Durch Robotic Process Automation (RPA) lässt sich die Zahl der für einen Prozess benötigten Mitarbeiter reduzieren und die Prozessqualität erhöhen. Das zeigt auch das Beispiel eines großen Automobilzulieferers, dessen Bestellanforderungs-Prozess im Einkauf mit RPA automatisiert wurde.
Zuvor erfassten zwei Mitarbeiter des Unternehmens die benötigten Daten manuell in Excel. Dann validierte der Einkauf diese Informationen und hängte drei Angebote an. Anschließend wurden die Daten manuell in das SAP-System übertragen.
Der Automobilzulieferer führte eine Lösung für diesen Prozess ein, die RPA mit anderen Ansätzen verknüpft. Dabei werden die Daten über eine Web-Maske erfasst: Ein Mitarbeiter loggt sich ein, gibt die Bestellung auf und hängt die Offerten an. Das System validiert die Daten dann bis zu einem gewissen Grad und beim Absenden werden diese an den Software-Roboter übergeben, der sie in das SAP- und weitere Systeme überträgt.
„Der Prozess war zuvor ineffizient aufseiten des Kunden“, sagte Christian Voigt, Managing Director von Roboyo, gegenüber ‚Produktion‘. Nun sei auch massiv die Qualität gesteigert worden, weil der Prozess schlanker und systematisch abgebildet wurde.
Auch die zwei Vollzeitmitarbeiter, die sich bisher um den Prozess kümmerten, konnten sich danach anderen Tätigkeiten zuwenden. Allerdings gab es auch Fälle, bei denen bestimmte Daten nicht zu 100 Prozent erfasst wurden. Dies teilte der Roboter mit und ein Mitarbeiter musste die Daten per Hand nachbearbeiten. Dieser Fall trat bei 15 Prozent der Vorgänge auf.
Angewendet wird RPA in verschiedenen Branchen wie zum Beispiel von Automobilherstellern, Automobilzulieferern, Chemie-Unternehmen, Industrie-Unternehmen sowie im verarbeitenden Gewerbe. Besonders ausgeprägt ist der Einsatz der Software-Roboter in den Bereichen Finanzen und Buchhaltung. Zu wirtschaftlichen Vorteilen führt die Technologie aber auch in der IT, im Personalwesen und im Einkauf.
Eingehende Rechnungen werden durch einen Software-Roboter geprüft
„Wir sind stark bei Finanz- und Buchhaltungsprojekten engagiert: beispielsweise bei Order-to-Cash und Purchase-to-Pay“, sagte Voigt. Es geht vom Rechnungseingang bis zum Rechnungsausgang. Sein Beratungs- und Implementierungsunternehmen hat beispielsweise bei einem Industrieunternehmen ein sogenanntes 3-Wege-Matching erstellt. Dabei wird die Rechnung, die der Zulieferer schickt, durch einen Software-Roboter geprüft und mit der initialen Purchase-Order sowie dem Wareneingang verglichen.
Damit die Buchungslogik bei dem Prozess berücksichtigt wird, ist ein Mitarbeiter eingebunden, der das richtige Sachkonto, den Buchungskreis und die Kostenstelle festlegt; aber auch dies soll im nächsten Schritt automatisiert werden.
39 Prozent der Unternehmen, die an einer großen internationalen Studie der Unternehmensberatung Cap Gemini teilnahmen, geben an, bereits heute Robotic Process Automation zu nutzen. Der Prozentsatz der Unternehmen, die in den kommenden drei bis fünf Jahren diese Technologie einsetzen wollen, soll sogar bei 77 Prozent liegen.
„Dabei schaffen es nur 10 Prozent der Unternehmen, die aktuell Robotic Process Automation einsetzen, die Vorteile und Fähigkeiten der Technologie maximal auszuschöpfen“, sagte Roberto Busin, der Leiter Manufacturing Europa, Asien und Lateinamerika bei Infosys Consulting, gegenüber ‚Produktion‘. „Einer der wichtigsten Gründe für diese geringe Nutzung der Chancen ist im Fehlen einer klaren strategischen Vision für RPA und im mangelnden Verständnis für die Anforderungen an eine effektive Einführung zu finden.“
Für sich wiederholende und regelbasierte Arbeiten geeignet
Zwar freuten sich manche Chefs darüber, dass Robotic Process Automation Mitarbeiter ersetzen kann, sie hätten jedoch nicht das wirkliche Wesen und den Wert, den die Technologie bietet, verstanden. Software-Roboter eigneten sich vor allem für sich wiederholende, manuelle, zeitraubende und regelbasierte Arbeiten; Unternehmen, die denken, dass sie mit der Technologie ihre erfahrene, gut ausgebildete Mannschaft ersetzen könnten, würden ein böses Erwachen haben.
Obwohl Roboter bei bestimmten Prozessen drei Mal effizienter als menschliche Mitarbeiter sind, sollten Firmen laut Busin nicht versuchen, jeweils einen Mitarbeiter durch eine RPA-Anwendung zu ersetzen. „Stattdessen sollte sorgsam geplant werden, wie sich Fachkräfte und Robot bei ihrer Arbeit gegenseitig ergänzen können“, meinte der Fachmann. Und die Kosten für Umschulung, Neueinsatz und organisatorische Veränderungen müssten einberechnet werden.
Busin wies auch auf die Risiken hin, die durch eine Unterbrechung des Geschäftsprozesses entstehen könnten: „Wenn Unternehmen zu viel Verantwortung an die Automation abgeben, kann das schlimme Folgen haben.“ Das werde zum Beispiel bei einem Störfall sichtbar, wenn die Firma Mitarbeiter benötigt, die sich im Detail mit dem Geschäftsvorgängen und dem dahinter liegenden Prozess auskennen. Deshalb müsse eine RPA-Strategie auch die Sicherstellung des Geschäfts bei Störungen umfassen.
Zudem müsse man sich mit Sicherheitsfragen beschäftigen. Während Mitarbeiter sich häufig mit biometrischen Daten und 2-Stufen-Authentifizierung registrieren müssen, ist dies logischerweise bei RPA nicht möglich.
Da die Sicherheitsanforderungen jedoch nicht gesenkt werden dürften, müsste der Einsatz der Bots laut Busin in die Sicherheitsstrategie integriert werden. Zudem sollten Firmen bei der RPA-Einführung im Auge behalten, dass sie die Agilität der Organsiation nicht über Gebühr reduzieren.
Durch den Einsatz virtueller Roboter gelingt es, anfallende Routineaktivitäten zu automatisieren, Mitarbeiter zu entlasten, den manuellen Aufwand zu reduzieren und Kosten zu senken, ist sich der Gründer von Celonis, Bastian Nominacher, sicher. Seiner Meinung nach hängen diese positiven Effekte jedoch von einer gründlichen Vorarbeit ab. Andernfalls könne es passieren, dass Automatisierungspotenziale nicht richtig erkannt werden oder fehlerhafte Prozesse mit Robotic Process Automation zwar schneller, aber nicht effizienter ablaufen.
Dabei könne die Big-Data-Technologie Process Mining helfen: Sie nutzt die riesigen Datenmengen in Organisationen, um die Abläufe in Echtzeit zu rekonstruieren und Schwachstellen sowie Optimierungspotenziale zu identifizieren. Firmen erfahren, welche Geschäftsprozesse von der Automatisierung profitieren und wie die Umsetzung gelingt.
„Durch aktuelle Benchmarks wird es möglich, die Kosten- und Zeitersparnis der einzelnen RPA-Initiativen zu prognostizieren“, sagte Nominacher. Zudem könne durch das Monitoring der virtuellen Roboter der nachhaltige Nutzen von RPA-Projekten sichergestellt werden.