Prozessdigitalisierung Symbolbild, Studie SMP und EBS: Person mit Tastatur und Maus, schwebende, halbtransparente Symbole für Daten, Prozessdaten und Graphen

Eine Studie hat untersucht, wie Unternehmen bei der Digitalisierung von Prozessen vorgehen. (Bild: paripat – stock.adobe.com)

Prozesse schneller, effizienter, sicherer und weniger fehleranfällig machen – hierin liegen die großen Chancen der Prozessdigitalisierung. Gegenüber anderen Digitalisierungsmaßnahmen hat sie eine recht kurze Implementierungs- und Amortisationsdauer sowie einen kalkulierbarer Return on Investment (ROI). Zunehmend hält sie nun auch im deutschen Maschinenbau Einzug, der insgesamt erst relativ spät von der Digitalisierung erfasst wurde.

In einer gemeinsamen Studie des Beratungshauses Struktur Management Partner (SMP) und der European Business School (EBS) wurde die Prozessdigitalisierung im Anlagen- und Maschinenbau näher untersucht. Die befragten Unternehmen nutzten insgesamt 136 verschiedene Ansätze zur Prozessdigitalisierung, die sich über alle Funktionsbereiche der Wertschöpfungskette verteilen. Der Bereich der Produktion machte dabei unabhängig von der Unternehmensgröße mit 37 Ansätzen den weitaus größten Teil aus. Das ist insofern nicht verwunderlich, als in der Konstruktion, Fertigung und Montage der Maschinen die Kernkompetenzen der Branche liegen. Interessant sind die unterschiedlichen Maßnahmencluster und die ihnen jeweils beigemessene Bedeutung.

Maßnahmencluster zur Prozessdigitalisierung innerhalb der Produktion

Das in der Praxis relevanteste Maßnahmencluster ist aus Sicht der befragten Unternehmen die Produktionsplanung und -steuerung, was unter anderem folgende Maßnahmen umfasst:

  • Einführung eines Manufacturing Execution Systems (MES)
  • Automatische Rückmeldung des Fertigungsfortschritts per Betriebsdatenerfassung
  • Intelligente Systeme zur Schichtplanung
  • Datengetriebener Vergleich der Maschinenproduktivität
  • Einführung von Programmen zur Materialflusssimulation
  • Nutzung einer technologiebasierten Komponentenidentifikation (zum Beispiel zur Ansteuerung eines Programms in einer Betriebsmaschine oder zur Speicherung von Produktionsdaten)

Die mittlere Implementierungszeit dieser Maßnahmen beträgt 1,5 Jahre, die durchschnittliche Amortisationsdauer etwa 2,5 Jahre, wobei die Bandbreite von 0,5 Jahren (Einführung intelligenter Systeme zur Schichtung) bis zu mehr als 4 Jahren (Einführung eines MES) reicht. Die ermittelte EBIT-Verbesserung liegt bei bis zu 0,1 Prozentpunkten je Maßnahme, wobei bei einer Überschneidung und gegenseitigen Verstärkung der Effekte auch höhere Werte möglich sind.

Als weiteres wichtiges Maßnahmencluster erweist sich das Prototyping, worunter Maßnahmen wie der Einsatz von Rapid Prototyping und 3D-Druckern fallen. Die Implementierungs- und Amortisationszeit liegt hier deutlich unter dem Durchschnittswert und beträgt etwa ein Jahr beziehungsweise etwas mehr als zwei Jahren.

Der EBIT-Effekt von bis zu 0,25 Prozentpunkten fällt sehr positiv aus. Bei der Erstellung von Prototypen verbirgt sich großes Potenzial für einen ressourcenschonenderen Herstellungsprozess, denn hier lassen sich mit Rapid Prototyping viel Material und Zeit einsparen.

Predictive Maintenance, also die vorausschauende Instandhaltung auf Basis digitaler Technologien, wurde als ein weiteres Maßnahmencluster identifiziert.

Mittelständler konzentrieren sich bei Prozessdigitalisierung auf Finanzbereich

Die Digitalisierung der primären Prozesse weist im Vergleich zu den unterstützenden Aktivitäten in der Regel ein schlechteres Rendite- und Risikoprofil auf, da oft Hardware-Nachrüstungen erforderlich sind und im Falle von Fehlern Stillstände in den operativen Prozessen drohen. Es ist somit nicht verwunderlich, dass bei der Prozessdigitalisierung im Mittelstand ein Funktionsbereich der Produktion den Rang abläuft: Der Finanzbereich.

Im Finanzbereich wurden im Rahmen der Studie 15 typische Prozessdigitalisierungsmaßnahmen identifiziert. Während in großen Konzernen dieser Bereich in der Regel bereits durch große ERP-Lösungen professionell ausgestaltet ist, arbeiten kleine Unternehmen oftmals noch erfolgreich mit „handgestrickten“ Excel-Lösungen – daher spielt der Finanzbereich dort jeweils eine untergeordnete Rolle bei der Prozessdigitalisierung.

Viele Mittelständler befinden sich hingegen an einem Punkt ihrer Entwicklung, an dem diese Lösungen nicht mehr ausreichen und sie ihre kaufmännischen Prozesse professionalisieren und digitalisieren müssen. Dadurch steigern sie nicht nur ihre Effizienz, sondern erhöhen auch ihre Transparenz und beschleunigen ihre Analysen. Damit verbessern sie signifikant die Steuerungsfähigkeit ihrer Unternehmen in Krisenzeiten.

Strategie für Prozessdigitalisierung

Eines der in der Studie größten erkennbaren Probleme für Unternehmen in der Praxis: Zu häufig werden mehr oder weniger willkürlich einzelne Prozesse als Insellösungen digitalisiert, wodurch nur ein geringer Teil des großen Potenzials der Prozessdigitalisierung genutzt wird. Bewährt hat sich hingegen ein ganzheitlicher Ansatz, mit dem ein Unternehmen die Prozessdigitalisierungspotenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette strukturiert identifiziert, bewertet und priorisiert – und diese Maßnahmen dann auch konsequent umsetzt. Geschäftsführung oder für die Prozessdigitalisierung Verantwortliche können sich dabei an den drei folgenden, aufeinander aufbauenden Leitfragen orientieren:

  1. Lohnt sich Prozessdigitalisierung für unser Unternehmen und wenn ja, in welchen Bereichen?
  2. Wie können wir mit überschaubarem Aufwand herausfinden, ob so etwas in unserem Unternehmen grundsätzlich funktioniert?
  3. Wie können wir das volle Potenzial für unser Unternehmen ausschöpfen?

Im Idealfall ist die Prozessdigitalisierung eingebettet in eine umfassende Digitalstrategie, welche die Chancen und Risiken digitaler Technologien und Geschäftsmodelle für das Unternehmen holistisch beleuchtet. Auf dieser Basis können die Handlungsbedarfe klar priorisiert und das Unternehmen digital zukunftssicher aufgestellt werden.

Jan Rodig, SMP
Jan Rodig ist Experte für Digitalisierungsstrategien. (Bild: SMP)

Jan Rodig unterstützt seit mehr als zehn Jahren mittelständische Unternehmer und Finanzinvestoren bei der digitalen Transformation. Er ist Partner beim Beratungsunternehmen Struktur Management Partner. Schwerpunkte seiner Arbeit sind digitale Wertsteigerungsprogramme, Digitalstrategien, Prozessdigitalisierung, der Aufbau digitaler Operating-Models und der Turnaround digitaler Geschäftsmodelle.

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