So soll die "Overture", das Überschallflugzeug von Boom Supersonic, aussehen.

So soll die "Overture", das Überschallflugzeug von Boom Supersonic, aussehen. (Bild: Boom Supersonic)

Der Traum vom Überschallflug lebt weiter: 21 Jahre nach dem letzten Flug der Concorde arbeiten einige Unternehmen daran, die Vision wieder zum Leben zu erwecken. Eines davon ist Boom Supersonic mit seinen rund 150 Mitarbeitenden.

Das amerikanische Start-up hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Es will den Markt für Überschallflugzeuge mit Business-Class-Tarifen erschließen und sieht Potenzial für bis zu 1.000 Flugzeuge. Airlines wie Japan Airlines und United haben schon Maschinen vorbestellt.

Gelingen soll das mit „Overture“. In dem Überschallflugzeug soll Platz für 65 bis 88 Passagiere sein. Es soll das schnellste Überschallflugzeug der Geschichte werden mit einer Reisegeschwindigkeit von Mach 1.7 (1.800 km/h). Damit könnte die Strecke zwischen New York und London in 3,5 Stunden zurückgelegt werden. Erste Testflüge sollen 2027 starten, die Zulassung ist für 2029 angepeilt. 5.000 US-Dollar soll der Hin- und Rückflug kosten. Die gleiche Strecke hat mit der Concorde inflationsbereinigt 20.000 US-Dollar gekostet.

Ein erstes Demonstrationsflugzeug, den zweisitzigen „XB-1“, gibt es schon. Der erste Flug fand im März dieses Jahres statt. Dabei erreichte das Flugzeug mit dem Spitznamen „Baby Boom“ Geschwindigkeiten von bis zu 238 Knoten (441 km/h). Die Maschine ist das erste privat finanzierte Überschallflugzeug.

Der erste Flug der XB-1 von Boom Supersonic

Überschallflugzeug soll möglichst effizient fliegen

Gegründet wurde Boom Supersonic 2014 vom Ingenieur Blake Scholl in Denver, Colorado. Er hat sich dabei ehrgeizige Ziele gesteckt. So will das Start-up Überschallflüge effizienter und nachhaltiger gestalten. Das Demonstrationsflugzeug besteht zum Beispiel vollständig aus Kohlefaserverbundwerkstoffen. Das Material ist sowohl leicht, als auch belastbar und soll so ein aerodynamisches Design ermöglichen.

Ebenfalls in „Baby Boom“ ist das eigens entwickelte Triebwerk „Symphony“ verbaut. Im späteren Passagierflugzeug sollen vier davon sein. Sie sollen möglichst effizient und leise arbeiten, um den Lärmpegel zu minimieren. Dieser soll im Übrigen geringer sein als bei der Concorde.

„Wir haben heute bessere Methoden für optimierte Aerodynamik, wir haben neue Materialien wie Kohlefaserverbundwerkstoffe und wir haben wesentlich leisere und effizientere Triebwerke. Mit all dem kann man ein Überschallflugzeug der neuen Generation bauen, das im Betrieb 75 Prozent weniger kostet als die Concorde“, so Scholl einem Medienbericht zufolge.

Piloten fliegen „blind“

Das besondere an der Maschine ist außerdem das Augmented-Reality-Vision-System: Zwei an der Nase des Flugzeugs montierte Kameras übertragen ihre Daten, die mit Fluglage- und Flugbahnangaben ergänzt werden, in das digitale Glascockpit mit drei Screens. Die Pilotinnen und Piloten können also nicht mehr direkt nach vorne aus dem Flugzeug schauen, sondern nur noch mittels Kameras.

Darum ist der reale statt virtuelle Blick nötig: Die Concorde hatte einen absenkbaren Bug, damit die Pilotinnen und Piloten die Landebahn trotz der hohen Anstellwinkel der Überschallflügel sehen konnten. Das geplante Flugzeug von Boom Supersonic hat diesen absenkbaren Bug nicht und setzt deshalb auf die virtuelle Aussicht. Die Crew kann dabei auf eine automatische Landefunktion oder die Augemented-Reality-Ansicht setzen.

Unter der Überschrift „Den Weg zum nachhaltigen Überschallverkehr beschleunigen“ beschreibt das Unternehmen außerdem, wie die Flüge möglichst nachhaltig sein sollen. Dabei setzt Boom Supersonic unter anderem auf Sustainable Aviation Fuel, „die vielversprechendste Lösung zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs“.

Der „Drop-in-Kraftstoff“ wird aus erneuerbaren Rohstoffen wie Algen, Altöl oder Waldreststoffen hergestellt - und sogar durch Recycling von Kohlendioxid, das der Atmosphäre durch direkte Luftabscheidung entzogen wird, so das Unternehmen. „Als nachhaltiger Ersatz für Flugzeugtreibstoff können die neuen SAF-Technologien einen CO2-freien Betrieb ermöglichen“, heißt es weiter.

Das Unternehmen will bis 2025 CO2-frei handeln und bis 2040 die Netto-Null-Emissionen erreichen.

Wie funktioniert Überschallfliegen?

Überschallfliegen bezeichnet das Fliegen mit einer Geschwindigkeit, die über der Schallgeschwindigkeit liegt. Die Schallgeschwindigkeit variiert je nach Höhe und Temperatur, liegt aber normalerweise bei etwa 1.235 km/h auf Meereshöhe. Überschallflugzeuge sind so konstruiert, dass sie diese Geschwindigkeitsbarriere durchbrechen können.

 

Technisch gesehen beginnt der Überschallbereich bei einer Machzahl über eins, was heißt, dass das Flugzeug schneller als der Schall fliegt. In der Reiseflughöhe muss ein Flugzeug dazu rund 1.000 km/h schnell sein.

 

Beim Überschallfliegen gibt es einige Herausforderungen: So muss die Effizienz der Flugzeuge im Reiseflug mit den Lärmemissionen in Flughafennähe vereinbar sein. Denn beim Durchbrechen der Schallmauer entstehen Druckwellen, die als lauter Knall - Überschallknall - zu hören sind.

Wie teuer das Überschallflugzeug sein soll

Gebaut werden sollen die Flugzeuge in der im Juni fertig gestellten „Overture Superfactory“ in Greensboro, North Carolina. Geplant ist, dass jährlich 60 Flugzeuge produziert werden.

Kosten sollen die Maschinen – Stand 2016 – jeweils rund 200 Millionen US-Dollar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Preis bis zur Markteinführung noch ändern wird.

Zum Vergleich: Eine Boeing 787 Dreamliner – mit die modernste Maschine von Boeing derzeit – kostet rund 292,5 Millionen US-Dollar. Der Listenpreis für den Airbus A350-900 liegt bei 317,4 Millionen US-Dollar. Mit diesen beiden Flugzeugen können natürlich deutlich mehr Passagiere – allerdings auch in längerer Zeit – transportiert werden.

Für die Entwicklung des Flugzeuges nutzt Boom Supersonic die cloudbasierte Softwareplattform von Dassault Systèmes, um alle Phasen des Produktlebenszyklus digital zu entwerfen, simulieren und bewerten zu können.

Overture: Design wurde komplett geändert

Dadurch konnte einer Pressemitteilung zufolge die Entwicklungszeit des ersten Prototyps halbiert und die Produktqualität verbessert werden. „Erreicht wird dies durch Reduzierung der Komplexität, Reibungsverluste, Kosten und Ressourcen des Programms, womit auch Hürden für den Markteintritt sinken“, heißt es weiter. Das Unternehmen war außerdem Teil des Start-up-Programms von Dassault Systèmes.

Die digitale Planung des Flugzeugs hilft dem Team um Gründer Scholl im Übrigen auch deshalb, weil sich das Design im Laufe der Jahre komplett geändert hat. Das neue Design sei "das Ergebnis von 26 Millionen Kernstunden simulierter Software-Entwürfe, fünf Windkanaltests und der sorgfältigen Auswertung von 51 vollständigen Entwurfsiterationen", erklärte Boom 2022 in einer Pressemitteilung.

Das derzeitige Design beschreibt Scholl so: „Es sieht aus, als wenn Boeing 747 und Concorde gemeinsam ein Kind bekommen hätten.“

Das steckt hinter dem Start-up-Programm von Dassault Systèmes

Jillian Friot (links) hat mit Produktion-Redakteurin Anja Ringel über Start-ups gesprochen.
Jillian Friot (links) hat mit Produktion-Redakteurin Anja Ringel über Start-ups gesprochen. (Bild: Christine Gierlich)

Von der Start-up-Gründerin zur Start-up-Förderin: Jillian Friot hat als College-Studentin selbst ein Start-up gegründet und ist damit gescheitert. Sie habe sich zuerst dafür geschämt und es nicht erzählt, dann aber festgestellt, dass sie mit ihrer Geschichte andere ermutigen kann, so Friot auf der 3D Experience World von Dassault Systèmes.

 

Inzwischen ist sie 3D Experience Lab & Accelerator Senior Manager und unterstützt in dieser Funktion Start-ups. Denn das 3D Experience Lab ist das Start-up-Programm von Dassault Systèmes. Dabei können junge Unternehmen unter anderem ein Jahr lang die Software des Industriekonzerns nutzen, um ihre Idee weiterzuentwickeln. Daneben können die Start-ups die „Fab Labs“ von Dassault Systèmes nutzen, um zum Beispiel Prototypen herzustellen.

 

Friot ist besonders vom Gemeinschaftsgefühl in den Start-up-Labs begeistert. Es entstehe ein riesiges Netzwerk, das wie eine erweiterte Familie sei, sagt sie im Interview.

 

Start-ups sind für die Managerin ein wichtiger Teil der Industrie. „Sie können zum Beispiel ein größeres Risiko eingehen als Konzerne“, meint sie. Junge Unternehmen arbeiten zudem oft schneller. In ihrer Funktion hat sie schon einige Erfolgsgeschichten von Start-ups miterlebt. Eine weitere könnte Boom Supersonic sein.

Weitere Partner von Boom Supersonic sind zum Beispiel der Triebwerk-Herstellrr GE Aviation, Honeywell und Stratasys.

Zwölf Minuten lang war die Vision, ein neues Überschallflugzeug zu bauen, schon ein bisschen Realität. Denn so lange ging der erste Testflug der XB-1. Das Flugzeug erreichte dabei nicht nur eine Höhe von 2.200 Metern, sondern auch alle Testziele.

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

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