Das Bild zeigt, wie jemand mit dem Finger auf einen Versicherungsvertrag. Neben dem Vertrag liegen auf dem Tisch eine Brille und ein weiteres Dokument sowie ein Stift.

Gegen Pandemien wie aktuell die Corona-Pandemie können sich Unternehmen nicht versichern. - (Bild: Adobe Stock/Dragonstock)

Sind die Schäden durch den Coronavirus versichert? Diese Frage dürfte momentan wohl einige Unternehmen beschäftigen. Im Interview mit PRODUKTION spricht Alexander Skorna über das Thema Versicherung in der Corona-Krise. Skorna ist beim Versicherungsmakler Funk Leiter im Bereich Business Development. Funk betreut Unternehmen zu Fragen des Versicherungs- und Risikomanagements.

PRODUKTION: Greift beim Coronavirus jetzt überhaupt ein Versicherungsschutz für Unternehmen oder ist das höhere Gewalt?

Alexander Skorna: Für die aktuelle Krise gibt es keinen Versicherungsschutz, denn gegen eine solche globale Pandemie kann sich ein Unternehmen nicht versichern. Im Schadenfall wären nahezu alle versicherten Unternehmen gleichzeitig betroffen, so dass ein Risikoausgleich beziehungsweise eine Streuung als Voraussetzung für jeglichen Versicherungsschutz über ein Kollektiv nicht gegeben ist. Es gibt Möglichkeiten, sich gegen Epidemien, also regional begrenzte Seuchen, zu versichern. Dazu zählt zum Beispiel Ebola in Afrika. Die Fälle sind dann räumlich begrenzt und betreffen nur vereinzelte Unternehmen oder Standorte eines Unternehmens. Die Corona-Krise ist dagegen mittlerweile nicht mehr räumlich begrenzt.

Das heißt, ein Großteil der Unternehmen ist nicht gegen eine solche Pandemie versichert?

Skorna: Ja, denn selbst in den Epidemie-Versicherungen sind globale Pandemien in der Regel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Zudem sind Epidemie-Versicherungen Einzelfalllösungen, die in der deutschen Industrie bisher wenig nachgefragt werden.

Können Sie kurz erklären, warum das Thema so komplex ist?

Skorna: Viele Unternehmen haben zum Beispiel eine Ertragsausfallversicherung. Die greift aber nur in Verbindung mit einem Sachschaden. Im Fall des Coronavirus liegt kein Sachschaden wie zum Beispiel bei einem Werksbrand vor.

Ganz vereinzelt gibt es Ertragsausfallversicherungen ohne Sachschaden, sogenannte „Non-Damage-Business-Interruption“-Versicherungen. Das sind aber ebenso sehr individuelle Sonderlösungen. Vor dem Ausbruch des Coronavirus war eine Absicherung unter anderem auch für übertragbare Krankheiten oder behördliche Anordnungen zur Betriebsschließung und daraus resultierende finanzielle Schäden für Unternehmen möglich.  Allerdings ist für solche Einzelfalllösungen das Prämienniveau vergleichsweise sehr hoch und die Versicherungslimits oft zu niedrig.  

Warum ist die Prämie in diesem Fall so hoch?

Skorna: Nehmen wir wieder das Beispiel Standortbrand: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Werk abbrennt ist sehr gering. Außerdem würde es bei einem Mehrstandortunternehmen nur einen Teil des Unternehmens betreffen.

Das Risiko, dass Lieferketten unterbrochen werden, ist hingegen um ein vielfaches höher. Denn es gibt in diesem Bereich sehr viele unterschiedliche Gefahren. Und eine nicht funktionierende Lieferkette kann schnell aufgrund der hohen Verflechtung der Produktionsstandorte untereinander auch das Gesamtunternehmen betreffen. Werden mehrere Gefahren eines möglichen Lieferkettenunterbruchs versichert, steigt die Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und die Versicherungsprämien sind um ein vielfaches höher als im Vergleich zu einer reinen Feuerversicherung.

Außerdem ist in diesen Fällen ein hoher Analyseaufwand notwendig: Es muss erst Transparenz über die Abhängigkeiten der Produktionsprozesse von Lieferanten und Kunden sowie von internen Engpassmaschinen geschaffen werden, um ein solches Szenario versichern zu können.

In welchen Fällen schließen Unternehmen eine sachschadenunabhängige Ertragsausfallversicherung ab?

Skorna: Diese Versicherung gibt es vermehrt seit 2010/2011, als in Island der Vulkan Eyjafjallajökull ausgebrochen ist und die Flugverbindungen in Europa unterbrochen waren. Da standen beispielsweise auch die Bänder der Autoindustrie teilweise still, weil Material nicht mehr geliefert werden konnte. Das war dann der angesprochene Ertragsausfall ohne Sachschaden.

Gleichzeitig geht es aber vor allem darum, das Krisenmanagement und die Notfallplanung zu verbessern, sodass Unternehmen für einen solchen Fall vorbereitet sind. Das dann verbleibende Restrisiko kann in individuellen Einzelfällen versichert werden. In Deutschland gibt es vermutlich nur eine mittlere bis hohe zweistellige Zahl an Unternehmen, die diese Versicherungslösung hat.

Nehmen wir den Fall Webasto. Das Unternehmen war als erstes vom Coronavirus betroffen, als Mitarbeiter positiv auf die Krankheit getestet wurden. Webasto hat den Betrieb daraufhin kurzfristig geschlossen. Ihrer Einschätzung nach: Wird so ein Ausfall von einer Versicherung abgedeckt?

Skorna: Es ist möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Webasto müsste zum einen eine Ertragsausfallversicherung ohne Sachschaden abgeschlossen haben, die dann eine freiwillige Schließung von Standorten deckt. In der Regel hätte die Betriebsschließung für einen Versicherungsschutz behördlich angeordnet werden müssen. Daher ist in solchen Fällen der Versicherungsvertrag sehr genau zu prüfen, ob die Versicherung auch greift, wenn ein Unternehmen den Betrieb vorsorglich schließt. Im Normalfall muss ein neutraler Dritter die Schließung anordnen.

Worauf können vom Coronavirus betroffene Betriebe dann in der momentanen Situation zurückgreifen?

Skorna: Wie in dem aktuellen Fall zu sehen auf die staatlichen Hilfen, die von der Bundesregierung und einzelnen Bundesländern angekündigt wurden. Wie schon gesagt: globale Pandemien sind allein über die private Versicherungswirtschaft nicht versicherbar.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wenn sich Unternehmen jetzt entschließen, sich künftig für solche Pandemien absichern zu wollen: Was raten Sie Ihnen?

Skorna: Das Risiko einer Pandemie ist aktuell nicht versicherbar. Wir schätzen aber, dass solche Angebote 2021 wieder zurückkommen, wenn sich die Krise normalisiert hat und ein Impfstoff vorhanden ist. Das war im Fall von Sars auch so. In der Folge konnten solche Epidemie-Risiken dann auch wieder versichert werden.

Es wird aber zunächst nicht der Versicherungsschutz im Vordergrund stehen, sondern die Notfallplanung und das Krisenmanagement. Also dass sich Unternehmen so agil aufstellen, dass sie zum Beispiel ihre Produktpalette überall produzieren können, wenn auch auf reduziertem Produktionsniveau.

Wir rechnen aber schon damit, dass wir verstärkt Nachfragen bekommen, ob Fälle wie die aktuelle Krise versicherbar sind. Ob so etwas dann wirklich abgedeckt werden kann, kann man jetzt noch nicht sagen. Die Angebote gibt es auch nicht bei jeder Versicherungsgesellschaft. Der Markt dafür ist sehr klein. Die Versicherungsdeckung wird auch vergleichsweise teuer sein.

Unternehmen müssen dann einschätzen, ob sie so eine Versicherung abschließen oder ob sie das Risiko selbst tragen und auf den Schutz verzichten. 

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