Herr Möllenhoff, Sie sind der Geschäftsführer der DMG Mori Academy. Mit welchen Themen und vielleicht Herausforderungen kämpfen Sie gerade?
Jan Möllenhoff: Wir sind bei DMG Mori davon überzeugt, dass sich die Zukunft der ganzen Branche verändert und wir uns inmitten einer großen Transformation befinden. Unsere Kunden müssen technologisch noch innovativer sein, um ihre Teile deutlich innovativer zu fertigen als in der Vergangenheit.
Ein wichtiger Punkt dabei ist das Thema Prozessintegration. Das bedeutet, dass wir verschiedene Bearbeitungsschritte, die früher auf verschiedenen Maschinen liefen, in einer Maschine integrieren, um die Auslastung der Maschine zu erhöhen und die Bauteilqualität zu verbessern. Dann gibt es einen weiteren großen Megatrend: Automation. Zu großen Teilen getrieben aus dem Fachkräftemangel, stellt sie uns dennoch in der Ausbildung vor eine große Herausforderung.
Außerdem haben wir noch die Themen digitale Transformation und grüne Transformation. Diese vier Säulen sind unsere großen Themen, an denen wir alles ausrichten - die Entwicklung von Produkten, aber auch die Dienstleistungen.
Und welche Rolle spielt die Academy bei alldem?
Möllenhoff: Wir als Academy zahlen auf diese Themen ein, indem wir dazu beitragen, dass all das für unsere Kunden, aber auch für uns selbst, möglich wird. Wenn wir neue Produkte auf den Markt bringen, immer komplexere Maschinen, muss man auch die eigenen Mitarbeiter mitnehmen. Wir begleiten unsere Kollegen ebenso wie unsere Kunden in diesem Transformationsprozess. Der Fachkräftemangel betrifft uns alle.
Es geht darum, mehr qualifiziertes Personal zu gewinnen und die Ausbildung besser zu machen. Immer komplexere, innovativere Maschinen, Automation, Digitalisierung: Das sind Herausforderungen sowohl für junge Menschen am Beginn ihrer Karriere als auch für erfahrene Mitarbeiter.
Können Sie ein paar Beispiele geben: Was macht die Academy beispielsweise, um junge Menschen zu Beginn ihrer Karriere in der Industrie zu unterstützen?
Möllenhoff: Wir sind sehr aktiv in einem Bereich, den man gar nicht unbedingt in einer Academy vermuten würde: Wir kümmern uns darum, dass Bildungsträger - Schulen, Universitäten, Bildungszentren, Handwerkskammern - möglichst moderne Produkte haben. Und das weltweit. Weil wir glauben, dass die Qualität der Ausbildung davon abhängt. Mit einer 20 Jahre alten Maschine in der Ausbildung können Sie niemanden auf die Zukunft vorbereiten.
Wir sind eine Academy, das heißt wir sagen nicht 'hier ist eine neue Maschine, bitteschön', sondern wir arbeiten mit ganzheitlichen Konzepten. Wir helfen den Schulen auch indem wir alles bereitstellen, was man für eine gute Ausbildung benötigt: zum Beispiel Simulationssoftware für den Klassenraum, Lehrerfortbildungen, Lehrpläne und Prüfungsaufgaben.
Sind es dann meistens Berufsschulen oder auch Gymnasien?
Möllenhoff: Gymnasien gar nicht. Es fängt bei uns in der Berufsschule und der Lehrwerkstatt an und geht hoch bis in die Universität. Wir haben sehr viele enge Kooperationen, von der Fachhochschule bis hin zu Leuchttürmen, die sich in der Forschung hervortun. In Deutschland wird man in fast jeder großen Universität ein Produkt von uns finden. Das ist uns wichtig. Wir wollen, dass die zukünftigen Mitarbeiter, aber auch die zukünftigen Entscheidungsträger unserer Kunden, ihr Handwerk auf unseren Produkten erlernen. Wenn sie dann später in der Industrie Karriere gemacht haben und selbst Investitionsentscheidungen treffen, dann sollen sie sich positiv an unsere Produkte erinnern.
Darüber hinaus versuchen wir, mehr junge Menschen für unsere Industrie zu begeistern. Da ist ein wichtiger Punkt unser langjähriges Sponsoring der WorldSkills. Das ist eine internationale Organisation, die die Weltmeisterschaft der Berufe ausrichtet. Da kommen in mehr als 60 verschiedenen Berufen die besten jungen Menschen der Welt zusammen und küren den Weltmeister im jeweiligen Beruf. Das ist ein faszinierender Wettbewerb und wir sind stolz, hier mit unseren Maschinen und unserem Know-how einen Beitrag zu leisten.
Darüber hinaus engagieren wir uns auch finanziell und inhaltlich bei der Nachwuchsstiftung Maschinenbau des VDW und VDMA.
Merken Sie denn, dass die jungen Menschen, die jetzt nachkommen, interessierter sind an den Berufen oder ist es weiter ein Kampf, um sie für Berufe in der Industrie zu begeistern?
Möllenhoff: Es ist ein Kampf – aber es zahlt sich aus. Wir beraten ja nicht nur Schulen, sondern auch die Ausbildungsabteilungen von Industrieunternehmen. Einige dieser Unternehmen, die mit uns gemeinsam vor vier bis fünf Jahren ihre Ausbildung modernisiert haben, registrieren jetzt wieder steigende Bewerberzahlen. Da sieht man, wenn man die Ausbildung modernisiert und junge Menschen mit innovativen Konzepten reinbringt, dann lohnt sich das und dann klappt es auch wieder mit den Azubis.
Wir machen das gleiche. Zwei unserer drei großen Werke in Deutschland modernisieren die Ausbildung. Wir wenden die gleichen Erfolgsrezepte an: und machen alles neu, um ein ansprechendes Umfeld zu schaffen, um jüngere Mitarbeiter zu gewinnen.
Wir unterstützen die Kollegen in den Werken, die für die duale Ausbildung verantwortlich sind, mit unseren Konzepten und beraten, welche Produkte,, Maschinen oder Simulationssoftware benötigt werden.
Fabrik des Jahres
Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.
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Mehr zu den diesjährigen Siegerwerken lesen Sie hier!
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Sie machen natürlich auch die 'klassische' Arbeit einer Academy, also Sie betreuen zum Beispiel die Servicetechniker, machen aber auch Kundenschulungen. Und Sie qualifizieren Arbeitslose. Wie läuft denn das ab?
Möllenhoff: Wir machen das im Auftrag der Bundesarbeitsagentur und sind dafür zertifiziert. Wir machen das in Zusammenarbeit mit Partnern, denn die Schwierigkeit in den letzten Jahren war nicht, arbeitslose Menschen gut auszubilden, sondern Sie müssen erst einmal Arbeitslose finden, die von der Arbeitsagentur eine entsprechende Förderung erhalten. Denn man bekommt diese Ausbildung nur, wenn man vorher langzeitarbeitslos war. Das sind Menschen, die vorher Schwierigkeiten hatten, in den Arbeitsmarkt zu kommen.
Diesen arbeitslosen Menschen haben wir dann eine Vermittlungsgarantie gegeben und sie sechs Monate bei uns ausgebildet. Anschließend haben wir gemeinsam mit unseren Partnern und unseren Kunden nach Arbeitsplätzen gesucht. Damit haben wir eine Win-Win-Situation: Der neue Mitarbeiter ist froh, wieder einen Job zu haben. Und unsere Kunden, die die Schwierigkeit haben, qualifizierte Fachkräfte zu finden, bekommen einen guten Mitarbeiter.
Und das ist eine Erfolgsgeschichte. Wir haben in den vergangenen Jahren über 1.000 arbeitslose Menschen ausgebildet und haben eine ausgesprochen hohe Vermittlungsquote. Über 90 Prozent sind auch nach sechs Monaten noch in dem Betrieb beschäftigt.
Ich habe gesehen, Sie bilden digital aus, in Präsenz und Hybrid. Ist das durch Corona entstanden oder war das vorher auch schon?
Möllenhoff: Das war vorher schon da, ist aber natürlich durch Corona massiv beschleunigt worden. Auch der Inhalt verändert sich mit der Transformation des Kernproduktes Werkzeugmaschine. Ich muss heute andere Dinge schulen als vor fünf Jahren. Und ich muss es anders schulen. Früher haben wir gesagt, es gibt zwei Modelle: Der Kunde kommt in die Academy oder ich oder wir fahren zum Kunden. Heute haben wir ein großes Maß an Varianz drin.
Wir schulen weiterhin so wie früher, aber wir bieten verschiedene Online-Formate an. Entweder schulen wir theoretische Inhalte in virtuellen Klassenräumen. Das sind dann praxisrelevante Inhalte, die wir zum Beispiel mit Hololenses schulen. Denn für kurze Trainings ist es manchmal effizienter, dass wir die Hololenses zum Kunden schicken, anstatt den Trainer.
Wir führen gerade nochmal ein neues System ein, um auch die Verwaltung unserer Lerninhalte noch besser zu machen. Ein Learning Experience System, das die verschiedenen Lehrinhalte zu hybriden Schulungskonzepten kombiniert.
So können sie digitale und Präsenz-Inhalte miteinander in einem Lernpfad kombinieren und Sie können weitere digitale Inhalte zur Verfügung stellen, um Kunden nach der Schulung weiterhin zu unterstützen.
Podcast: Grob-CEO Wankmiller über Fachkräftemangel
Sie haben zu Beginn gesagt, dass Sie sowohl jüngere, als auch ältere Menschen schulen. Müssen Sie dann unterschiedliches Wissen vermitteln? Zum Beispiel, weil es bei den Schülerinnen und Schülern mehr Vorwissen gibt?
Möllenhoff: Der Vorqualifikationsstand von einem Berufsabsolventen heute ist viel näher an unseren Produkten, als er früher war. Denn wir haben die Schulen ja dementsprechend ausgestattet. Aber, und das ist das Schöne daran, unsere Produkte entwickeln sich weiter. Früher war eine einfache Maschine, die allein in der Fertigung stand und bei der man vielleicht noch an der Maschine das Programm geschrieben hat der Normalfall. Das ändert sich in Zukunft. Es wird mehr hochintegrierte Fertigungsprozesse mit CAD / CAM Programmierung geben.
Die Maschine steht nicht mehr allein, sondern ist automatisiert. Das muss anders betreut werden, die Mitarbeiter benötigen andere Fertigkeiten und das sind die neuen Lernhinhalte, die wir anbieten müssen.
Die jungen Menschen verlassen die Berufsschule zwar besser qualifiziert, aber dafür ist das zukünftige Arbeitsumfeld auch deutlich herausfordernder. Wir passen daher unsere Schulungsinhalte an, machen jetzt weniger Grundlagenschulung und dafür mehr komplexe Themen.
Sind Sie als Academy nur in Deutschland aktiv oder auch international?
Möllenhoff: Gemeinsam mit den anderen Academys im Konzernverbund schulen wir weltweit. Wir bieten sowohl Schulungen für unsere eigenen Kollegen als auch für Kunden an.
Wir sehen in den vergangenen Jahren den Trend, dass internationale Kunden immer seltener bereit sind, nach Deutschland zu reisen. Vor 20 Jahren war das noch anders. Da haben die Kunden ihre Mitarbeiter nach Deutschland geflogen, um sie an der Maschine ausbilden zu lassen. Heute wünschen sich die Kunden Schulung bei sich vor Ort und in Landessprache Das übernehmen dann im Regelfall die Kollegen im jeweiligen Land. Diese schulen wir entsprechend.
Welche kurz- und langfristigen Ziele haben Sie noch mit der Academy?
Möllenhoff: Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie unser Angebot noch umfassender werden kann. Wir haben zum Beispiel mit TULIP eine Software zur Digitalisierung von Arbeitsprozessen. Wir werden uns in Zukunft verstärkt um dieses Produkt kümmern, um unsere Kunden in diesem Bereich noch mehr zu befähigen.
Ein weiteres Thema, das wir uns intensiv anschauen werden, ist das Thema CAD /CAM. Mit zunehmender Komplexität und mit zunehmender Prozessintegration wird die Programmierung der Maschinen immer aufwendiger und man benötigt im Regelfall ein externes System. Das werden wir in Zukunft in unsere Aktivitäten integrieren, sodass wir entlang der Wertschöpfungskette unserer Kunden gut aufgestellt sind.
Die Autorin: Anja Ringel
Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.
Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.
Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.