
Deutschlands Anteil an der globalen Fahrzeugproduktion hat sich mehr als halbiert. (Bild: Gorodenkoff - stock.adobe.com)
Union und FDP ruinieren die deutsche Automobilindustrie. Davon ist zumindest Professor Ferdinand Dudenhöffer überzeugt. Sein Argument: Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder und die Europäische Volkspartei (EVP), der CDU und CSU im Europaparlament angehören, wollen das im März 2023 von der Europäischen Union (EU) beschlossene Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 wieder zurücknehmen. Die FDP bereichert die Diskussion zudem mit der Forderung nach "Technologienoffenheit" in der Antriebstechnik und alternativen Treibstoffen.
Das schadet dem Standort Deutschland, findet Dudenhöffer. "Anstatt unsere Autobauer zu retten, zerstört das Gerede über eine Abkehr vom Verbrenner-Aus unsere Industrie", erklärte der Automobil-Experte im Mai in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Seine Nachfolgerin auf dem Direktorenposten des CAR – Center for Automotive Research in Duisburg, Professorin Helena Wisbert und Professor Andreas Herrmann Auto-Experte an der Universität Sankt Gallen stimmen ihm in etwas anderer Diktion zu.
Was sie damit sagen wollen ist, dass Autobauer und ihre Zulieferer zumindest für ihren Heimatmarkt Rahmenbedingungen brauchen, unter denen sie planen und einen Rechtsrahmen, auf den sie sich verlassen können. Nur so finden sie einen Weg, aus der Misere, in der sie stecken. Mercedes verkaufte im ersten Halbjahr 2024 sechs Prozent weniger Fahrzeuge als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das teilte der Konzern Anfang Juli mit. Bei Audi waren es sogar acht Prozent weniger Käufer.
Vergleichsweise überschaubar fielen die Verluste bei BMW mit minus 0,1 Prozent und VW mit minus 0,6 aus. Allerdings setzten alle Marken in Deutschland im August 2024 fast 69 Prozent weniger E-Fahrzeuge ab, als ein Jahr zu vor, meldet der ADAC. Zugleich ging der Gewinn der drei deutschen Automobilkonzerne im Schnitt um 24 Prozent zurück, ergänzt die Unternehmensberatung EY.
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Massiver Stellenabbau bei VW, Ford und diversen Zulieferern
Weil Volkswagen ganze Werke ausschließlich auf die Produktion von Elektrofahrzeugen ausgerichtet hat und der Rückgang nun zu sehr auf die Rendite drückt, könnte der Konzern in Deutschland bald zwei Fabriken schließen. Jeder vierte Arbeitsplatz könnte dadurch zur Disposition stehen. Die seit 1994 immer wieder verlängerte Beschäftigungssicherung für ihre Belegschaft haben die Wolfsburger vorsorglich bereits gekündigt.
Auch Ford hat beschlossen, die Produktion in seinem Werk in Saarlouis zum November 2025 stillzulegen. Dadurch verlieren 2.700 Beschäftigte ihren Job. Der größte Automobilzulieferer der Welt, Bosch, will vor allem in seiner Antriebssparte, bei der Fertigung von Teilen für Bremsen, Steuergeräten, Fahrzeugelektronik und Software bis zu 3.200 Stellen abbauen. ZF Friedrichshafen, fünftgrößter Zulieferer der Welt, entlässt bis zu 14.000 Beschäftigte, Reifenhersteller Continental, Nummer sieben auf der Weltrangliste, sogar drei Prozent seiner Belegschaft. Weltweit sollen dort 7.150 Arbeitnehmer:innen ihren Job verlieren.
Die Branche reagiert mit dem Stellenabbau nicht nur auf das schlechte erste Halbjahr 2024. Schon 2023 haben Autobauer in Deutschland nur 4,2 Millionen Pkw hergestellt. "Das waren nicht mehr als im Jahr 1985", betont Thomas Puls, Senior Economist für Verkehr und Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die aktuelle Lage in der Branche ist also, anders als oft behauptet, keine "Autokrise". Eine solche geht vorüber. Die Situation ist das Ergebnis von seit langem laufenden strukturellen Verschiebungen in der globalen Automobilindustrie, sozusagen die Folge eines Megatrends. Deshalb ist an der Misere auch nicht die Politik schuld, sondern die Entwicklung auf dem Weltmarkt für Autos in den vergangenen Jahrzehnten, ist Thomas Puls überzeugt.
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Deutschlands Anteil an der globalen Fahrzeugproduktion mehr als halbiert
Wie eine Ende September veröffentlichte Studie zeigt, nahm die weltweite Fahrzeugproduktion zwischen 2000 und 2023 um 60 Prozent zu. Davon entfielen 48 Prozentpunkte auf China. In ihren Werken außerhalb Ostasiens und Indiens – also vor allem in den USA und Europa - fertigen Autobauer dagegen heute drei Prozent weniger Fahrzeuge als zur Jahrtausendwende. Der Anteil Deutschlands an der weltweiten Fahrzeugproduktion hat sich seit dem Jahr 2000 von 9,5 Prozent auf heute nur noch 4,4 Prozent mehr als halbiert. Im Zuge dieser Entwicklung haben seit 2019 auch deutsche Zulieferer fast drei Prozent Anteile am Weltmarkt an Wettbewerber aus China verloren, das hat die Unternehmensberatung PwC errechnet.
Die Umschichtung auf dem globalen Automobilmarkt trifft aber vor allem die deutschen Autobauer selbst. Denn sie erwirtschaften 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Das ist mehr als in jeder anderen deutschen Branche. Selbst der traditionell exportstarke Maschinenbau bleibt sechs Prozentpunkte dahinter zurück.
"Audi, BMW und Daimler haben ihr Geschäft dabei bislang vor allem mit dem Verkauf von voll ausgestatteten Limousinen nach China gemacht", erklärt IW-Ökonom Thomas Puls. Nur diese Fahrzeuge lassen sich in Deutschland noch zu wettbewerbsfähigen Kosten herstellen. Daher beträgt ihr Anteil an der inländischen Produktion mehr als fünf Prozent. „Im internationalen Vergleich ist das absurd hoch“, urteilt Puls.
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Chinesische Autobauer machen Druck
Die Produktion des 'Up' – des letzten in Deutschland gefertigten Kleinwagens – stellte VW Ende 2023 ein. Anders als die deutschen Premiummarken machen die Wolfsburger ihr Geschäft ohnehin schon lange hauptsächlich im Volumenmarkt in China. Sie verkaufen dort 36 Prozent ihrer Produktion. Noch vor vier Jahren setzte VW dort mehr als vier von zehn seiner Neuwagen ab. Das zeigt, ihre Fahrzeuge sind in der Volksrepublik immer weniger gefragt. Der Rückgang trifft auch BMW und Mercedes. Sie verkauften in China 2023 jeweils rund sechs Prozent weniger Luxuslimousinen als 2021.
Doch deutsche Marken haben in China nicht nur ihre Anziehungskraft für Käufer verloren. Chinesische Autobauer erobern zugleich immer größere Anteile auf dem Weltmarkt. Nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie produzierten sie 2023 zehn Prozent mehr Fahrzeuge. E-Autos für den Massenmarkt, so hat es den Eindruck, werden nur noch in China gebaut – auch von europäischen und US-Marken. Tesla stellt dort das Model 3 her, BMW den Mini, Mercedes den Smart, Dacia den Spring.
Trotz des Wachstums sind die Fabriken chinesischer Hersteller aber nur noch zu 48 Prozent ausgelastet. Um wenigstens dieses Niveau halten zu können, exportierten BYD, NIO, Geely & Co. 2023 rund 40 Prozent mehr Fahrzeuge allein nach Deutschland. BYD plant außerdem den Bau eines Werks in Ungarn, Chery errichtet eine Fertigung in einer ehemaligen Fabrik von Nissan in Barcelona.
Die goldenen Zeiten der deutschen Autoindustrie sind vorbei

"Im kommenden Jahrzehnt werden sich die Weltmärkte im globalen Automobilsektor somit neu verteilen", fassen Ökonomen des IW in einer gemeinsam mit der Unternehmensberatung BCG im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie erstellten Studie zur Transformation des Standorts Deutschland zusammen. "Bei dieser Umverteilung kommt es für deutsche Autobauer darauf an, ob sie ihre globale Dominanz im Segment der Premiumfahrzeuge halten können", mahnt der Autoexperte des IW Thomas Puls. Gelingt das, könnte es möglich sein, die Fahrzeugproduktion in Deutschland auf dem Niveau von 2018 oder 2019 zu halten.
"An die goldenen Zeiten der deutschen Automobilindustrie zwischen 2000 und 2015 wird diese aber nicht mehr anschließen können. Die Veränderungen auf dem Weltmarkt werden uns auf jeden Fall etwas kosten", fasst Puls zusammen. Eric Heymann von Deutsche Bank Research sieht das genauso. Auch er hält "eine Rückkehr des Produktionsniveaus zu früheren Höchstständen für unwahrscheinlich."
Podcast: Thomas Fechner (Bosch Rexroth) über Vernetzung in der Industrie
Ohne die Autobranche kann die restliche Wirtschaft nicht wachsen
Was heißt das für die deutsche Wirtschaft insgesamt? Welchen Anteil hätte der Niedergang des Autobaus daran, wenn ein Fünftel der deutschen Industrie in den kommenden Jahren verloren geht, wenn sich am Standort Deutschland nichts ändert? Das schließen die Autoren der Transformation-Studie des IW nicht aus.
Vieles spricht dafür, dass dieses düstere Szenario eintritt. Denn die Automobilindustrie ist mit 796.000 Beschäftigten die größte Branche in Deutschland. Sie erwirtschaftet eine Bruttowertschöpfung von 125 Milliarden Euro. Das sind fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so das IW. Außerdem sorgt sie in anderen Branchen für 136 Milliarden Euro Nachfrage und steht damit indirekt hinter 20 Prozent der Wertschöpfung deutschen Industrie.
Wenn Autobauer Schwierigkeiten haben, entfaltet das also zwangsläufig einen gewaltigen ökonomischen Hebel. „Es ist schwer vorstellbar, dass die deutsche Wirtschaft in Zukunft noch nennenswert wächst, wenn diese Industrie in großem Umfang Marktanteile verlieren sollte“, fassen die Autoren der IW-Studie zusammen.

„Die Transformation der Automobilindustrie hat in irgendeiner Form auch für den Maschinenbau Folgen“, ergänzt der stellvertretende Geschäftsführer des Fachverbands Antriebstechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Dirk Decker. Wie groß diese sein werden, lasse sich aber schwer beziffern. „Denn die Lage in der Autoindustrie wird unterschiedliche Segmente des Maschinenbaus unterschiedlich treffen“, erklärt Decker.
„Die Produktion von Verbrennungsmotoren etwa benötigt andere Maschinen und Kompetenzen als die Fertigung elektrischer Antriebsstränge. Deshalb werden Maschinen, die Drehen, Fräsen oder Zerspanen können, massiv an Bedeutung verlieren“, veranschaulicht Thomas Puls vom IW.
Schwache Autobauer: Die Auswirkungen für die Werkzeugmaschinen-Branche
Werkzeugmaschinenhersteller bekommen das bereits zu spüren. Wie der Verein deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) meldet, liefern seine Mitglieder nur noch 27 Prozent ihrer Produktion in die Automobilindustrie. Vor fünf Jahren waren es noch 40 Prozent mehr.
"In dem Ergebnis schlagen sich zwei Entwicklungen nieder", erläutert der Vorsitzende des VDW Franz-Xaver Bernhard. Zum einen investierten Autobauer wegen des Wandels zum Elektroantrieb deutlich weniger in Zerspanung. Bis 2035 wird sich der Weltmarkt für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor von heute 70 Millionen Fahrzeugen pro Jahr auf dann nur noch 30 Millionen mehr als halbieren, prognostiziert das IW. "Zum anderen diversifizieren Werkzeugmaschinenhersteller ihr Abnehmerportfolio", so Bernhard.
Dr. Thorsten Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Heller Gruppe in Nürtingen bestätigt das. "Während 2017 noch 80 Prozent unseres Umsatzes aus dem Geschäft mit der Automobilindustrie stammten, sank dieser Anteil bis 2022 auf 50 Prozent", erklärt Schmidt. Zugleich machen Werkzeugmaschinenhersteller mit anderen Sparten des Maschinenbaus heute ein Viertel mehr Umsatz als noch 2019. In den Maschinenbau gingen 2023 ganze 30 Prozent der Produktion – mehr als in jede andere Sparte.

Personal-Nachrichten aus der Industrie
Das Personal-Karussell dreht sich auch in der Industrie. Wer geht? Wer kommt? Alle wichtigen Personalmeldungen aus Maschinenbau und Co erfahren Sie in unserem Blog.
Aufbau der Batteriefertigung kompensiert Umsatzverluste in der Autobranche kaum
Andere Branchen werden dagegen durch die aktuellen Schwierigkeiten der Autoindustrie ausgebremst. Etwa die Chemie, die über hundert Jahre Tradition in Deutschland hat, oder die Batterie- und Halbleiterfertigung, die den Branchenmix hierzulande künftig ergänzen müssten, weil Autobauer sie als Zulieferer brauchen. So hat ACC, das Batterie-Joint-Venture von Mercedes, Stellantis und Total Energies zuletzt den Bau einer Zellfabrik in Kaiserslautern auf Eis gelegt. BASF verfolgt den Bau einer Batteriefertigung im spanischen Tarragona nicht weiter. Der Bau des Batteriewerks von Svolt im saarländischen Überherrn stockt. Im Juni hat BMW zudem einen Auftrag über Akkus im Wert von zwei Milliarden Euro bei Northvolt storniert.
Die Zurückhaltung der Batteriebauer wirkt sich auch auf ihre Zulieferer im Maschinenbau aus. So hat die Manz AG aus Reutlingen auf die Mobilitätswende gesetzt und Anlagen für die Batteriefertigung entwickelt. "Dieser Markt hat sich bisher aber nicht in dem Tempo und mit der Verlässlichkeit entwickelt wie vorgesehen", müssen die Schwaben feststellen. Die Erlöse in der Batteriesparte sanken im ersten Halbjahr 2024 um 51 Prozent auf 28,5 Millionen Euro. Manz will darauf mit Kurzarbeit reagieren.

Deutsche Anbieter hätten es ohnehin schwer, sich als Ausrüster für Zellfabriken zu etablieren, ergänzt Alexander Raßmann, Fachreferent für Elektromobilität bei der Forschungsvereinigung Antriebstechnik sowie im Forum Elektromobilität des VDMA. "Denn in Japan und China gibt es schon lange renommierte Wettbewerber, die auch schlüsselfertige Anlagen anbieten", so Raßmann. Deutsche Maschinenbauer könnten sich in der Branche aber einen Ruf als innovative Qualitätslieferanten erarbeiten. "Denn die Batterieproduktion bietet Maschinenbauern große Chancen. Dort fallen vom Mischen von Batteriechemikalien, über das Beschichten von Gehäusen bis zum Wickeln von Spulen zahlreiche Fertigungsschritte an, für die Maschinenbauer das nötige Know-how haben", fasst Raßmann zusammen.
Unter dem stockenden Ausbau der Zellproduktion in Deutschland leidet auch die Chemieindustrie. Ex-BASF-Chef Martin Brudermüller verlagerte nicht nur Arbeitsplätze nach China. Er wollte BASF auch zum führenden Lieferanten von Kathoden aufbauen und damit 2030 sieben Milliarden Euro umsetzen. Daraus wird für den Chemiegiganten aufgrund der sinkenden Absatzzahlen bei Stromern und der Zurückhaltung der Batteriehersteller beim Bau von Werken in Deutschland aber wohl nichts. BASF ist vom Strukturwandel in der deutschen Autoindustrie auch deshalb betroffen, weil es Nummer 17 auf der Liste größten Zulieferer der Welt ist. Der Konzern liefert neben Batteriechemikalien Korrosionsschutz, Lacke und Hochleistungskunststoffe.
Fachkongress Fabrikplanung

Auf dem 21. Fachkongress Fabrikplanung treffen sich unter anderem Fabrikplaner:innen, Werksleiter:innen und Ingnieur:innen, um über die Herausforderungen der Branche zu diskutieren.
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- Vorträge und Workshops für die Teilnehmenden
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Autokrise stellt Investitionen in der Halbleiterbranche infrage
Die Transformation der deutschen Automobilindustrie bereitet am hiesigen Standort auch Zukunftsbranchen wie der Halbleiterproduktion Schwierigkeiten. Dabei wären Autobauer darauf angewiesen, mikroelektronische Bauteile hierzulande beschaffen zu können. Denn ohne Halbleiter lässt sich kein Auto bauen. Waren in einem Porsche 911 im Jahr 1978 lediglich acht Chips und ein Steuergerät verbaut, so sind es heute in einem Fahrzeug für den Massenmarkt wie dem Skoda Enyaq allein 90 Steuergeräte. In einem Elektrofahrzeug werden dreimal so viele Halbleiter verbaut wie in einem Pkw mit Verbrennungsmotor. Die Nachfrage nach Chips wird sich daher bis 2030 auf 147 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifachen.
Zwar erweitern Infineon und Bosch ihre Werke in Dresden. Zudem errichtet der größte Auftragsfertiger der Welt, TSMC, mit den beiden deutschen Chipherstellern sowie mit NXP Semiconductor aus den Niederlanden ein gemeinsames Werk in der sächsischen Landeshauptstadt.
Intel dagegen hat den Bau von zwei Werken in Magdeburg vorerst abgesagt. Dabei hätten Autobauer für das autonome Fahren und die Konnektivität ihrer Fahrzeuge die hochmodernen Chips gut brauchen können, die der US-Konzern in Sachsen-Anhalt produzieren wollte. Auch Siemens muss wegen der Absage von Intel auf Aufträge verzichten. Der Münchner Maschinenbau- und Elektronikkonzern sollte die Werke in Magdeburg ausrüsten.
Das Saarland verliert ebenfalls Investitionen von Halbleiterherstellern. In Ensdorf wollte Wolfspeed aus den USA gemeinsam mit ZF Friedrichshafen für drei Milliarden Euro das größte Werk der Welt für Leistungshalbleiter aus Siliziumkarbid bauen. ZF wollte diese in seinen Komponenten für die Elektromobilität verbauen. Doch die Pläne der beiden Partner liegen auf Eis.
Lage in der Autoindustrie bremst Transformation des Standorts Deutschland
So bremst ausgerechnet die Transformation der deutschen Automobilindustrie die Transformation des Standorts Deutschland. Maschinenbauer fordert das heraus. Aber es bedeutet nicht das Aus. "Wer sein Geschäftsmodell verliert, weil seine jahrzehntelang bewährte Technologie durch den Wandel vom fossilen zum elektrischen Antriebsstrang nicht mehr benötigt wird, überlegt sich, welchen anderen Kunden er mit seinen Kompetenzen attraktive Angebote machen kann", erklärt Dirk Decker vom VDMA. Maschinenbauer haben dazu das erforderliche Know-how. So erschließt sich beispielsweise Manz gerade mit selbst entwickelten Maschinen das Advanced Packaging in der Halbleiterbranche als neuen Markt.
"Selbstverständlich ist es eine enorme Kraftanstrengung, einen Betrieb weiterzuentwickeln und in der veränderten Situation neu aufzustellen. Neue Geschäftsfelder erschließt nur, wer offen für technologische Entwicklungen bleibt. Gleichzeitig müssen Maschinenbauer aber ihre technologische Stammposition erhalten und ihre bisherigen Märkte sichern", räumt Decker ein. Der zunehmende Wettbewerb auf dem Weltmarkt mit Anbietern aus Asien mache das nicht leichter. "Zugleich läuft der Wandel binnen fünf bis zehn Jahren mit einem enormen Tempo ab", so Decker.
Einfach wird es für Maschinenbauer also nicht, wenn die Automobilindustrie ihre Rolle als Leitbranche der deutschen Wirtschaft künftig abgibt. Doch egal, wer daran schuld ist, Maschinenbauer werden mit dem Niedergang der Autobranche klarkommen.