• Erdogan verhandelte wohl direkt mit Diess. Doch ein neues VW-Werk ist in weite Ferne gerückt. Die Milliarden für das neue Werk könnten nun auch in einem anderen Land investiert werden.
• Auch ohne VW ist die Türkei ein wichtiger Standort der internationalen Automobilindustrie. Wer schon alles vor Ort ist?
Ein Sprecher des VW-Konzerns erklärte: "Die Entscheidung für das neue Werk wurde vom Vorstand der Volkswagen AG vertagt." Der Autobauer beobachte die gegenwärtige Lage sorgfältig und blicke mit Sorge auf die derzeitige Entwicklung.
Zuvor hieß es lange Zeit, dass man in finalen Verhandlungen sei. Vieles deutete daraufhin, dass sich die Türkei als Standort etwa gegen Bulgarien durchsetzen würde.
Verhandlungen zwischen Diess und Erdogan?
Wie das "Manager Magazin" berichtet, schien sogar alles schon besiegelt zu sein. Die Verhandlungen über den Bau des neuen Standorts in der Türkei soll laut Medienberichten VW-Chef Herbert Diess zeitweise sogar direkt mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan geführt haben.
Bis zu einer Milliarde Euro wolle VW in den Bau einer neuen Fabrik in Manisa nahe Izmir investieren. Bis zu 300.000 Autos könnten dort jährlich von 4.000 Werkern ab 2022 vom Band montiert werden. Der VW Passat sowie das Schwestermodell Skoda Superb sollten dort vom Band rollen.
Offensive der Türkei stößt international auf Kritik
Doch seit dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien scheint die finale Entscheidung in weite Ferne gerückt. Seit vergangenen Mittwoch gehen türkische Truppen mit verbündeten Rebellen gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien vor, die Nachrichtenagentur dpa berichtet.
Ankara betrachtet die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, warnte diesen Montag in der ARD vor den Folgen der Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien. Die Angriffe der Türkei stoßen international auf Kritik.
Wie wichtig die Türkei für die deutsche Rüstungsindustrie ist, lesen Sie hier.
Update vom 16.10./ 10.00 Uhr: Amnesty begrüßt VW-Entscheidung
Die Entscheidung des VW-Konzerns, die Pläne für eine neue Fabrik in der Türkei vorerst auf Eis zu legen, findet Zustimmung. Der Wirtschaftsexperte der Menschenrechtsorganisation Amnesty Deutschland, Matthias John, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Wir begrüßen es, wenn Unternehmen wie Volkswagen bei ihren Entscheidungen auch ausdrücklich menschenrechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigen." Dies gehöre zu den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten – entlang aller Liefer- und Wertschöpfungsketten.
Auch Wirtschaftsvertreter äußerten sich positiv zu der VW-Entscheidung. Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch in Nordsyrien müsse eine weitere Debatte über die politische Verlässlichkeit der Türkei geführt werden, sagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall, der "HAZ".
Noch 2015 habe die Türkei als Wirtschaftswunderland gegolten, doch bereits 2018 hätten 90 Prozent der im Verband versammelten Unternehmen keine ausreichende Rechts- und Planungssicherheit in der Türkei mehr gesehen. Die Angriffe der Türkei stoßen international auf Kritik.
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CDU-Außenpolitiker Hardt warnt vor Sanktionen gegen Türkei
So hatten beispielsweise die Außenminister der EU-Staaten die türkische Militäroffensive in Nordsyrien bei einem Treffen in Luxemburg zuvor scharf verurteilt. Die Intervention gefährde die Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region und führe zu einem noch größeren Leiden von Zivilisten und zu weiteren Vertreibungen.
Ein Waffenembargo oder Sanktionen wurden aber nicht beschlossen. US-Präsident Donald Trump kündigte Strafmaßnahmen an. So sollen Strafzölle auf Stahlimporte aus der Türkei wieder auf 50 Prozent angehoben werden.
Der CDU-Außenexperte und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen, hat in der "Rheinischen Post" wegen der türkischen Offensive einen kompletten Rüstungsexportstopp für den Nato-Partner gefordert.
Doch es gibt auch andere Stimmen. In der Debatte um die türkische Militäroffensive in Nordsyrien hat sich der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, skeptisch zu möglichen Sanktionen geäußert. "Sanktionen gegen die Türkei, einen Nato-Partner, wären kontraproduktiv. Wir brauchen eine stabile und starke Türkei an der Süd-Ost-Flanke der Nato", sagte der CDU-Politiker der "Passauer Neuen Presse". "Den Einsatz zu kritisieren ist das eine, Maßnahmen, die die Türkei schwächen, wären etwas ganz anderes."
Türkei ist bereits ein wichtiger Standort der internationalen Automobilindustrie
Auch ohne das Milliarden-Invest des Volkswagen-Konzerns ist die Türkei ein wichtiger Standort für Autobauer und Zulieferer. Bekannt ist diese Tatsache kaum. Wer nicht aus der Branche stammt, dürfte überrascht sein, wie fest verankert die Branche in der Türkei bereits ist. 1,5 Millionen Autos rollen in dem Land jährlich vom Band.
Laut einem Bericht der "Augsburger Allgemeinen" gilt das Land als der wichtigste Standort der Automobilfertigung in Südosteuropa. Über 200.000 Beschäftigte seien bei Autobauern und Zulieferern angestellt.
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Diese Autobauer sind bereits in der Türkei
In der Türkei produzieren schon heute unter anderem
- Fiat,
- Ford,
- Hyundai,
- Toyota,
- Daimler,
- MAN (die VW-Tochter fertigt in Ankara Busse mit 3.000 Beschäftigten).
Außerdem sind große Zulieferer wie Schaeffler und Faurecia vor Ort.
Warum die Türkei so attraktiv ist für die Autoindustrie
Niedrige Produktionskosten, viele Fachkräfte - in einem Artikel der "Augsburger Allgemeinen" berichtet der Hamburger Sozialwissenschaftler Yasar Aydin, dass die Türkei sich als idealer Standort für die Automobilindustrie erachtet.
So sei die Türkei ein großer Binnenmarkt mit über 80 Millionen Einwohnern. Die Produktionskosten seien recht niedrig, die Arbeiter aber gut qualifiziert. Einen Fachkräftemangel kenne die Türkei angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit nicht.
Darüber hinaus profitiere die Türkei vom freien Zugang zum EU-Binnenmarkt und der geografischen Nähe zu Asien, dem Nahen Osten und der russischen Einflusssphäre. Des Weiteren fördere der türkische Staat Forschung und Entwicklung in der Autoindustrie mit Finanzspritzen.
Wo VW bereits überall Werke betreibt
Das neue Werk in der Türkei wäre ein weiterer Mosaikstein in dem gigantischen Produktionsnetzwerk des VW-Konzerns. Der Konzern betreibt laut eigenen Angaben in 20 Ländern Europas und in 11 Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas 122 Fertigungsstätten.
664.496 Beschäftigte produzieren rund um den Globus Fahrzeuge, sind mitfahrzeugbezogenen Dienstleistungen befasst oder arbeiten in weiteren Geschäftsfeldern. Seine Fahrzeuge bietet der Volkswagen Konzern in 153 Ländern an.
Insbesondere in Deutschland ist der VW-Konzern mit seinen vielen Standorten ein wichtiger Arbeitgeber. Welche Fahrzeuge und Komponenten der Autobauer in Deutschland in seinen einzelnen Werken produziert, erfahren Sie in dieser Bildergalerie.
Bilderstrecke: Die VW-Standorte in Deutschland
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