Ceratizit hat es sich selbst zum Ziel gesetzt, Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit zu sein. Wie wollen Sie diese Vision verwirklichen?
Melissa Albeck: Genau, das ist ein sehr wichtiges Ziel für uns. Wir wollen uns da wirklich positionieren als Vorreiter im Markt. Wir haben uns aus den ganzen UN-Zielen vier Bereiche rausgepickt: Einmal in „Material and Resource Efficiency“, also Effizienz, wie wir unsere Werkstoffe einsetzen. Dann „Sustainable Production and Technology“, da kommt auch der CO₂-Fußabdruck zum Tragen.
Dann „Attractive Workplace“, also wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein, und auch „Environmental and Social Aspects in the Supply Chain“, also auch mit „conflict-free Materials“ und wo wir unsere Produkte herkriegen und schauen, dass die Supply Chains dann auch nachhaltig und sauber sind.
Ceratizit hat 2022 seine Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt und darin drei Stufen definiert. Bis 2025 wollen Sie CO₂-neutral sein und Emissionen um 35 Prozent reduziert haben. 2030 soll die Reduzierung der Emissionen dann schon bei 35 Prozent liegen. Net Zero wollen Sie bis 2040 erreicht haben, inklusive einer Reduzierung der Emissionen um 90 Prozent. Bis zur ersten Etappe, der CO₂-Neutralität bis 2025 ist es ja nun gar nicht mehr so lange hin, wie weit sind Sie denn damit?
Albeck: Ja, den Druck spüren wir schon. Aber die gute Nachricht ist, wir hatten Ende 2022 eigentlich schon die Hälfte dieses Ziels erreicht. Vor allem mit grüner Energie, denn wir brauchen sehr viel Energie für unsere hochschmelzenden Metalle. Da haben wir überall, wo es ging, auf grüne Energie umgeschwenkt mit so PPA-Plänen. Das hat schon viel gebracht.
Und wir haben dann auch etliche andere Projekte laufen, besonders bei unserem Chemiewerk, die Pulverfertigung in Amerika. Da haben wir einige Projekte am Laufen, die da wirklich helfen werden.
Und dann haben wir auch einige Projekte laufen an den Standorten. Weil wir haben festgestellt, das Pendeln von unseren Mitarbeitern, das hat auch einen großen Fußabdruck. Wir haben zum Beispiel eine App in Österreich, wo Leute sogar Geld verdienen können, wenn sie nachhaltige Mittel verwenden, um in die Arbeit zu fahren. Also es kann jeder wirklich was beitragen.
Gibt es Aspekte, auf die sie sich bei Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie besonders konzentrieren?
Albeck: Also noch ein wichtiger Aspekt ist das Thema Circularity, also Recycling. Wolfram wird sowieso immer recycelt, das ist eigentlich nicht wirklich was Neues, aber unser Zinkpulver wird zu 100 Prozent aus Schrott gemacht.
Aber wir versuchen jetzt gemeinsam mit Kunden wirklich neue Geschäftsmodelle zu finden. So dass wir wirklich in der Lage sind, den Schrott zurückzunehmen und dafür dann neue Produkte zu liefern und das Ganze wirklich als Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Also das ist ein großes Thema, wo wir uns Gedanken machen und einige Kundenprojekte am Laufen haben.
Wie gesagt, das Thema Conflict-free Materials ist auch wichtig bei uns, weil einige unserer Materialien sind schon Critical Minerals und es ist wichtig, dass da alles passt.
Ein Instrument, das Sie auch etablieren wollen, um die Ziele zu erreichen, ist der sogenannte Product Carbon Footprint. Dazu hat Ihr Vorstandskollege Andreas Lackner gesagt. „Unser Ziel ist es, einen gemeinsamen Standard zur Berechnung und Klassifizierung des CO₂-Fußabdrucks von Zerspanungswerkzeugen, Hartstofflösungen und Hartmetallpulvern auf dem Markt zu etablieren.“ Wie genau sieht dieser Standard denn aus?
Albeck: Also wir sind wirklich die Ersten im Wolfram-Carbid-Markt, die so einen Product Carbon Footprint definiert haben. Im Prinzip geht es darum, dass wir unseren Corporate Carbon Footprint berechnet haben - aber wirklich alles, inklusive Scope 3. Das Corporate Carbon Footprint haben wir dann runtergebrochen auf Produktebene.
Und dann haben wir dann Kategorien definiert, ein bisschen wie die Klassifizierung auf dem Kühlschrank. Also zum Beispiel, dass wir sagen, es gibt verschiedene Kategorien A, B, C, D und haben versucht dann diese Kategorien mit dem Product Carbon Footprint zu definieren und welche Produkte dann wo reinfallen.
Da versuchen wir jetzt uns mit dem VDMA und mit einigen Wettbewerbern zu einigen auf eine Linie. Es gibt sogar einen Arbeitskreis des VDMA, der sich jetzt auf dieses Thema dann konzentriert, was für uns gut ist. Und wir haben jetzt auch vor kurzem erfahren, dass unsere Kalkulationsmethode bald in den DIN-Blättern aufgenommen wird. Also das ist die erste Hürde und da müssen wir schauen, wie wir es dann noch weiter etablieren. Aber da sind wir auch schon gut unterwegs.
Wie ist denn das Feedback von den Anwendenden auf diesen Product Carbon Footprint?
Das Feedback ist auf jeden Fall positiv. Aber es ist klar, für einige ist es heute schon relevant, besonders einige größere Firmen, die da schon Corporate-Ziele haben. Die sind auch dankbar für die Unterstützung. Wir werden momentan, glaube ich, eher als Berater gesehen. Es ist viel Kommunikation notwendig, dass man erklärt, um was es geht und wie es berechnet wird und dass wir Leute unterstützen, das auch zu verstehen und umzusetzen.
Aber es gibt natürlich auch viele Firmen, die sagen, sie wissen, dass es irgendwann kommt, aber es ist heute noch nicht so relevant. Also es ist schon früh, besonders für kleinere Unternehmen.
Aber es gibt eben größere Kunden, denen das jetzt heute schon wichtig ist. Also wenn man jetzt mit Apple oder Bosch oder so Geschäfte machen will in Zukunft, dann ist das eine Voraussetzung, dass man sagen kann, welchen Product Comfort Print man hat. Und ja, also die Leute sind dann dankbar, dass wir da unterstützen.
Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über Nachhaltigkeit in der Zerspanung, die verschiedenen Geschäftsfelder von Ceratizit (Hartmetall- und Zerspanungsgeschäft) und Female Leadership hören Sie hier:
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