Der Maschinenbau kann bei den Bemühungen, die Rüstungsindustrie in Deutschland und Europa zu stärken und die Produktion von Waffen und Systemen zu beschleunigen, eine wichtige Rolle spielen. Tut er das auch?

Der Maschinenbau kann bei den Bemühungen, die Rüstungsindustrie in Deutschland und Europa zu stärken und die Produktion von Waffen und Systemen zu beschleunigen, eine wichtige Rolle spielen. Tut er das auch? (Bild: nata - stock.adobe.com - KI-generiert)

VDMA Präsident Bertram Kawlath
Zitat

Unsere Souveränität muss durch resiliente Strukturen gestärkt werden.

Bertram Kawlath, VDMA-Präsident
(Bild: VDMA - Salome Roessler)

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ließ den bereits seit 2014 schwelenden russischen Angriff auf die Ukraine eskalieren. Dies hatte aber nicht nur im Kriegsgebiet direkte Auswirkungen. In seiner Zeitenwende-Rede am 27. Februar 2022 - seiner Regierungserklärung zu einer Sondersitzung des Deutschen Bundestag anlässlich des drei Tage zuvor begonnenen russischen Überfalls auf die Ukraine – stimmte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz, das Parlament, das Volk und die Industrie auf geänderte Zeiten ein. Auch wenn die Umsetzung dieser Zeitenwende dann doch eher zaghaft und verhalten umgesetzt wurde.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm äußert sich 2024 auf der Auftaktveranstaltung zur 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) von BDI und der vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft: „Die raue Realität der Zeitenwende ist noch nicht in den Köpfen angekommen – und im Handeln schon gar nicht: Der notwendige Wandel wird vor allem rhetorisch beschworen.“ Und er forderte eine enge Verzahnung von Forschung, Industrie und Bundeswehr, denn diese sei unumgänglich. Zudem sei die Trennung von militärischer und ziviler Forschung und Entwicklung zu überdenken. Die Innovationskraft von jungen Unternehmen und von Start-Ups müssen besser genutzt werden. Doch zumindest Teilen in Politik und Bevölkerung ist jetzt klar: Deutschland ist nicht nur von Freunden umzingelt!

Nötige Rüstungsgüter nicht schnell genug lieferbar

Am ehesten lässt sich die Zeitenwende an den Ausgaben für die Ukraine und der Diskussion um die Wehrtauglichkeit der Bundeswehr festmachen. Führende Generale geben als Zeitfenster für eine weitere russische Eskalation gegenüber NATO-Verbündeten immer 2027 bis spätestens 2030 an. Bis dahin müsste die Bundeswehr kriegsfähig sein. Das betrifft sowohl das Personal, die Strukturen als auch das Material. Und hier sind die Probleme dann schnell offensichtlich. Beim Personal konkurriert die Bundeswehr mit der Industrie, die oft bessere Gehälter und Konditionen bieten kann.

Beim Material ist die plötzlich notwendige Vollausstattung nicht schnell genug umsetzbar. Über Jahrzehnte wurden die Fertigungskapazitäten der Wehrtechnischen Industrie abgebaut, da der Kunde immer weniger bestellte und für ein Vorhalten an Kapazitäten nicht bezahlen wollte. Hinzu kommt die teils schwierige Rohstoffversorgung – mit extrem langem Vorlauf – sowie die überbordende Bürokratie des Staatsapparates, die den Herstellern und sich als Kunden damit die Flexibilität und Geschwindigkeit nimmt.

Kapazitäten für Kriegsgüter müssen jetzt und schnell aufgebaut werden

Mit Blick auf die Ziellinien – kriegstüchtig bis 2027 oder 2030 – müssen Kapazitäten aber jetzt umgehend aufgebaut und anschließend vorgehalten werden. Die Depots und Fahrzeugflotten müssen gefüllt werden. Dazu müssen zusätzliche Fertigungsstraßen aufgebaut und für diese die Maschinen bestellt und aufgestellt werden. Dies alles geht nicht von heute auf morgen. Zudem warten viele der Firmen erst auf den Eingang der Bestellungen, bevor diese Schritte unternommen werden. Denn im Vordergrund steht immer noch die Wirtschaftlichkeit.

Doch selbst wenn die Aufträge der Bundeswehr vorliegen, wie schnell kann ein Produzent reagieren. Neben dem Maschinenpark bedarf es der Rohstoffe und des ausgebildeten Personals. Beides liegt nicht auf der Straße herum. So muss Panzerstahl mit einem Vorlauf von mindestens einem Jahr bestellt werden. Personal ist ein enormer Engpass, nicht nur in der Bundeswehr und Wehrtechnik. So soll alleine Rheinmetall mehr als 3.500 neue Mitarbeiter suchen. Doch wie sieht es beim deutschen Maschinenbau aus?

Am Luftlandefahrzeug Caracal ist ACS maßgeblich beteiligt.
Am Luftlandefahrzeug Caracal ist ACS maßgeblich beteiligt. (Bild: Rheinmetall)

Aufträge und Budget müssen als Grundlage vorhanden sein

Die ACS Armoured Car Systems GmbH ist ein typischer deutscher Mittelständler der Wehrtechnischen Industrie. ACS fertigt die Enok-Fahrzeugfamilie für Spezialkräfte der Bundeswehr und der deutschen Polizei. Außerdem ist ACS am Luftlandefahrzeug Caracal maßgeblich beteiligt. Es handelt sich um einen klassischen Metallverarbeitungsbetrieb. Für die Fertigung benötigt ACS allerhand an Maschinen. Metall muss mittels Laser geschnitten werden, anschließend wird es gekantet, bearbeitet und anschließend verarbeitet und veredelt. Daher benötigt ACS bzw. deren Vorlieferanten Laserschneidanlagen, Kantbänke, Drehbänke, Fräsanlagen, Schweißgeräte, bis hin zu Lackieranlagen.

Sebastian Schaubeck, Geschäftsführer bei ACS: „Wenn wir auf die bestehenden Lieferketten zurückgreifen können und über Schichtarbeitsmodelle gehen, dann kann so eine Ausweitung relativ schnell gehen. Wir müssten dann ‚nur‘ Personal suchen, ggf. weitere Vorrichtungen beschaffen, aber nicht in komplexe Anlagen investieren. Eine solche Ausweitung kann in weniger als 12 Monaten umgesetzt werden.“ Wenn die bestehenden Flächen aber nicht ausreichen, erklärt er, müsste das Unternehmen eine neue Halle bauen, diese dann ausstatten und erneute Leute einstellen. „Wenn man Glück hat, dann gibt es eine passende Immobilie zu kaufen. Wenn man neues Gelände erwerben und Genehmigungen einholen muss, dann dauert so eine Ausweitung schnell über 24 Monate."

Nicht jeder verfügbare Werker ist auch geeignet

Und er ergänzt: „Der kritische Pfad ist die Immobilie. Eine Logistikhalle ist auf dem Markt gut verfügbar. Eine Fertigungshalle ist nicht so einfach zu kaufen.“ Die Anforderungen an die Immobilie seien speziell. Es gebe Anspruch an die Sicherheit des Gebäudes, Parkplätze, ausreichend Strom, ausreichende Traglasten der Böden, Kranbahnen, Zwischenwände aus Lärmschutz usw. Da die Wirtschaft aktuell schwächelt, seien Maschinen aktuell kein Flaschenhals.

„Die Rekrutierung von geeignetem Personal ist ebenfalls herausfordernd“, sagt Schaubeck. „Wir lassen neue Mitarbeiter überprüfen und können nicht jeden Staatsbürger einstellen. Auch müssen wir die Mitarbeiter in der Regel umfangreich qualifizieren. Ein Schlosser, der Balkongeländer schweißt, muss ausgebildet werden, damit er z. B. Panzerstahl schweißen darf und kann.“ Eines ist für den ACS-Chef klar: „Die unabdingbare Voraussetzung – conditio sine qua non – für ein solches Unterfangen ist ein ausreichend großer Geldbeutel. Wir können niemanden empfehlen, auf Hoffnung viele Millionen Euro zu investieren. Die Wirtschaft ist mutig, aber nicht tollkühn. Hier kommen sehr schnell 8-stellige Beträge zusammen.“

Industrie kann schneller sein – wenn Auflagen wegfallen

Schaubeck stellt heraus, dass gerade in Krisen- und Kriegszeiten die Industrie schneller sein kann. Aber nicht mit den bestehenden Auflagen. Abstriche müssen möglich sein. Als Beispiel: Die Verordnung über Arbeitsstätten regelt z. B. Pausenräume. So muss ein Pausenraum Tageslicht haben, man muss für ausreichend zuträgliche Atemluft sorgen und der Raum muss entsprechend temperiert sein. Der ACS-Geschäftsführer: „Muss das in Krisen- oder Kriegszeiten sein? Wir denken nicht.“

Zudem setzt ACS auf eine möglichst „lokale“ Supply Chain und maschinelle Ausstattung. Denn dieses ist extrem wichtig. Schaubeck: „Wir sourcen, falls möglich, fast ausschließlich von lokalen Partnern. Erstens bleibt so mehr Geld in der Region und zweitens kann man so sehr schnell und unkompliziert agieren bzw. Dinge ändern. Ein anderes Beispiel sind die Schweißgeräte der Firma Fronius. Dank deren Expertise und Erfahrung können wir sehr schnell Schweißprozesse optimieren und anpassen. Alleine können wir das nicht. Aber auch das ‚Handwerkszeug‘ unserer Mitarbeiter ist sehr wichtig, wie z. B. Akku-betriebene Hilti-Geräte für die Montage.“

Resilienz auch in der Rüstung wichtig

Peter Wambsganß ist Head of Business Development bei der etatronix GmbH, einem Hersteller von Power Management Lösungen. Er sagt: „Die jüngsten Krisen haben gezeigt, wie wichtig resilientere Lieferketten sind – insbesondere im Verteidigungsbereich. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein Großteil der Entwicklung und Produktion von Netzteilen nach Asien, insbesondere China, verlagert, was zu erheblichen Abhängigkeiten geführt hat. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Verteidigungsfähigkeit auch eine möglichst geschlossene innere Wertschöpfungskette bedeutet. Wir entwickeln und fertigen unsere militärischen Produkte vollständig in Deutschland. Zudem setzen wir konsequent auf Komponenten aus NATO-Mitgliedsstaaten – unsere Stücklisten sind entsprechend bereinigt. Damit bieten wir unseren Kunden ein hohes Maß an Liefersicherheit – auch im Krisen- oder Kriegsfall.“

Eine Panzerabwehrrichtmine Deutsches Modell 22 (PARM DM22). Für dieses System baut Rhode & Schwarz eine Produktionsstraße auf.
Eine Panzerabwehrrichtmine Deutsches Modell 22 (PARM DM22). Für dieses System baut Rhode & Schwarz eine Produktionsstraße auf. (Bild: PIZ Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung)

Fabriken aus- und aufbauen

Weltweit und auch in Deutschland werden seit rund drei Jahren die Kapazitäten in der Produktion ausgebaut. Neben der Rheinmetall AG auch bei ganz vielen deutschen Mittelständlern. MBDA Deutschland mit ihrer Tochter TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH baut nach Bestellungen aus Deutschland und anderen Ländern eine Fertigungsstraße für die Panzerabwehrrichtmine PARM DM22 und PARM NextGen auf.

Der Kommunikationsspezialist Rhode & Schwarz (R&S) steigert gleich an mehreren Standorten seine Entwicklungs- und Produktionskapazitäten. So kommen in Memmingen ca. 6.000 m2 neue Produktionsfläche hinzu. Es handelt sich um eine Make-to-oder-Produktion, nichts wird auf Lager gelegt, alles direkt ausgeliefert. Ziel ist immer die gesteigerte Kundennachfrage zu befriedigen. Das heißt, in kurzer Zeit mehr Quantität zu liefern. Bei R&S ist der Fertigungsprozess zweigeteilt. Erstens muss das Material gesourct werden, dazu muss die Supply Chain schnell gesteigert werden. Dazu ist man auf die mechanischen Teile aus dem eigenen Hause sowie Zukaufteile von Partnern angewiesen. Dr. Martin Henkel, Direktor Final Produktion bei R&S in Memmingen: „Dazu bedarf es einer offenen und transparenten Kommunikation mit diesen Partnern sowie deren Entwicklung im Vorfeld.“

Maschinen und Ausstattung für Rüstungsaufträge unverzichtbar

Der zweite Schritt ist dann die Fertigung - und dazu braucht es Maschinen. Bei R&S sind das meist Messgeräte, die überwiegend hausintern gesourct werden. Daher muss vor allem intern priorisiert werden. Dann gehen zwar weniger Produkte an externe Kunden, aber gleichzeitig ist R&S weniger auf externe Zulieferer angewiesen. Es bedarf natürlich trotzdem noch an Ausstattung von Extern, sagt Dr. Henkel: „Da haben wir erlebt, wenn wir offen und transparent kommunizieren, auch schnell mit Lieferanten zu entsprechenden Einigungen kommen, um so schnell skalieren zu können." Beispielsweise, wenn wir einen Produktneuanlauf haben, dann werden neue Fertigungsstraßen aufgebaut oder bestehende hochgerüstet. Der Neuanlaufprozess beträgt normalerweise ein bis anderthalb Jahre. Bei offener Kommunikation haben wir das in konkreten Fällen schon in der Hälfte der Zeit geschafft. Wenn langfristige Zusagen vom Kunden bestehen, dann können wir diese transparent an den Zulieferer weitergeben. Und dann ist es auch interessant für ihn mitzugehen.“

Bei R&S in Memmingen werden Maschinen u.a. des Herstellers Vötsch sowie Roboterarme von Universal Robots eingesetzt. Diese werden zugekauft, aber die Programmierung erfolgt ausschließlich hausintern. So ist R&S flexibel und schneller anpassbar, hat es in der eigenen Hand. Dr. Henkel: „Bei Rohde & Schwarz wird stark auf Standardisierung gesetzt. Dazu gibt es einen Standard-Methoden- und Standard-Applikationen-Baukasten. Ähnlich wie bei Drag-and-Drop werden diese eins zu eins herangezogen. Diese werden dann produktspezifisch erweitert. Anstelle jedes Mal alles neu zu erfinden. Dies gilt bei uns für das Engineering und die Automatisierung.“ Auch für Rohde & Schwarz ist das Personal eine Herausforderung, sowohl Ungelerntes als auch Fachkräfte. Neben Kooperationen mit Universitäten setzt R&S daher bereits seit Jahren auf Automatisierung und den Einsatz von Robotern.

Rüstung übernimmt Autowerke

Ein anderes Beispiel ist, nicht genutzte Kapazitäten schwächelnder Industriezweige zu übernehmen und anzupassen. Viele deutsche Autobauer wollen Personal entlassen, sogar ganze Werke schließen oder verkaufen. So prüft z. B. die Rheinmetall AG Personal und Werke von VW oder anderen Herstellern zu nutzen, um dort militärische Produkte zu produzieren. Anstelle von Golf & Co. laufen dort dann militärische Transporter vom Band, oder sogar Drohnen?

Auch hier zeigt sich, Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg. So sagte Rheinmetall-CEO Armin Papperger in einem Interview mit dem Handelsblatt im April: „Unterlüß wird das zweitgrößte Artilleriewerk in Europa (Anm. d. Red.: 350.000 Granaten/Jahr) – nach einem Werk in Spanien, wo 450.000 Granaten im Jahr produziert werden sollen.“ Auch das Werk in Spanien gehört zur Rheinmetall AG. Für diese Expansionen benötigt es Rohstoffe, Maschinen und Personal. Rheinmetall schließt nur langfristige Verträge ab, und geht daher von einem nachhaltigen Boom aus. Papperger ergänzt: „Alle wollen Werke – wir können sie bauen.“

Das Mindset muss sich ändern – zuerst in der Regierung

Die Regierung muss vorlegen und selbst erst einmal kriegstüchtig werden. Hier vor allem im Bereich Mindset. Entsprechend müssen die Vorgaben angepasst und Hindernisse abgebaut werden, neben der Platzierung von ausreichend Aufträgen. So fordert ACS-Geschäftsführer Schaubeck: „Ohne Aufträge fehlt der Wirtschaft die Grundlage. Wenn Aufträge vorliegen oder im Zulauf sind, dann kann die Industrie loslegen. Für die anschließenden Genehmigungen sollte es für die wehrtechnische Industrie Ausnahmen geben. Im Ernstfall müssen kritische Maschinen der wehrtechnischen Industrie bevorzugt angeboten bzw. ausgeliefert werden. Ferner müssen wir als Gesellschaft daran arbeiten, dass das Image und Bedeutung der Branche weiter steigen. Wenn interessierte Menschen wissen und erkennen, dass sie für eine bedeutsame Sache arbeiten, dann können wir auch leichter Personal rekrutieren.“

Das die Zeitenwende nicht angekommen und gelebt wird, zeigt sich aber auch an anderen Stellen. So ist die Verteidigungsindustrie im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA.) laut eigener Aussage bisher noch nicht in einem eigenen Fachverband oder Arbeitsgemeinschaft organisiert. Natürlich liefern die Mitgliedsfirmen bereits in den Defence-Bereich hinein, u.a. Werkzeugmaschinen, Antriebstechnik oder Sensorik. Einige Firmen sind laut verband gerade dabei, dies zu überlegen. Und klammern im Umkehrschluss einen boomenden Wirtschaftszweig als Absatzmarkt bisher völlig aus.

VDMA hat Rüstung auf dem Schirm

Auch der VDMA ist dabei, sich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen. So sagte unlängst VDMA-Präsident Bertram Kawlath zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit in Deutschland und Europe, auf der Pressekonferenz auf der Hannover Messe: „Der Maschinen- und Anlagenbau unterstützt die Pläne der künftigen Bundesregierung und der EU, deutlich mehr in die Verteidigungsfähigkeit des Kontinents zu investieren. Die Bedrohung durch Russland für unser demokratisch-freiheitliches System ist real und es braucht entsprechende Stärke, um den Kreml abzuschrecken. Der Maschinenbau spielt hierbei eine wichtige Rolle und kann diese weiter ausbauen – als Komponentenhersteller sowohl für bestehende als auch für künftige Technologien. Entscheidend sei, dass in der europäischen Rüstungsproduktion die Stückzahlen steigen, die Kosten sinken und Beschaffungsprozesse deutlich gestrafft werden. Dazu müssten gerade auch die Skalierungspotenziale des Binnenmarkts genutzt werden. Unsere Branche steht bereit, schnell neue Kapazitäten aufzubauen, effizient zu produzieren und neue Lösungen zu entwickeln.“ Denn der Maschinenbau spielt wichtige Rolle als Zulieferer für den Aufbau der Verteidigungsfähigkeit.

Im März 2025 ergänzte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann zum EU-Weißbuch: „Gleichzeitig braucht Europas Rüstungsindustrie leistungsfähige Wertschöpfungsketten für Komponenten und Produktionstechnologien. Hier wird der europäische Maschinen- und Anlagenbau eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, schnell neue Kapazitäten aufzubauen, effizient zu produzieren und neue Lösungen zu entwickeln. Gut ist auch der Fokus im EU-Weißbuch auf Entbürokratisierung und die Idee eines ,Omnibus für Verteidigung‘. Rüstungsgüter brauchen jedoch ebenfalls wettbewerbsfähige Lieferketten. Die Vereinfachung von Regulierung im Verteidigungssektor sollte Vorbild sein, den Standort Europa für alle Unternehmen grundlegend zu verbessern.“

FAQ zur Rüstungs-Zeitenwende im deutschen Maschinenbau

1. Was bedeutet die „Zeitenwende“ für den deutschen Maschinenbau konkret?

Die Zeitenwende beschreibt einen tiefgreifenden sicherheits- und verteidigungspolitischen Paradigmenwechsel, der infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine 2022 eingeleitet wurde. Für den Maschinenbau bedeutet das: zunehmende Bedeutung als Schlüsselindustrie für militärische Fertigung, mehr Nachfrage aus dem Verteidigungsbereich und eine stärkere Verknüpfung mit Sicherheitsfragen.


2. Warum ist der Maschinenbau von den Entwicklungen im Verteidigungsbereich betroffen?

Weil viele sicherheitsrelevante Systeme – von gepanzerten Fahrzeugen über Fertigungsanlagen bis hin zu Kommunikationslösungen – auf Komponenten und Maschinen aus dem klassischen Maschinenbau angewiesen sind. Der Aufbau von Verteidigungsfähigkeit erfordert Maschinen, Know-how, qualifiziertes Personal und eine robuste industrielle Basis.


3. Welche Herausforderungen bestehen für Maschinenbauunternehmen beim Einstieg oder Ausbau im Defence-Sektor?

  • Fehlende Aufträge als Investitionsbasis

  • Langwierige Genehmigungsverfahren

  • Sicherheitsanforderungen an Immobilien und Personal

  • Mangel an qualifizierten Fachkräften

  • Komplexe Lieferketten und Rohstoffabhängigkeiten

  • Notwendigkeit hoher Vorabinvestitionen (teilweise 8-stellig)


4. Wie schnell können mittelständische Betriebe wie ACS ihre Produktion hochfahren?

Bei Nutzung vorhandener Kapazitäten und geeigneter Mitarbeiter innerhalb von 12 Monaten. Muss jedoch neu gebaut oder aufwändig umgerüstet werden, dauert es schnell über 24 Monate. Kritische Faktoren sind geeignete Immobilien, qualifiziertes Personal und verlässliche Auftragslage.


5. Was braucht es, um Produktionskapazitäten in der Wehrtechnik auszubauen?

  • Verlässliche langfristige Aufträge

  • Finanzielle Planungssicherheit

  • Zugang zu spezialisierten Maschinen (z. B. Laserschneidanlagen, Schweißgeräte)

  • Lokale, flexible Zulieferketten

  • Abbau bürokratischer Hürden bei Genehmigungen und Arbeitsvorschriften


6. Welche Rolle spielt Automatisierung und Standardisierung?

Unternehmen wie Rohde & Schwarz setzen auf stark standardisierte, modulare Fertigungskonzepte und Automatisierung mit Robotik, um Flexibilität, Skalierbarkeit und Reaktionsgeschwindigkeit in der Produktion zu erhöhen.


7. Welche Bedeutung hat eine lokale Supply Chain für die Wehrtechnik?

Eine lokale Lieferkette erhöht in Krisen- und Kriegszeiten die Versorgungssicherheit und Reaktionsfähigkeit. Unternehmen wie etatronix und ACS setzen auf Komponenten aus Deutschland bzw. NATO-Staaten, um sich unabhängig von geopolitisch unsicheren Märkten zu machen.


8. Wie steht der VDMA zur Zeitenwende?

Der Verband erkennt die Relevanz der Verteidigungsindustrie zunehmend an. Präsident Kawlath und Hauptgeschäftsführer Brodtmann fordern:

  • Stärkere Einbindung des Maschinenbaus in die europäische Verteidigungsstrategie

  • Entbürokratisierung

  • Skalierungspotenziale des EU-Binnenmarkts zu nutzen

  • Aufbau leistungsfähiger Lieferketten und Wertschöpfung in Europa


9. Was muss die Politik jetzt tun?

  • Klare Signale und langfristige Aufträge setzen

  • Genehmigungen beschleunigen

  • Zulassung von Ausnahmeregelungen für kritische Industrien

  • Branchenimage stärken, um Personal zu gewinnen

  • Rahmenbedingungen schaffen, um Investitionen zu ermöglichen


10. Welche neuen Ansätze zur Kapazitätsausweitung gibt es?

Beispiele sind:

  • Nutzung ungenutzter Fertigungskapazitäten aus anderen Industriezweigen (z. B. Automobilbranche)

  • Auf- und Ausbau von Fertigungsstraßen für konkrete Rüstungsprojekte

  • Umwidmung bestehender Werke für militärische Produktion

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